Porsche 356 America Roadster

Porsche stellte bekanntlich 1948 den ersten eigenen Sportwagen 356/1 mit Mittelmotor vor und brachte ein Jahr später das Projekt 356/2 als Coupé und Cabriolet mit Heckmotor in Serienfertigung. Nachdem die ersten 50 Exemplare mit Aluminiumkarosserie im österreichischen Gmünd vom Band gelaufen waren, folgte ein Umzug zurück nach Stuttgart, wo im Stadtteil Zuffenhausen eine neue Fertigung in unmittelbarer Nachbarschaft zur Karosseriebaufirman Reutter aufgebaut wurde. Dort entstanden die Aufbauten des 356 nun in Stahlbauweise, wobei Porsche diesen Teil der Firma 1963 übernahm und Reutter seither nur noch Sitze unter dem Namen Recaro entwickelt und vertreibt. Während frühe Fahrzeuge der Baureihe 356 ausschließlich dem europäischen Markt vorbehalten waren, begannen bald auch Exporte in Überseestaaten. Besonders die US-Amerikaner hatten damals einen hohen Bedarf an kleinen Sportwagen für Clubsportrennen.

Unter den vielen Importeuren der Anfangszeit tat sich ein Name hervor, den Autofans von diversen weiteren Sportwagenprojekten der 1950er kennen: Max Hoffman. Geboren wurde dieser findige Geschäftsmann 1904 in Wien. 1941 machte er sich in New York erst mit einem Geschäft für Modeschmuck selbstständig und begann nach Kriegsende mit dem Import von europäischen Fahrzeugen. Zu Spitzenzeiten besaß er Verkaufsverträge mit mehr als zehn Marken gleichzeitig. Zudem regte er durch die Wünsche seiner US-Kunden inspiriert stetig neue Modelle in Europa an. Beispiele hierfür sind der Mercedes-Benz 300 SL oder der BMW 507. Eine seiner frühesten Bestellungen ging jedoch an Porsche. Der 356 war zwar ein ordentlicher Sportwagen, mit dem Hoffman diverse Rennsporterfolge einfahren konnte, viele Interessenten wünschten sich jedoch eine spartanische und günstigere Einstiegsvariante.

Bei Porsche nahm man diesen Wunsch durchaus ernst, da Hoffman zu diesem Zeitpunkt bereits einen ordentlichen Anteil der jeweiligen Jahresproduktion bestellte und in den USA absetzte. Da Reutter 1952 nicht genügend Kapazitäten für die Produktion von noch mehr Autos hatte, erarbeitete man gemeinsam mit der Gläser-Karosserie GmbH die Grundzüge eines sportlichen offenen Roadsters mit nur zwei Sitzen. Gläser existierte bereits seit 1864 in Dresden, wo anfänglich Pferdeschlitten und Kutschen gefertigt wurden. Die Fabrikationsstätte wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt und ging nach einem Wiederaufbau in der VEB Karosseriewerk Dresden (KWD) auf. Parallel dazu hatte es der vorherige Chef von Gläser geschafft, einige wichtige Maschinen und Werkzeuge nach Ullersricht in der Nähe von Weiden in der Oberpfalz zu verlagern, wo er die Gläser-Karosserie GmbH weiterführte. Für Porsche entstanden hier in Handarbeit zwischen 100 und 250 Cabriolet-Karosserien des 356 sowie nun die neu entwickelte Einstiegsvariante, die das Modellkürzel 540 und den Namen ‚America Roadster‘ erhielt. Da die offenen Aufbauten in Handarbeit aus Aluminium entstanden, waren die Fertigungskosten deutlich höher als kalkuliert, was nach nur 17 gebauten Fahrzeugen bereits im November 1952 zum Produktionsende führte.

Im Vergleich zum normalen 356 Coupé konnte Gläser die Karosserie um 60 auf 605 Kilogramm erleichtern. Hierfür verbaute man tiefer ausgeschnittene Türen ohne äußere Griffe und ein leichtes Notverdeck. Die Windschutzscheibe ist eigentlich nur ein flacher Streifen, wobei es auch eine größere Version gab, und für die Türen konnten auf Wunsch Steckscheiben bestellt werden. Auch das Armaturenbrett zeigt sich der einfachst möglichen Ausführung. Neben einem Lenkrad sowie je einem Rundinstrument für Geschwindigkeit, Drehzahl und Benzinstand gibt es nur einen Schalter, mit dem man die Scheinwerfer ein- und ausschaltet. Hinzu kommen lediglich ein Startknopf für den Motor sowie der Schalthebel und der Hebel der Handbremse. Im Heck verbaute man den bis dahin stärksten Vierzylinder-Boxermotor, der aus 1,5 Litern Hubraum 70 PS holte. Bis auf ein Fahrzeug exportierte Porsche alle 356 America Roadster in die USA. Allerdings war der Verkaufspreis deutlich höher als von Max Hoffman erhofft. Für 1953 entstand daher bei Porsche der 356 Speedster, dessen vereinfachtes Produktionsprinzip den Preis auf zwei Drittel des America Roadster reduzierte und damit einen Verkaufserfolg garantierte. Obwohl der Speedster heutzutage hohe Preise erzielt, sorgt die Seltenheit des 356 America Roadster in den seltenen Fällen eines Verkaufes für mittlere siebenstellige Summen. Das von uns gezeigte Fahrzeug ist die Nummer 17 von 17 und gehört dem Porsche Museum. Kürzlich erhielt es abweichend von unseren Bildern eine Umlackierung in jenen weißen Farbton, in dem es einst die Hallen von Gläser verlassen hatte.

Bilder: Porsche, Concours of Elegance, Matthias Kierse