Mercedes-Simplex 60 PS Reiselimousine
Wenn Sie, lieber Leser, bereits einmal (oder sogar mehrfach) das Mercedes-Benz Museum in Stuttgart besucht haben, dann wissen Sie, dass dort in der Dauerausstellung rund 160 Fahrzeuge vom Nachbau des Patent-Motorwagens bis hin zu Lastkraftwagen und Rennwagen stehen. Viele davon haben sich seit der Einweihung im Jahr 2006 nicht mehr von ihren Plätzen bewegt, da sie fester Bestandteil des Ausstellungskonzepts sind. Dieses sieht eine Aufzugsfahrt bis in die oberste Etage und anschließend einen spiralförmigen Rundgang durch die verschiedenen Zeitepochen der Markengeschichte vor, wobei man sieben sogenannte ‚Mythos‘-Räume durchschreitet. Zusätzlich gibt es in einer parallelen Spirale fünf ‚Collection‘-Räume mit Sonderausstellungen. Im zweiten Mythos-Bereich geht es um die Entstehung der heutigen Marke Mercedes-Benz inklusive der Namensherkunft. Aus Daimler und Benz wurde zwar bekanntlich die Daimler-Benz AG, jedoch erhielten die Automobile den Namen Mercedes – und dies bei Daimler bereits vor dem Zusammenschluss. Grund dafür war der französische Importeur Emil Jellinek, dessen Lieblingstochter den Namen Mercédès trug. Diesen ließ er auf von ihm speziell bestellte Wagenkonzepte übertragen, was 1902 zur Eintragung als Marke führte.
Reiselimousine von Emil Jellinek
Eines der Fahrzeuge im zweiten Mythos-Raum ist normalerweise eine rot lackierte Reiselimousine vom Typ Mercedes-Simplex 60 PS, Baujahr 1904. Hierbei handelt es sich um eines jener Autos, die Emil Jellinek in seinem persönlichen Fuhrpark hatte. Ende August ging dieser Klassiker auf eine Reise aus dem Museum heraus, wodurch es das älteste original erhaltene Fahrzeug ist, das bisher aus der Dauerausstellung entnommen wurde. Weit ging es für die Reiselimousine indes nicht. Sie dient als besonderes Exponat in einer Sonderausstellung zum Thema S-Klasse im Mercedes-Benz Classic Center im nahen Fellbach. Trotzdem war die Ausbringung dieses großen und rund 2,2 Tonnen schweren Fahrzeugs mit einigem Aufwand verbunden. Zuerst einmal musste der Wagen von seinem schrägen, facettierten und schwarz glänzenden Podest gehoben werden, wofür ein beweglicher 8-Tonnen-Minikran der Firma Scholpp auf Gummigleisketten und ein Gabelstapler zum Einsatz kamen. Diese Spezialfahrzeuge gelangten über einen fest im 42 Meter hohen Atrium des Museums installierten 40-Tonnen-Kran mit Beförderungskorb auf das Level des Mythos-2-Raums. Der rund 20 Tonnen schwere Transportkorb lagert üblicherweise im Museumsdepot und kann mittels Luftkissen ins Atrium geschoben werden. Wenn er an die Krananlage angehängt ist, verbleiben rund 20 Tonnen Traglast, was für alle ausgestellten Fahrzeuge ausreicht.
Auf dem Podest sorgen vier stählerne Aufnahmepunkte für einen sicheren Stand der Reiselimousine, ohne zugleich die Oberfläche des Podestes zu belasten. Diese mussten nun von Hand gelöst werden, ohne dass dabei das Fahrzeug in Bewegung geriet. Ein genau durchdachter Ablaufplan war also nötig, um weder den Oldtimer, noch die Ausstellungsfläche in irgendeiner Form zu beschädigen. Daher montierte man die ausladenden vorderen Kotflügel ab. Während vorn die Vorderachse durch Gurte an der Gabelstaplergabel angehoben wird, erhalten die Hinterräder ein spezielles Gestell aus Stahlbügeln, um mit dem Minikran angehoben werden zu können. Zeitweise schwebte die Reiselimousine frei im Raum, ehe sie rund fünf Meter weiter seitlich wohlbehalten auf dem Fußboden ausetzte. Während die Vorbereitung im Depot, im Mythos-2-Raum und am Fahrzeug rund acht Stunden dauerten, vergingen für den reinen Hebeprozess nur rund zehn Minuten.
Rückkehr für Anfang 2021 geplant
Nachdem der Luftdruck in den alten Reifen erhöht wurde, konnte der Klassiker mit Muskelkraft in den Transportkorb geschoben werden und innerhalb von fünf Minuten ins Atrium abgelassen werden. Von dort aus ging es ebenfalls im Schiebetempo durch den Haupteingang des Museums hinaus auf den Vorplatz und anschließend in einen bereitstehenden geschlossenen Autotransporter. Dieser transportierte den Mercedes-Simplex ins Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach, wo der Klassiker vor der Sonderausstellung noch einmal eingehend von den hauseigenen Experten gecheckt wird. Erst Anfang 2021 soll der Wagen wieder an seinen angestammten Platz in der Dauerausstellung zurückkehren.
Bilder: Mercedes-Benz