Vector Avtech WX-3 & WX-3R

Amerikanische Sportwagen stammen von Shelby, Ford, Dodge oder Saleen, richtig? Falsch! In den 1980er und frühen 90er Jahren gab es zusätzlich die Marke Vector Motors, die mit radikal-keilförmigen Entwürfen auf sich aufmerksam machte. Das Gründungsdatum liegt sogar im Jahr 1978, als der deutschstämmige US-Unternehmer Gerald Wiegert gemeinsam mit dem Besitzer von Precision Auto Inc. aus Kalifornien die ‚Vector Car Limited Partnership‘ eröffnete. Zuvor gab es die gemeinsame Vorläuferfirma Vehicle Design Force. Wiegert hatte zuvor vier Jahre lang das Center for Creative Studies in Detroit besucht und sich anschließend bei General Motors zum technischen Zeichner ausbilden lassen, was er 1970 mit Diplom des Art College of Design in Los Angeles abschloss. Einige Zeit später verließ er GM im Streit und kündigte einen „Starfighter für die Straße“ an. Seine Planungen sahen einen neuen Supersportwagen aus amerikanischer Produktion vor, der alle existierenden Fahrzeuge der Zeit übertrumpfen sollte, inklusive aller europäischen Produkte. Hierzu sollten gezielt Technologien von Kampfjets in die Autoproduktion übernommen werden. Hierzu zählten beispielsweise (Rückfahr-)Kameras oder ein Head-Up-Display.

1979 präsentierte man den ersten fahrbereiten Prototypen W2, der im folgenden Jahrzehnt in verschiedenen Farben für Fahrberichte in diversen Fachmagazinen weltweit genutzt. Das Grunddesign gab es indes bereits seit 1972, als Wiegert eine damals noch namenlose und lediglich rollbare Konzeptstudie auf der Motorshow in Los Angeles gezeigt hatte. Allerdings gab es bereits konkrete Vorstellungen zum Technikpaket des Wagens, die unter anderem einen lediglich zwei Liter großen Vierzylindermotor mit rund 250 PS vorsahen. Zu diesem Zeitpunkt sollte der spätere Vector also noch nicht alle Mitbewerber ausstechen. Nachdem General Motors von den Plänen nichts wissen wollte, überlegte Wiegert kurzzeitig sogar an der Verwendung von Porsche-Technik herum. Als der W2 (W für Wiegert, 2 für zwei Turbolader) schließlich gezeigt wurde, steckte schließlich ein 5,7 Liter großer Smallblock-V8 aus der Corvette und diversen Chevrolet-Modellen hinter den Passagieren, allerdings mit doppelter Turboaufladung und laut Werksangaben rund 600 PS (Wiegert selbst sprach stellenweise von bis zu 1.500 PS). Vom W2 entstanden nur zwei Exemplare, wovon eines durch einen Crash zerstört wurde. Im September 1990 folgte endlich die Premiere des ersten Kleinserienmodells W8 Twin Turbo (W für Wiegert, 8 für die Zylinderanzahl), von dem bis 1993 17 Exemplare und fünf unvollendete Chassis entstanden sind. Diese Chassis entstanden aus Aluminium und zeigten bereits damals eine geklebte und vernietete Honeycomb-Struktur. Das Triebwerk war auf sechs Liter Hubraum gewachsen, zeigte jedoch ständige Überhitzungsprobleme durch die zu kleinen Belüftungsöffnungen. Während Wiegert die technischen Probleme, die beim W8 immer wieder auftraten, nach und nach fast alle lösen konnte, kam er gegen die angeschlagene finanzielle Situation seines Unternehmens nicht an. 1988 ging er eine Kooperation mit Blinder, Robinson & Co. ein, erhielt eine Finanzspritze von sechs Millionen US-Dollar und brachte Vector an die Börse. Weiteres Kapital stammte aus gewonnenen Prozessen, beispielsweise gegen Reifenhersteller Goodyear, der den Namen Vector zeitweise ohne Genehmigung für eine Reifenvariante verwendete. Dennoch reichte das Geld lediglich für die wenigen Exemplare des W8.

