Aston Martin Victor

Es passiert nicht oft, dass Besucher eines automobilen Schönheitswettbewerbes sprachlos vor einem Auto stehenbleiben. Am Wochenende passierte jedoch genau das in London beim Concours of Elegance. Der Grund? Q by Aston Martin nutzte diese Veranstaltung, um ein im Kundenauftrag erstelltes Einzelstück erstmalig der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die eigentlich auf Individualisierungen neuer Seriensportwagen spezialisierte Abteilung innerhalb des Aston Martin Werkes empfiehlt sich damit zugleich für kommende Sonderaufträge von VIP-Kunden mit ausreichenden finanziellen Mitteln. Als Basis zog man ein Ersatzchassis inklusive hinterem Hilfsrahmen für den Supersportwagen One-77 heran, der 2011 in einer Kleinserie von nur 77 Exemplaren entstanden war. Wie dieses Monocoque besteht auch die komplett neu gestaltete Karosserie aus Kohlefaser. Mittels exakter Berechnungen am Computer ließ sich nicht nur der Abtrieb auf 824 Kilogramm bei Höchstgeschwindigkeit anheben, sondern zudem das Gesamtgewicht im Vergleich zum One-77 nochmals absenken. Im Vergleich: Der Vantage GT4-Rennwagen kommt auf ’nur‘ 525 Kilogramm Abtrieb.

Rennauto mit Zulassung

Auf Wunsch des anonymen Kunden zeichnete die Designabteilung von Aston Martin eine Karosserie mit diversen Anleihen vom klassischen V8 Vantage der 1970er und 80er Jahre. Speziell RHAM/1 spielte bei der Gestaltung eine große Rolle. Dabei handelt es sich um einen DBS V8, der Ende der 70er unter dem damaligen Geschäftsführer Victor Gauntlett für eine Teilnahme am 24-Stunden-Rennen in Le Mans bei Rennteam von Robin Hamilton entwickelt wurde. 1977 und 1979 ging der Wagen tatsächlich an den Start. Vom originalen Straßenfahrzeug blieben dabei allerdings lediglich die grobe Silhouette sowie die Formen von Scheinwerfern und Rückleuchten übrig. Stattdessen gab es mächtige Verbreiterungen und ein abgesenktes Dach. Nun setzt man diesem mächtigen V8-Rennwagen mit diesem Einzelstück ebenso ein Denkmal wie dem damaligen Firmenchef. Das Unikat erhielt nämlich den schlichten Namen Victor.

Ein wundervoll tiefes Dunkelgrün, genannt ‚Pentland Green‘, schmückt die Karosserie des Aston Martin Victor in Kombination mit wenigen Details in mattem Sichtcarbon. Diese konzentrieren sich hauptsächlich auf das untere Drittel der Karosserie und umfassen damit die wichtigsten Aerodynamikbauteile, wie den Frontspoiler, die Seitenschweller und den riesigen Diffusor am Heck. Oberhalb der vom Valkyrie entliehenen Rückleuchten ist ein breiter und relativ hoher Spoiler nahtlos in die Rückseite des Victor integriert.

Organische Leichtmetallräder

Hinzu kommen organisch gestaltete Leichtmetallräder mit Zentralverschlüssen, eine riesige Brembo-Bremsanlage mit Carbon-Keramikscheiben und unterhalb der Türen nach außen mündende Auspuffendrohre. Passend zum Exterieur trägt das Interieur feinstes Bridge of Weir Leder in den Farbtönen ‚Forest Green‘ und ‚Conker‘, wobei die zweite Farbe exklusiven Details wie einem Kartenfach am Getriebetunnel oder einigen Ledergürteln vorbehalten bleibt. Hellbeige-farbener Kaschmirstoff dient als Bespannung des Dachhimmels, eloxiertes Aluminium und maschinell poliertes Titan für Bedienelemente und feines Walnussholz für den Schalthebel und als Zierrat am Armaturenbrett. An vielen Stellen kann man zudem einen Blick auf das Carbon des Monocoques werfen. Auf die Hände des Fahrers wartet ein oben offenes Rennwagen-Lenkrad, das aus dem Aston Martin Vulcan stammt.

Leistungsstarker V12-Saugmotor

Auch das 7,3 Liter große V12-Triebwerk stammt in seinen Grundzügen vom One-77. Allerdings verpasste die Q-Abteilung dem Aggregat gemeinsam mit Cosworth eine einzigartige Spezifikation, die zu 623 kW/847 PS sowie einem maximalen Drehmoment in Höhe von 821 Newtonmetern führt. Im One-77 standen bereits mehr als beachtliche 559 kW/760 PS und 750 Newtonmeter zur Verfügung. Dort sorgte jedoch eine Sechsstufen-Automatik für die Kraftübertragung zu den Hinterrädern. Für den Victor entstand bei Graziano in Italien eigens ein manuelles Sechsgang-Getriebe. Vom Vulcan übernahm Q die innenliegenden Pushrod-Aufhängungen mit verstellbaren Dämpfern, die allerdings hier auf raue Straßenoberflächen anstelle von glatten Rennstrecken voreingestellt wurden.

Zum Kaufpreis des Victor machte Aston Martin keinerlei Angaben. Man darf jedoch ohne große Übertreibung von einer siebenstelligen Summe ausgehen.

Autor: Matthias Kierse – Secret Classics

Bilder: Aston Martin