Talbot-Lago T26 Record Sport Coupé de Ville

Zwischen den Weltkriegen und kurze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Frankreich diverse Luxusmarken vom Schlage Delahaye, Delage und Talbot-Lago. Von der letztgenannten Marke stammten wunderschöne Sportwagen und Reisewagen, die oftmals von den Karosseriebauern der damaligen Zeit einzigartige Aufbauten erhielten. So auch das Fahrzeug, das wir in diesem Artikel näher beleuchten möchten. Es handelt sich um einen T26 Record Sport, der 1948 durch Saoutchik als Coupé de Ville gestaltet wurde und der in diesem Monat von Bonhams im Rahmen der Monterey Car Week bei der ‚The Quail‘-Auktion angeboten wird.

Der T26 debütierte zwei Jahre zuvor auf dem Pariser Autosalon 1946 mit einem 4,5 Liter großen Reihensechszylindermotor mit rund 170 PS unter der Haube, den Anthony Lago in den Kriegsjahren entwickelt hatte. Neben dem Record bot man auch den Grand Sport mit verkürztem Radstand an. Beide richteten sich an wohlhabende Kunden, was nach dem Krieg nicht leicht, jedoch von der Regierung vorgegeben war. Durch den ‚Pons Plan‘ hatte das französische Parlament jedem heimischen Hersteller eine Fahrzeugkategorie zugeschrieben. Neben Talbot-Lago ordnete man auch Delage-Delahaye und Hotchkiss ins Segment ‚Véhicules de Classe Exceptionelle‘ (hochklassige Automobile) ein. Während die Grand Sport ausschließlich bei externen Firmen karossiert wurden, waren die T26 Record normalerweise mit Talbot-Karosserien versehen. Wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. Rund 35 Exemplare des Talbot-Lago T26 Record erhielten zudem den 20 PS stärkeren Motor des T26 Grand Sport und hießen dadurch ‚Record Sport‘. Die Mehrleistung resultierte aus einem neuen Aluminiumzylinderkopf und drei Doppelvergasern sowie schärferen Nockenwellen und leichteren Kolben. Kombinationen mit kräftigem Aggregat und Sonderkarosserie sind entsprechend rar.

Chassisnummer 100238 ging ohne Aufbau im Oktober 1948 an die Pariser Karosseriebaufirma Carrosserie de Luxe J. Saoutchik. Hier entstanden bereits seit 1906 außergewöhnliche Fahrzeuge, größtenteils auf Kundenwunsch. Diese setzten sich aus den damaligen VIPs, also Künstlern, Schauspielern, Musikern und Politikern zusammen. Saoutchik-Karosserien galten als Ausdruck von Geld und Macht. In diesem Fall entstand eine prestigeträchtige ‚Coupé de Ville‘-Karosserie, womit ein zweitüriger Aufbau mit festem Dach über dem Fond und Offenheit über dem Cockpit gemeint ist. Je nach Bestellung gab es Stoff- oder Metallverdecke, um schlechtes Wetter aus dem Wagen zu halten. Beim Talbot-Lago T26 Record Sport Coupé de Ville kann das abnehmbare Metalldach im Kofferraum oberhalb des Reserverades verstaut werden. Ob Chassis 100238 von Anfang an als Showfahrzeug von Saoutchik eingeplant war oder auf Kundenauftrag nach Paris ging, der dann gecancelt wurde, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

Bereits bei der Weltpremiere dieses Unikats auf dem Pariser Autosalon 1950 überzeugte die Farbgebung in sehr hellem Grau mit dunkelblauen Akzenten an den vorderen Kotflügeln und entlang der Seitenscheiben sowie je zwei wassertropfenförmigen Luftauslässen seitlich unterhalb der Motorhaube das Publikum und die Messeleitung, die dem Wagen einen Schönheitspreis verliehen. Im Vergleich zu anderen Entwürfen jener Zeit verzichtete man bei diesem Saoutchik-Entwurf bewusst auf allzuviel Chrom, der größte Bereich findet sich an den Vorderkanten der hinteren Kotflügel. Hinzu kamen verchromte Speichenfelgen mit Weißwandreifen. Im Rahmen der Messe wurde auch Vincent Auriol, der damalige französische Präsident auf diesen Talbot-Lago aufmerksam. Allerdings kaufte weder er noch ein anderer Besucher den Wagen, wohl wegen dem recht hohen Preis. Im folgenden Sommer stellte Saoutchik ihn beim Concours d’Elegance am Grande Cascade in Bois de Boulogne aus, doch erst im November 1951 erfolgte der Verkauf an eine Madame Yvonne Bozdogan-Brawand in der Schweiz.

Über die folgenden 25 Jahre ist wenig bekannt, allerdings taucht Chassisnummer 100238 in der 1976er Kartei aller Talbot-Lago in den USA von Tony Carrol bei einem Mister James Karupka in Catonsville/Maryland auf. Dort bleibt der Wagen auch für weitere 12 Jahre, bevor Stephen Cortinovis aus St. Louis/Missouri 1989 zum neuen Besitzer wurde. Das Fahrzeug stand bereits seit vielen Jahren ungeschützt im Freien, nachdem es technische Defekte gegeben hatte. Es war jedoch komplett erhalten inklusive Motor und aller Interieurdetails. Mr Cortinovis begutachtete das Wrack in seiner Garage und kam zum Schluss, dass die Restaurierung seine Fähigkeiten übersteigen würde. So verkaufte er das Auto an Richard Straman in Kalifornien weiter. Doch auch der bekannte Ferrari-Restaurator kapitulierte vor dieser Aufgabe und gab die Überreste Mitte der 1990er Jahre weiter an einen Sammler, der ebenfalls vor der Restaurierung zurückschreckte. 2013 bot Toby Ross vom Klassikerhändler Ross Classics den Wagen an und der heutige Besitzer erwarb ihn, um endlich die lange überfällige Restaurierung anzugehen.

Hierbei kam es ihm besonders auf Authentizität und Originalität an. Somit verblieben das originale Triebwerk nebst Getriebe an Ort und Stelle, nachdem sie zuvor umfangreich aufgearbeitet wurden. Obgleich einige strukturelle Holzteile ausgetauscht werden mussten, erhielten die Restauratoren soviel originale Substanz wie möglich. Innen bezog man die Sitze mit korrektem Material in blau mit weißer Keder. Neben diversen Kleinteilen fertigte man in Handarbeit den kompletten Kabelbaum neu an. Nun kommt der nach Concours-Standards aufgebaute Talbot-Lago im Rahmen der Monterey Car Week bei der Bonhams-Auktion beim ‚The Quail‘ unter den Hammer. Hierbei erwarten Experten einen Zuschlagspreis zwischen 1,2 und 1,6 Millionen US-Dollar (rund 1.040.000,- bis 1.387.000,- €).

Bilder: Bonhams