Alfa Romeo 155 GTA Stradale

Während die heutige DTM durch den Ausstieg von Mercedes-AMG ein wenig mit der Zukunft hadert, denken ältere Motorsportfans mit ein wenig Wehmut an die Tage der alten DTM bis 1996 zurück. Bis zur Einführung der sogenannten Klasse-1-Fahrzeuge drehten hier Kompaktwagen und Mittelklassefahrzeuge ihre Runden, die abgesehen von einigen notwendigen Veränderungen für den Motorsport eigentlich den Serienfahrzeugen aus dem Showroom entsprachen. Diese Nähe zum Kunden nutzten diverse Hersteller für Sondermodelle, die den sportlichen Erfolg auf die Straße transportieren sollten. Manche mussten sogar aufgelegt werden, um tiefer greifende Veränderungen überhaupt im Rennsport einsetzen zu dürfen. Hierzu zählen bekannte Autos wie die beiden Evolution-Modelle des Mercedes-Benz 190 E oder der BMW M3 Sportevo, aber auch der Ford Sierra RS Cosworth 500.

Weniger bekannt ist, dass auch Alfa Romeo an einer limitierten Auflage des 155 nachdachte, nachdem man relativ überraschend in der Debütsaison 1993 direkt den DTM-Titel mit Nicola Larini am Steuer eingefahren hatte. Gemeinsam mit Abarth und unter Leitung von Sergio Limone, der zuvor den Lancia 037 auf die Räder gestellt hatte, entstanden zuerst einmal eine Reihe von Ideen und schließlich ein Windkanalmodell. An diesem testete man erste Aerodynamikbauteile, die man schließlich in den Maßstab 1:1 übertrug und an einem realen Prototypen testete. Unsere Bildergalerie beweist, dass man dabei sogar über einen großen Dachflügel im Stil des Ford Escort RS Cosworth nachdachte, diesen aber wieder verwarf.

Technisch basierte der Prototyp auf dem Topmodell der 155er Baureihe, dem 155 Q4. Dieser bezog seine Plattform vom im Rallyesport sehr erfolgreichen Lancia Delta Integrale, allerdings mit einem Hinterachsdifferenzial aus Stahlguss anstelle von Aluminium, um die Gewichtsbalance ein wenig in Richtung Heck zu verschieben. Auch das zwei Liter große Vierzylinder-Turbotriebwerk stammte vom Delta, erhielt für den 155 GTA Stradale allerdings eine Überarbeitung nach Gruppe-N-Regularien inklusive Ladeluftkühler, Garrett-T3-Turbolader und einem elektronischen Multipoint-Einspritzsystem von Magnetti Marelli. Genaue Leistungsdaten gab man nicht bekannt, es dürften aber rund 200 PS gewesen sein.

Optisch orientierte man sich ein wenig am erfolgreichen DTM-Rennfahrzeug, das ebenfalls bei Abarth unter dem Entwicklungskürzel SE051 entstand. Beim Straßenfahrzeug (SE053) ging man jedoch nicht ganz so weit. Breitere Kotflügel, neu gestaltete Schürzen und Schwellerleisten sowie ein fest installierter Heckflügel machten den optischen Unterschied aus. Auf der Bologna Motor Show 1994 debütierte der Wagen erstmals öffentlich mit einem renntauglichen Interieur, also nur einem Sitzplatz und einem vollwertigen Überrollkäfig. Später wechselte man auf ein vollwertiges Interieur mit vier lederbezogenen Sitzen. Einzig das Sportlenkrad mit dünnen Speichen und die Mittelkonsole entsprechen nicht dem Serienzustand eines normalen 155. Insgesamt legte der Prototyp bis heute mehr als 40.000 Kilometer zurück, zu einer Serienfertigung kam es jedoch nicht.

Der Grund dafür ist vielfältig, liegt jedoch hauptsächlich darin, dass die Fiat-Vorstände lieber einen sportlichen V6-Motor unter der Haube gesehen hätten, um somit auch beim Antrieb an das DTM-Fahrzeug zu erinnern. Hinzu kamen relativ hohe vorherberechnete Kosten aufgrund der veränderten Karosserieteile, die eine zweite Fertigungslinie nötig gemacht hätten. Daher stoppte man das Projekt trotz bereits eingehender Vorbestellungen, die auch durch einen Einsatz des Prototypen als Medical Car beim Formel-1-Grand-Prix von Monza 1994 angefacht wurden. Das Fahrzeug landete in der Werkstatt des Fiat-Händlers und ehemaligen Rallyefahrers Tony Fassina in Mailand, wo es nach vier Jahren von einem seiner Freunde entdeckt und gekauft wurde. Anschließend gelangte der Wagen nach Deutschland und wurde erstmals offiziell für den Straßenverkehr zugelassen. Nach einer kurzen Episode in Monaco gelangte der 155 GTA Stradale 1999 zurück nach Italien und wechselte dort noch einmal seinen Halter. Nun bietet das Auktionshaus Bonhams dieses Unikat im Rahmen der jährlichen Auktion in Padua am 27. Oktober an. Als Zuschlagspreis werden 180.000,- bis 200.000,- € erwartet.

Bilder: Bonhams