Auf dem Genfer Autosalon 1992 debütierte das Nachfolgemodell des Vector W8 Twin Turbo, allerdings als reine Konzeptstudie, die auch auf der der New York International Auto Show im gleichen Jahr stand. Ein Jahr nach der Weltpremiere stand schließlich der fahrfähige Vector Avtech WX-3 erneut in Genf. Das Kunstwort an zweiter Stelle stand nicht etwa für einen neuen Kooperationspartner, sondern sollte eine Abkürzung für ‚Aviation Aerospace Technology‘ (Luft- und Raumfahrttechnologie) sein. Optisch war es Wiegert gelungen, viele Merkmale des W8 in eine neue, rundere Form zu integrieren und damit eine klare Familienzugehörigkeit zu erzeugen. Zudem zeigte er beim WX-3 nicht nur ein anfänglich silbern und später türkis lackiertes Coupé, sondern zusätzlich erstmals einen lilafarbenen Roadster namens WX-3R ohne Dachkonstruktion. Für die geplante Serienproduktion gab man ursprünglich einen Grundpreis von 765.000 US-Dollar an, was später auf 685.000 US-Dollar gesenkt wurde. Da Wiegert jedoch die Produktionsanlagen des W8 inzwischen verkauft hatte, fehlten ihm nun die Fertigungsmöglichkeiten für den WX-3. Hinzu kam eine Meuterei der Vector-Geschäftsführung, die in den USA diversen Mitarbeitern kündigte während Wiegert gerade die beiden WX-3-Prototypen auf dem Genfer Autosalon 1993 präsentierte. In anschließenden Gerichtsverhandlungen ging es hin und her, bis schließlich Gerald Wiegert aus seinem eigenen Unternehmen gekündigt wurde und letzteres an die indonesische MegaTech Ltd verkauft wurde.

Die beiden WX-3 verblieben im Privatbesitz von Gerald Wiegert. Dieser hatte sich zwischenzeitlich auch um andere Geschäftsfelder gekümmert und die Marke Aquajet gegründet. Hier fertigte er eigens entwickelte Jetskis und designte das Wetbike. Unter den Bezeichnungen WX-1 und WX-2 gab es Jetski-Kleinserien, deren Nomenklatur den neuen Sportwagen vorwegnahm. Zu Werbezwecken ließ er das WX-3 Coupé 1993 von silber auf die Aquajet-Firmenfarbe türkis umlackieren. Im Jahr 2004 tauchte dieses Fahrzeug bei eBay auf, wo es für 199.000 US-Dollar zum Verkauf stand, aber keinen Abnehmer fand. Hinter den Passagieren steckt ein sieben Liter großer V8-Biturbomotor, der laut Wiegert bis zu 1.200 PS leisten sollte. Etwa die Hälfte davon erscheint realistischer. Ein GM-Automatikgetriebe überträgt die Kräfte auf die Hinterachse. Innen finden bis zu drei Personen auf lederbezogenen Sitzen Platz.

Während in Genf und New York 1992 lediglich die Coupéform des Vector Avtech WX-3 zu sehen war, stand 1993 in den Hallen des Palexpo-Geländes in Genf auch eine konsequent offene Roadster-Variante, deren Lackfarbe Amethyst Purple den zweiten Farbton des Aquajet-Firmenlogos aufnahm. Im Gegensatz zum Coupé erhielt der Roadster eine veränderte Seitenlinie mit Seitenscheiben, die sich nahtlos an die Panoramawindschutzscheibe anfügen. Auch hinten sorgt ein niedrigerer Flügel und eine modifizierte Heckgestaltung für neue Ansichten. Angetrieben wird der Roadster durch das sechs Liter große V8-Triebwerk des Vorgängermodells W8. Innen nehmen Fahrer und Beifahrer auf zwei grau und lilafarben lackierten Sportsitzen Platz.

Beide Vector Avtech WX-3 Prototypen kommen nun bei einer von RM Sotheby’s veranstalteten Auktion in Arizona am 17. Januar unter den Hammer. Die Experten erwarten jeweils einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen 450.000 und 550.000 US-Dollar. Ob diese Preise wirklich erzielt werden können bleibt abzuwarten. Gerald Wiegert erkämpfte sich übrigens die Herrschaft über Vector erneut und führt die Firma bis heute. Vom 2007 präsentierten neuen Supersportwagen WX-8 gibt es jedoch bislang keine serienreife Version.

Bilder: RM Sotheby’s, Erik Fuller, Archiv Gerald Wiegert