Maserati A6 1500/3C

Kennen Sie das erste Modell von Maserati nach dem Zweiten Weltkrieg? Vermutlich nicht, da es ein seltener Vertreter der Gattung Sportwagen geblieben ist. Bereits im Dezember 1914 hatten die Fratelli Maserati (Gebrüder Maserati) ihre Rennsportfirma begründet. Allerdings mussten sie aufgrund des Ersten Weltkrieges erst einmal ihre Aktivitäten einstellen. Erst ab 1918 konnte man sich langsam einen hervorragenden Ruf im Motorsport erarbeiten. Nach ersten Konstruktionen für Isotta Fraschini und Diatto erschienen Eigenkonstruktionen. Bis zum Zweiten Weltkrieg handelte es sich dabei jedoch ausschließlich um reine Rennsportwagen, die allenfalls auf besonderen Kundenwunsch straßentauglich gemacht wurden. 1932 starb Alfieri Maserati an den Folgen eines Rennunfalls. Seine Brüder Carlo, Ettore, Bindo und Ernesto führten die Firma weiter, konnten jedoch nicht mehr an die vorherigen Erfolge anknüpfen. 1937 kaufte sich der Stahlunternehmer Adolfo Orsi bei Maserati ein.

Entwicklung vor und im Zweiten Weltkrieg

Orsi erhoffte sich einen ordentlichen Marketingerfolg für sein Firmenimperium, wenn seine Sportwagenmarke Siege einfuhr. Daher übernahm er den Namen Maserati auch für andere Produkte wie Kühlschränke oder Motorräder. Zu Beginn der 1940er Jahre verlagerte man den Firmensitz nach Modena. Nach Kriegsende debütierte 1947 der neu entwickelte Maserati A6, dessen Verkaufsbezeichnung in manchen Ländern auch 1500 GT lautete. Unter der Motorhaube steckte ein Triebwerk, das die Maserati-Brüder bereits seit 1936 entwickelten. Durch geringe finanzielle Mittel und die Konzentration auf den Rennsport sowie schließlich durch den Kriegsbeginn hatten sie die Arbeiten immer wieder ruhen lassen, wodurch der Reihensechszylindermotor erst 1945 einsatzbereit war. Daneben entstand gemeinsam mit Alberto Massimino und Vittorio Bellentini ein verschweißtes Rohrrahmenchassis. Für die zwei ersten Fahrzeuge entstanden eine Barchetta-Karosserie bei Zagato und eine Coupé-Karosserie von Pinin Farina.

Design von Pinin Farina kam gut an

Das von Pinin Farina gestaltete, glattflächige Pontondesign wurde zum Star des Genfer Autosalon 1947. Maserati nahm dies zum Anlass, fast alle Exemplare der Serienproduktion mit Karosserien von Pinin Farina ausstatten zu lassen. Dabei nahm der Karosseriebaubetrieb allerdings immer wieder kleinere und größere Modifikationen vor. So saßen die Scheinwerfer anfänglich hinter Metallabdeckungen, später lagen sie frei neben dem Kühlergrill. Hinten gab es bis April 1948 ein Stufenheck mit integrierter Kofferraumklappe. Dieses entfiel zugunsten eines strömungsgünstigeren Fließhecks, das auf dem Turiner Autosalon 1948 debütierte. Daneben bot Pinin Farina auch eine Cabriolet-Karosserie an. Zagato lieferte ebenfalls wenige Aufbauten zu. Das 1,5 Liter große Reihensechszylinder-Triebwerk kam anfänglich auf 48 kW/65 PS. Ab Werk gab es eine selten (vermutlich rund zehn Mal) bestellte Leistungssteigerung mittels drei statt einem Vergaser, höherer Kompression sowie schärferen Nockenwellen. Diese leistete 66 kW/90 PS. Je nach Aufbau erreichte der A6 lediglich 146 bis 153 km/h.

Beinahe-Teilnahme in Le Mans 1950

1951 zeigte Maserati eine weiterentwickelte Variante dieses ersten straßentauglichen Modells als A6G (2000 GT). Bis dahin waren lediglich 59 Serienfahrzeuge und zwei Prototypen des A6 entstanden. Ein Exemplar von 1949 mit dem seltenen Dreifachvergasermotor steht aktuell bei Hyman Ltd. zum Verkauf bereit. Maserati schickte das Fahrgestell am 11. Dezember 1948 zu Pinin Farina und erhielt es im Juli 1949 für finale Testfahrten vor der Auslieferung zurück. Am 15. September 1949 übernahm Isabella Quarantotti das Auto in Paris. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Alexander Ronald „Alec“ Smith plante sie ursprünglich, den Maserati 1950 in Le Mans einzusetzen. Allerdings trennten sich die beiden, bevor das Langstreckenrennen stattfand. Damit wurde der A6 1500/3C mit Fahrgestellnummer 086 nicht zum ersten Maserati in Le Mans. Das Auto verblieb nach der Trennung für ein weiteres Jahr im Besitz von Signora Quarantotti.

Export in die USA im Jahr 1957

Ende Dezember 1950 übernahm Donatello Mennini den wenig gefahrenen Sportwagen. Er hatte sein Geld als Textilunternehmer, Profifußballer und Skifahrer gemacht. 1952 folgte ihm Celestina Basini, im Juli 1953 schließlich der in Livorno stationierte US-Soldat Larry James Pichichero als Besitzer des Maserati. Gemeinsam mit seinem Freund Thomas Martin nahm er an diversen kleinen Rennveranstaltungen in Italien teil. Ende 1957 entdeckte Ernest Nanson aus Kalifornien bei einer Italienreise den A6 1500 zufällig bei einem Gebrauchtwagenhändler. Er erwarb den Sportwagen, nahm ihn mit nach Hause und behielt ihn für 22 Jahre. William McKinley kaufte ihm das Auto ab und ließ bei Performance Painting eine Restaurierung inklusive Neulackierung in Rubinrot anstelle des originalen Hellgrau durchführen. In den folgenden Jahren stand das Auto in diversen Sammlergaragen, beispielsweise der Blackhawk Collection, und nahm an hochklassigen Veranstaltungen teil.

Bei Hyman Ltd. im Angebot

Nach einer Teilnahme an der Mille Miglia Retro 2006 erhielt der Maserati A6 eine Komplettrestaurierung. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades und der gebotenen Qualität verwundert der Gesamtpreis unter der finalen Rechnung nur ein wenig: 350.000 US$. Dabei behielt man jedoch das Rubinrot der vorherigen Restaurierung bei. Zudem montierte man abweichend vom Auslieferungszustand Borrani-Speichenfelgen. Die originalen Felgen gehören jedoch bis heute zum Fahrzeug und werden von Hyman Ltd. an den nächsten Besitzer des Autos übergeben. Dieser muss sich zuvor allerdings von 625.000 US$ trennen. Ein ordentlicher Preis für ein schönes Exemplar des einzigen Straßensportwagens, den die Gebrüder Maserati jemals entwickelten. Sie verließen ihre Firma Ende 1947 im Streit mit Adolfo Orsi.

Bilder: Hyman Ltd.