Porsche 356 Ferdinand
Ein Besuch im Porsche Museum in Stuttgart Zuffenhausen lohnt sich nicht nur für Fans der Sportwagenmarke. Wir legen diese Reise bewusst allen Autofans ans Herz, weisen hiermit aber auch darauf hin, dass damit bis zur Zeit nach der Corona-Pandemie gewartet werden muss. Neben Einblicken in die Motorsport-Aktivitäten im Laufe der Jahrzehnte erhält man auch einen guten Überblick über die Entwicklung des Automobils, an der Ferdinand Porsche bereits früh mit beteiligt war. Natürlich geht es in der Hauptsache um die Markengeschichte des Hauses Porsche, doch auch diese bietet immer wieder spannende Einblicke und Anekdoten, die mancher Betrachter bei einem schnellen Blick vermutlich nicht erwartet. Wie immer lohnt sich also der genaue Blick oder, was wir sehr empfehlen, ein geführter Rundgang mit einer Kennerin oder einem Kenner der Materie.
Eines dieser Museumsexponate, die vielleicht nur wenigen Besuchern ins Auge stechen, ist ein schwarzer Porsche 356, der meistens direkt im ersten Bereich des Rundgangs parkt und allein schon aufgrund seiner Lackierung eher unauffällig wirkt. Immerhin stehen drumherum farbenfrohere Rennfahrzeuge und auch der eine oder andere Farbklecks aus der Frühgeschichte der Sportwagenmarke. Warum sollte man also diese graue Maus besonders ins Rampenlicht rücken? Weil es sich lohnt. Bekanntlich verlagerte das Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche während des Zweiten Weltkriegs alle Aktivitäten nach Gmünd in Österreich. Dort entstanden nach dem Krieg auch der erste Mittelmotorsportwagen 356/1 sowie die ersten 56 Serienfahrzeuge des 356 (44 Coupés und 8 Cabriolets). 1950 zog die Firma zurück nach Stuttgart und bezog dort eine Halle in der Nachbarschaft der Karosseriebaufirma Reutter in Zuffenhausen. Während bei Reutter die Rohkarosserien entstanden, erledigten die Porsche-Mitarbeiter die Komplettierung der Fahrzeuge, die überwiegend noch aus Volkswagen-Teilen bestanden. Das erste fertige Auto stand am Gründonnerstag des Jahres 1950 zur Auslieferung bereit.
























Natürlich benötigte man für die Erprobung eigene Testfahrzeuge – heute würde man Vorserienautos oder sogenannte Mules nutzen. Damals erfolgten diese Tests zur Verbesserung der Fertigungsqualität parallel zur laufenden Produktion. Ebenso nutzte man die Versuchswagenflotte um Weiterentwicklungen bei Motoren und Getrieben auszuprobieren. Am 3. September 1950 erhielt Ferdinand Porsche dieses schwarze Fahrzeug zu seinem 75. Geburtstag. Interessanterweise erhalten Test- und Versuchswagen bei Porsche traditionell Namen. Für Nummer 141 wählte man die passende Bezeichnung ‚Ferdinand‘, die bis heute geblieben ist.
Im Laufe der Zeit diente der Wagen der Entwicklungsabteilung zur Erprobung diverser Bauteile. So kamen insgesamt mehr als 400.000 Kilometer im Bordbuch zusammen. Wenn das Fahrzeug sprechen könnte, würde es vermutlich von interessanten Ausfahrten auf Bergstraßen, langen Touren über Autobahnen und Fahrversuchen auf anderen Strecken erzählen. Die Anekdotenliste wäre vermutlich endlos. Heute steckt ein 1,1 Liter großer Vierzylinder-Boxermotor im Heck, der es auf unspektakuläre 29 kW/40 PS bringt. Bedenkt man jedoch, dass dieser Sportwagen 1950 bereits in der Lage war, bis zu 140 km/h Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, erkennt man die Besonderheit durchaus. Damals waren viele Menschen in Europa froh, wenn sie einen Motorroller oder ein Fahrrad besaßen.
Bilder: Porsche Museum, Matthias Kierse