Mercedes 28/95 PS Sport

Bremsen an allen vier Rädern sind heute eine Selbstverständlichkeit. Doch das war nicht immer so. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sah die automobile Welt noch anders aus. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg, 1914, stellte die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) den Mercedes 28/95 PS vor, den Paul Daimler, Sohn des Firmengründers Gottlieb Daimler, konstruiert hatte. Unter der Motorhaube steckte ein Reihensechszylindertriebwerk mit 7,3 Litern Hubraum und 66 kW/90 PS. Neu waren die per obenliegender Nockenwelle angetriebenen, V-förmig in den Brennräumen hängenden Ventile. Trotz Kriegsbeginn lief die Produktion bei der DMG bis Mitte 1915 weiter. Vom 28/95 PS entstanden bis dahin rund 25 Exemplare. Nach Kriegsende dauerte es bis 1920, ehe das Modell erneut ins Programm aufgenommen wurde.

Weiterentwicklung zum 28/95 PS Sport

Ein Jahr darauf präsentierte DMG den weiterentwickelten Mercedes 28/95 PS Sport, mit dem das Werksteam im Motorsport antrat. Hierfür entstand ein neuer Rahmen mit tieferer Positionierung von Fahrer und Beifahrer. Auch der Motor und der Wasserkühler saßen tiefer und weiter hinten. Zudem verkürzte DMG den Radstand um 325 auf 3.065 Millimeter. Die Leistung des Sechszylindertriebwerks kletterte auf 81 kW/110 PS. Erstmals in der Markengeschichte erfolgte die Verzögerung über ein Vierrad-Trommelbremssystem. Für das Folgejahr erhielt der 28/95 PS Sport eine Kompressoraufladung, der bei eingeschaltetem Lader bis zu 107 kW/145 PS auf die Hinterräder brachte. Diese Entwicklung führte in direkter Linie zu den Baureihen S, SS, SSK und SSKL, die bis in die 1930er Jahre hinein erfolgreich waren. Ab 1923 gab es die „Allradbremse“ auch für Privatkunden. Ab Mitte der 20er musste ein Warnschild am Heck andere Verkehrsteilnehmer auf die gute Bremswirkung hinweisen.

Targa Florio 1921

Wie bereits oben beschrieben ging die Werksmannschaft der DMG mit dem Mercedes 28/95 PS Sport international an den Start. Ein solcher Einsatz erfolgte beispielsweise am 29. Mai 1921 auf Sizilien bei der Targa Florio. Hinter dem Steuer des Wagens mit der Nummer 25 nahm Max Sailer Platz, daneben Hans Rieger. Er trat in der Klasse der Tourenwagen über 5 Liter Hubraum an. Das Rennen führte über vier Runden des damals noch 108 Kilometer langen Rundkurs. An 364 Tagen im Jahr handelte es sich um unasphaltierte Land- und Gebirgsstraßen. Pro Runde mussten rund 800 Meter Höhenunterschied und etwa 1.500 Kurven durchquert werden. Hinzu kam die stechende Sonne mit hohen Temperaturen. Sailer benötigte für die insgesamt 432 Kilometer Renndistanz knapp siebeneinhalb Stunden. Damit erzielte er einen Klassensieg und überquerte die Ziellinie insgesamt auf Rang zwei. Hinzu kam die schnellste Rennrunde. Natürlich fuhr Sailer den Wagen auf Achse rund 2.000 Kilometer zum Rennen und anschließend zurück.

Weitere Rennerfolge für den 28/95 PS Sport und Mercedes

Neben Staub und Hitze gab es in der damaligen Zeit eine weitere Gefahr für die Rennfahrer: Reifenpannen. Sizilien war noch sehr ländlich und auf der Strecke lagen reichlich Hufnägel herum. Auch Max Sailer litt unter platten Reifen und musste insgesamt neunmal anhalten, um Pneus zu wechseln. Erstaunlicherweise kam der Gesamtsieger auf einem Fiat Spezialrennwagen ohne Reifenpannen durch. Dies brachte ihm zwei Minuten Vorsprung auf Sailer ein. Die Targa Florio wurde 1906 vom italienischen Industriellen Vincenzo Florio erstmals organisiert. Er stiftete zudem auch die Coppa Florio, die beim Grand Prix von Brescia ausgefahren wurde. 1921 nahmen erstmals Werksteams an diesem Langstreckenrennen teil. DMG brachte zwei Autos mit, im zweiten saß Carlo Ferrario. Der 28/95 PS Sport gewann zuvor bereits das Bergrennen Königsaal-Jilowischt und anschließend weitere fünf Rennen im gleichen Jahr. Mercedes (ab 1926 Mercedes-Benz) gewann zudem die Targa Florio in den Jahren 1922, 1924 und 1955.

Bilder: Mercedes-Benz