Seat – 16 spezielle Modelle

Sieben Jahrzehnte sind ein langer Zeitraum, in dem viel passieren kann. Die Gründung von Seat liegt 70 Jahre zurück und auch in dieser Firmengeschichte reihen sich interessante, spannende und teilweise sogar lustige Anekdoten aneinander, die sich immer wieder in automobilen Einzelstücken ausdrückten. Im aktuellen Jubiläumsjahr rückt der spanische Hersteller gezielt 16 besondere Modelle noch einmal ins Rampenlicht. Dieses Spektrum reicht von ganz frühen Fahrzeugen bis hin zum aktuellen Leon und umfasst dabei sowohl Unikate für berühmte Persönlichkeiten als auch Wagen, die nie außerhalb des Werksgeländes genutzt wurden.

1400 Visitas & 600 Savio

Bereits 1956 entstand das erste Sondermodell aus der bunten Palette auf den neuen Pressebildern. Mit dem 1400 Visitas fuhr Seat Besucher durch die Werkshallen. Hierfür entstanden zwei Exemplare des 1400 ohne Dach und Türen sowie mit zusätzlicher dritter Sitzbank im Fond. Den Umbau erledigten dabei die selben Mitarbeiter, die am Produktionsband normale 1400er fertigten. Nach acht Jahren Dienstzeit rollte man die beiden Besucherfahrzeuge in eine Ecke des Werkes, wo sie bis 2005 stehenblieben. Durch ihren schlechten Allgemeinzustand sahen sich die Mechaniker der Klassikabteilung anschließend gezwungen, aus den beiden Wracks ein funktionstüchtiges Auto neu aufzubauen. Im Dienste des Besuchers tat ab 1964 ein ganz besonderer Seat 600 Dienst, dessen Karosseriedesign Pietro Frua für einen baugleichen Fiat gezeichnet hatte. Bei der Firma Carrozzeria Savio entstanden aus diesen Zeichnungen schließlich sechs Kleinbusse für Fiat und einer für Seat, die dank drei Sitzreihen Platz für bis zu neun Insassen boten und über ein abnehmbares Glasdach verfügten.

124 ‚Un Million‘ & Panda Papamobil

In den Anfangsjahren fertigte Seat ausschließlich Fiat-Modelle in Lizenz. So gab es zwischen 1968 und 1980 beispielsweise einen nahezu baugleichen 124 aus Spanien, von dem mehr als 900.000 Exemplare vom Band liefen. Darunter befand sich 1966 auch der insgesamt einmillionste Seat, der unter der damaligen Belegschaft verlost wurde. Allerdings hatte der Gewinner keinen Führerschein, weshalb er die Auszahlung des Gegenwertes vorzog und der 124 postwendend in die hauseigene Fahrzeugsammlung übernommen wurde. Deutlich mehr Schlagzeilen machte 1982 ein zum Papamobil (‚Papamóvil‘) für Papst Johannes Paul II umgebauter Seat Panda. Die engen Durchfahrten der großen Fußballstadien von Real Madrid und dem FC Barcelona machte es erforderlich, ein kleines und wendiges Auto zur Verfügung zu stellen. Trotzdem ließ man es nicht an gut angefertigten Details wie einem Handlauf entlang der hinteren Stehfläche fehlen, an dem sich der Heilige Vater bei langsamer Fahrt durch die Menschenmenge festhalten konnte.

Ronda & Ibiza Rey

Ab 1975 begann bei Seat der Abnabelungsprozess von Fiat, weshalb im Technischen Zentrum vermehrt an Eigenentwicklungen gearbeitet wurde. 1982 erschien als neues Modell der Ronda auf Basis des bisherigen Seat Ritmo. Gemeinsam mit Rayton Fissore hatte Seat allerdings großzügig neue Komponenten entwickelt. Trotzdem überzog Fiat die Spanier mit Plagiatsklagen, die vor Gericht in Paris schließlich eindrucksvoll widerlegt wurden: Seat ließ an einem Ronda alle neuen Teile gelb lackieren, um dem Richter, den Anwälten und allen anderen deutlich aufzuzeigen, wieviel eigene Arbeit in diesem Auto steckte. Zur Volljährigkeit des heutigen spanischen Königs Felipe I entstand bei Seat 1986 ein besonderer Ibiza, der den Beinamen Rey (zu deutsch: König) erhielt. Bereits zwei Jahre vor Markteinführung des Ibiza SXI erhielt dieses Exemplar einen 100 PS starken Vierzylindermotor mit Benzineinspritzung, eine Zweikreis-Bremsanlage mit X-Aufteilung und belüfteten Bremsscheiben, ein Sportlenkrad, Recaro-Sitze sowie eine Klimaanlage. Die goldene Lackierung und die Verspoilerung am Heck sollen Felipe dem Vernehmen nach sehr gut gefallen haben.

