Siva Sirio

Mitte der 1960er Jahre erschienen verschiedene neue Sportwagen auf dem Markt. Neben Fiat mit dem Dino Coupé und Spyder sowie Ferrari mit dem Dino 206 versuchte sich auch Bizzarrini daran, mit dem 1900 GT Europa eine neue Käuferschicht unterhalb des bisherigen 5300 GT anzusprechen. Hierfür nutzte man die günstige Technik des Opel GT. Damit sorgte man für Interesse, allerdings auch für Begehren aus einer ganz anderen Richtung. Die Gebrüder Achille und Sergio Candido betrieben in Lecce im Süden von Italien ein großes Ford Autohaus und waren Erben einer größeren Unternehmerfamilie. Der 1966 präsentierte kleine Bizzarrini löste bei ihnen den Wunsch nach einem eigenen Sportwagen aus, der natürlich Antriebskomponenten von Ford nutzen würde. Gemeinsam mit dem Rennwagenkonstrukteur Virgilio Conrero entstand ein Aluminium-Rohrrahmenchassis mit integriertem Überrollbügel und Einzelradaufhängung für alle vier Räder. In Mittelmotorbauweise steckte das 2,3 Liter große V6-Triebwerk aus dem Ford 20M TS direkt zwischen dem Cockpit und der Hinterachse. Ab Werk standen 95 PS bereit. Allerdings kündigte man direkt zur Weltpremiere eine leistungsgesteigerte Version mit drei Weber-Doppelvergasern und schärferer Nockenwelle an, die auf 130 bis 145 PS kommen sollte. Damit wollte man eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h ermöglichen. Getriebe und Differenzial stammten vom kleineren Ford 12M.

Für die Gestaltung der ebenfalls aus Aluminium gefertigten Karosserie wandte man sich zuerst an Giovanni Michelotti, der einen kompakten Sportwagen mit Klappscheinwerfern und Targa-Dach zeichnete, der in diversen Details dem späteren Fiat X1/9 ähnelte. Allerdings fand dieser Entwurf nicht den Gefallen der Candido-Brüder, weshalb eine Überarbeitung beim Designbüro Stile Italia erfolgte. Dort entstand kurz zuvor die Spyder-Version des Bizzarrini 5300 GT. An diesen großen Sportwagen erinnert auch die finale Gestaltung des Candido-Projektes, für das der Modellname Sirio in Anlehnung an das Sternbild Sirius gewählt wurde. Anhand eines aus Holz gefertigten Modells im Maßstab 1:1 nahm man finale Veränderungen am Design vor. Verglichen mit dem Michelotti-Entwurf verwandte man nun runde Scheinwerfer unter einer Klarglasabdeckung, eine deutlich geschwungenere Gürtellinie und ein Heck mit integrierter Abrisskante. Die Abmessungen lauteten 4,05 Meter Länge, 1,65 Meter Breite, 1,15 Meter Höhe und ein Radstand von 2,35 Metern. Als Trockengewicht gab man 808 Kilogramm an.

Vor der Weltpremiere auf dem Turiner Autosalon 1967 begründeten die Brüder die neue Marke Società Italiana Vendita Automobili, oder kurz Siva Automobili. Beim Turiner Karosseriebauer Carbondio entstanden für die Präsentation drei fahrbare Prototypen. Speziell in den italienischen Medien nahm man den Neuling im Sportwagensektor mit offenen Armen auf. Eine Zeitschrift titelte: ‚Una „Bomba“ da 200 all’ora nata nel profondo sud‘ (Eine 200 km/h schnelle „Bombe“ aus dem tiefen Süden) im Hinblick auf die geplante Manufaktur in Apulien. Auch in den Niederlanden, Frankreich, den USA und Japan erwähnte man den Sportwagen im Rahmen der Messeberichterstattung mit lobenden Worten.

Für das erste Produktionsjahr 1969 kündigte Achille Candido bis zu 300 produzierte Exemplare an, gefolgt von bis zu 500 weiteren im Jahr 1970. Tatsächlich gingen im Rahmen der Turiner Automesse und in den folgenden Wochen laut Firmenangaben rund 1.500 Vorbestellungen ein. Allerdings verweigerten diverse Banken in Aussicht gestellte Kredite wegen der von den Candidos gewünschten Produktion in Süditalien, wodurch es nie zu einer Serienfertigung kam. Selbst die Oberen der Stadt Lecce verstanden die Chancen hinter diesem Projekt nicht und unterstützten den Sportwagenbau daher ebenfalls nicht. In der Zwischenzeit erschienen weitere Fahrzeuge auf dem Markt, die in ihrer Bauweise die Einzigartigkeit des Sirio aufgriffen und damit Verkaufschancen immer weiter verringerten. 1970 schlossen daher sich daher die Tore für S.I.V.A., ein durchaus interessantes Fahrzeug und Chancen für den Arbeitsmarkt im italienischen Süden.

Bilder: Siva Automobili Srl