Renault NN Labourdette Town Car
Am Weihnachtstag 1898 legte Louis Renault im Beisein seiner Brüder Fernand und Marcel eine erste Runde mit einem aus Holz selbstgebauten Automobil zurück. Offenbar beobachteten ihn dabei einige wohlhabende Nachbarn, denn bis zum Abend des gleichen Tages lagen ihm bereits zwölf Bestellungen für Nachbauten dieses Erstlingswerks vor. Das war die Geburtsstunde des Autobauers Renault. Nachdem seine Brüder 1903 und 1909 verstorben waren, wandelte Louis das Unternehmen in eine Société Anonyme (Aktiengeselltschaft) um und führte es bis zu seinem eigenen Tod 1944 allein weiter. Dabei war er nicht nur Geschäftsführer, sondern zugleich auch einer der wichtigsten Techniker, Tüftler und Entwickler der Firma. Dies führte zu zahlreichen Neuerungen, die er sich patentieren ließ, beispielsweise die Kardanwelle zur Übertragung der Motorkraft zur Hinterachse oder einschraubbaren Zündkerzen. Zudem dachte er bereits vor dem Zweiten Weltkrieg über Sicherheitsgurte nach (in Deutschland begann die Gurtpflicht in den 1970ern) und entwickelte verschiedene Versionen der Trommelbremse. Obwohl er bereits um 1900 rund 100 Mitarbeiter für die Produktion seiner Autos beschäftigte, gelang der wirkliche Durchbruch erst 1906, als ein Pariser Taxiunternehmen 250 Fahrzeuge bei ihm bestellte.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verlagerte sich Renault auf repräsentative Luxusfahrzeuge, die man in verschiedenen Größen anbot. Ein Modell der Unteren Mittelklasse war dabei ab 1924 der Typ NN (in einigen Quellen auch nach seiner französischen Steuerklasse ‚6 CV‘ genannt). 1927 und 1928 erfolgten Modifikationen zum NN1 beziehungsweise NN2. Als Antrieb diente jeweils ein wassergekühlter Seitenventiler-Vierzylindermotor, der aus 951 Kubikzentimetern Hubraum anfänglich 17 und später 15 PS entwickelte. Diese Leistung gelangte über eine Kardanwelle an die Hinterräder und machte den NN je nach Aufbau und bestellter Hinterachsübersetzung zwischen 41 und 56 km/h schnell. Wie damals üblich verkaufte Renault fahrfähige Chassis an externe Karosseriebauer, bot aber zusätzlich ab Werk die Varianten Limousine, Tourenwagen, Landaulet und Roadster sowie etwas später auch den Torpedo an. 1927 stellte George Estienne die Langlebigkeit des Renault NN unter Beweis, als er als erster Mensch allein mit einem Auto die Sahara durchquerte. Ein anderes Exemplar testete man 200 Stunden lang, nur unterbrochen durch Tankstopps und Fahrerwechsel, auf der französischen Rennstrecke Circuit du Miramas, wobei über 10.000 Meilen zurückgelegt wurden.
Der von uns gezeigte Renault NN steht aktuell beim Klassikerhändler Hyman Ltd. in den USA zum Verkauf. Er verließ das Werk als Fahrgestell und erhielt bei Henri Labourdette in Paris eine außergewöhnliche Town-Car-Karosserie. Dabei ist der vordere Bereich für den Chauffeur nicht überdacht und daher mit wetterbeständigem Leder bezogen, während die Besitzer des Wagens überdacht im Fond auf weichem Velours-Stoff Platz nahmen. In jener Zeit galt feiner Stoff noch als deutlich wertiger und exklusiver als schnödes Leder. Laut Bob Sullivan, der diesen Wagen in den 1990er Jahren erwarb, bestellte einst ein großes Hollywood-Studio genau diesen Aufbau, um Kinderstars zu Debütveranstaltungen oder anderen Events zu fahren.
Karosserien von Labourdette waren für ihre hohe Verarbeitungsqualität und die kreative Gestaltung bekannt. Bei diesem NN erhielt man die charakteristische ‚Schaufelnase‘ und ließ dahinter die hauseigenen Ideen einfließen. Eine steilstehende Windschutzscheibe mit vernickeltem Rahmen sorgt dafür, dass der Fahrer möglichst wenig von den Naturgewalten um ihn herum abbekommt. Der hintere Bereich zeigt sich im unteren Bereich mit Weidenrohrpaneelen bestückt, während er weiter oben wie auch an der Frontpartie in dunklem Braun lackiert ist. Auf dem Dach sitzt ein Gepäckträger aus Nickelrohren, auf dem ein zeitgemäßer Weidenholz-Koffer mitfährt. Nickel-Lampen im Kutschenstil und ein geteiltes Fenster zwischen Fond und Cockpit mit zwei zu öffnenden Scheibenelementen runden die Optik ab. Vor einigen Jahren erfolgte eine Restaurierung bei der Hillcrest Motor Company in Los Angeles, die inzwischen eine hübsche Patina angesetzt hat. Während die allermeisten Renault NN Scheibenräder ab Werk erhielten trägt dieses Exemplar Speichenräder unter den schwarz abgesetzten Kotflügeln. Für US$ 52.500 (rund 47.500,- €) könnte dieses einmalige Stück der Renault-Markengeschichte Ihnen gehören.
Bilder: Hyman Ltd.