Ibiza Cabrio & Ibiza Bimotor

Immer wieder gab es Überlegungen, aus dem ersten Ibiza, der ab 1984 die Kompaktwagenklasse bereicherte, ein Cabriolet zu schneidern. Giorgio Giugiaro und seine Mitarbeiter bei ItalDesign fertigten hierfür einen fahrfähigen Prototypen an. Besonderes Detail dieses 2+2-Sitzers war der Verzicht auf einen Überrollbügel. Eine Serienfertigung schloss man letztlich aufgrund mangelnder prognostizierter Absatzmöglichkeiten aus. Seat beteiligte sich immer wieder am Rallyesport und entwickelte 1986 den Ibiza Bimotor. Dieses Fahrzeug verfügt, wie der Name bereits andeutet, über zwei jeweils 1,5 Liter große Vierzylindermotoren, die jeweils an den Achsen verbaut waren und zusammen rund 300 PS leisteten. In der spanischen Dirt-Rallye-Meisterschaft fuhr José María Servià mit diesem Einzelstück immerhin zwei zweite Plätze ein.

Toledo Electric & Toledo Podium

1992 entstand bei Seat erstmals ein rein elektrisch betriebenes Auto auf Basis der ersten Toledo Modellgeneration. Unter der Motorhaube der Limousine verbaute man die 16 Bleibatterien, die zusammen mehr als 500 Kilogramm zum Gesamtgewicht des Toledo hinzuaddierten. Dennoch boten sie lediglich eine elektrische Reichweite von rund 55 Kilometern. Der Toledo Electric sollte allerdings auch nur als Begleitfahrzeug für den Fackellauf zu Beginn der Olympischen Spiele in Barcelona sowie beim Marathonlauf über 42,195 Kilometer am letzten Tag der Veranstaltung eingesetzt werden. Diese Touren brachte er problemlos hinter sich. Zusätzlich lobte Seat je einen besonders gestalteten Toledo für jeden spanischen Medaillengewinner aus. Insgesamt kamen 22 Medaillen zusammen, 13x Gold, 7x Silber und 2x Bronze. Das zweifarbig grau lackierte Sondermodell Podium mit luxuriösem, cremefarbenen Interieur inklusive Faxgerät und tragbarem Telefon in der Mittelarmlehne entstand jedoch 23-mal, um ein Auto gemeinsam mit dem Toledo Electric in die Werkssammlung aufzunehmen.

Marbella Pick-Up & Leon Cupra ‚Pies Descalos‘

Aus dem Fiat Panda entstand in Spanien erst der baugleiche Seat Panda und schließlich der eigenständig veränderte Marbella. Auf dieser Basis dachte man nicht nur über einen Kleintransporter nach, der als Terra in Serie ging, sondern auch über einen Pick-Up mit Ladefläche, die nur durch ein Trenngitter vom Cockpit abgetrennt war. Durch die kolumbianische Sängerin Shakira entstand Anfang der 2000er Jahre ein besonderer Leon Cupra zugunsten der Stiftung ‚Pies Descalos‘ (zu deutsch: barfuß), die sich in Lateinamerika für obdachlose und benachteiligte Kinder einsetzt. Neben der lilanen Farbgebung außen und innen erhielten die beiden entstandenen Wagen auch ein Autogramm der Künstlerin auf der Motorhaube. Ein Exemplar versteigerte man bei einer Spendenaktion, das zweite ging in die Fahrzeugsammlung.

Ibiza Cupster & Ateca ‚Mattracks‘

Rund 30 Jahre nach den Ideen zum Ibiza Cabrio (siehe oben) entstand 2014 mit dem Ibiza Cupster eine Konzeptstudie, die nochmals weiter ging. Nur zwei Sitzplätze, eine deutlich kürzere Windschutzscheibe und eine grau abgesetzte Abdeckung mit zwei Hutzen hinter den Sitzen machten dieses Fahrzeug zum reinen Speedster, dem erneut eine (Klein-)Serie verwehrt blieb. Anlässlich der ‚Ateca Snow Experience‘ stellte Seat 2017 den Ateca ‚Mattracks‘ vor, der anstelle von normalen Rädern Raupenlaufwerke in den Radhäusern besitzt. Diese legen das Fahrzeug nicht nur höher, sie verhelfen ihm zudem zu mehr Grip auf Schnee, Eis und Matsch. Selbst für den Straßenverkehr sind sie zugelassen, gingen jedoch nicht ins Sonderoptionenprogramm des Serienautos ein.

Leon Cupra Prototyp & Leon Prototyp

Mit Werksfahrer Jordi Gené hinterm Steuer gelang Seat 2014 ein neuer Rundenrekord für Fahrzeuge mit Vorderradantrieb auf der Nürburgring Nordschleife – erstmals unter acht Minuten. Unter der Camouflage-Tarnung steckte dabei ein Leon Cupra SC 280 mit Performance Pack, der die 20,83 Kilometer der Eifelrennstrecke in 7:58,44 Minuten zurücklegte. Beim jüngst präsentierten neuen Leon griff Seat auf eine Tarnfolierung zurück, die von der Mosaiktechnik ‚Trencadís‘ des spanischen Künstlers Antoni Gaudí inspiriert wurde. Auf diese Weise verdeckte man sehr geschickt die neuen Formen und erschuf zeitgleich quasi ein Art Car.

Bilder: Seat