Lotus Elise GT1
Mitte der 1990er Jahre setzte im GT-Reglement der Langstreckenrennen ein wahrer Boom ein. Durch die neu geschaffenen GT1- und GT2-Kategorien der BPR Global GT Series ergaben sich für die Autohersteller neue Möglichkeiten, relativ seriennahe Sportwagen, aber auch absolut radikale Konzepte einzusetzen. In den Regularien der GT1 war anfänglich nur festgelegt, dass es eine straßentaugliche Variante des jeweiligen Rennautos geben müsse. Einige Teilnehmer wie Mercedes-Benz und Porsche legten dies großzügig aus und fertigten mehr als 20 Exemplare für wohlhabende Kunden in aller Welt. Andere Marken wie Toyota, Nissan oder Lotus blieben bei lediglich einer Straßenversion ihrer GT1-Fahrzeuge.
Damit wären wir auch bereits beim heutigen Thema, dem Lotus Elise GT1. Einer so kleinen Sportwagenmarke wie Lotus hatte im Vorfeld niemand so richtig die Entwicklung eines reinrassigen GT1-Renners zugetraut. Zuvor hatten die Briten den bereits technisch in die Jahre gekommenen Esprit als GT3- und GT2-Rennwagen eingesetzt und diesen für 1996 zum GT1 weiterentwickelt. Davon entstanden lediglich drei Fahrzeuge, die mit dem Straßen-Esprit nur die Silhouette teilten. Technisch waren sie auf einem guten, jedoch nicht ausgereiften Stand, was zu zahlreichen Ausfällen führte. Heute existiert nur noch eines dieser Chassis, allerdings umgebaut auf das GT2-Reglement. Für das Folgejahr begannen frühzeitig Arbeiten an einem komplett neuen GT1-Rennfahrzeug, die gemeinsam mit den Experten von G-Tech vorgenommen wurden. Als optische Basis wählte man die neue Elise.
Für das Jahr 1997 erfolgte die Umbenennung der Rennserie in FIA GT Championship. Angelehnt am Konzept, das Porsche mit dem 911 GT1 bereits bei den finalen Rennen der Saison 1996 vorgestellt hatte, entwickelte Lotus einen radikalen Mittelmotorrennwagen, der sich mit der Basis-Elise lediglich das verklebte Aluminiumchassis rund um das Cockpit teilt, allerdings mit diversen Modifikationen und Verstärkungen. Vorn und hinten schließen sich Hilfsrahmen aus Kohlefaser an, die sowohl als Träger für Motor, Getriebe und Kühler, aber auch als Crash-Strukturen dienen. Darüber sitzt, eng geschnitten, eine ebenfalls aus Kohlefaserverbundstoffen hergestellte Karosserie, die im Bereich der Leuchten ein wenig an die erste Generation der Elise erinnert. Allerdings ist der GT1 rund 70 Zentimeter länger als sein straßenzugelassener Cousin.








































Hinter dem rechts angeordneten Fahrer blieb Platz für ein Triebwerk. Lotus plante anfänglich mit dem 3,5 Liter großen V8-Biturbomotor aus dem Esprit GT1, stellte jedoch bei Testfahrten schnell fest, dass die Standfestigkeit nicht die Erwartungen erreichte. Daher wurde den Einsatzteams ‚GT1 Lotus Racing‘ (geleitet durch Fabian Giroix und sein First Racing Team), ‚GBF UK‘ und ‚Martin Veyhle Racing‘ freigestellt, ob sie dieses Aggregat oder einen auf sechs Liter Hubraum vergrößerten V8-Saugmotor aus der Chevrolet Corvette ZR-1 einsetzen wollten. Dieser V8 namens LT5 enstand unter Federführung von Lotus als der Sportwagenhersteller zu General Motors gehörte. Letztlich setzte nur das werksunterstützte Team den rund 615 PS starken GM-V8 ein, während in den restlichen Fahrzeugen der Lotus-V8 mit etwa 550 PS steckte. Insgesamt baute G-Tech acht Elise GT1 auf, von denen einer zur Straßenversion aufgebaut wurde. Nach nur einer Saison entschieden Lotus und die Muttermarke Proton, den Einsatz der Elise GT1 zu beenden, da das Konzept gegen CLK GTR und Co. nicht konkurrenzfähig war.
Zwei Fahrzeuge und ein großes Konvolut von Ersatzteilen wurden vom niederländischen Rennfahrer Mike Hezemans gekauft, der den Wagen im Werksteam bewegt hatte und vom Grundkonzept durchaus überzeugt war. Gemeinsam mit seinem Vater Toine Hezemans und drei Mechanikern machten sie sich daran die Fehler des Wagens auszumerzen. Durch eine verlängerte Frontpartie und damit verbesserte Aerodynamik hofften sie auf mehr Tempo, das auch durch den Einbau des V10-Triebwerks aus der Dodge Viper GTS-R erhöht werden sollte. Um an der 1998er Saison der FIA GT teilnehmen zu können, brauchte man einen Markennamen und fand diesen durch die enge Freundschaft zwischen Toine Hezemans und Erich Bitter, der seit den späten 1960er Jahren in Kleinserie Sportwagen baut. Er erlaubte die Nutzung seines Namens, wodurch der Wagen zum Bitter GT1 wurde. Das zweite Rennfahrzeug kaufte ein deutsches Konsortium, das auch für die Vervollständigung verantwortlich zeichnete. Allerdings war das durch den Zehnzylinder bereitgestellte Drehmoment derartig hoch, dass beide in Silverstone eingesetzten Fahrzeuge mit Getriebeschäden ausrollten und in Hockenheim nicht einmal die erste Trainingssitzung überstanden. Danach wurde das Projekt beendet und damit auch das Rennkapitel der Elise GT1 geschlossen – bis es 2003 ein kurzzeitiges Interesse des britischen ‚Team Elite‘ gab, einen Elise GT1 zu einem geschlossenen Le-Mans-Prototypen umzubauen. Nach ersten Tests auf der Rennstrecke in Sebring, bei denen der Wagen nach nur sieben Runden mit Getriebeschaden ausfiel, wurde das Vorhaben beendet.
Toine Hezemans kaufte im Jahr 2000 einen weiteren Elise GT1 aus den Beständen eines Privatteams und nutzte diesen mit minimalen Veränderungen in der 2001er Super Car Rally von Paris nach Monaco. Anschließend erfolgten diverse technische Auffrischungen, bevor der Rennwagen in eine US-amerikanische Privatsammlung wechselte. Hier wurde das Fahrzeug zwar nicht bewegt, der Motor jedoch regelmäßig gestartet und warmlaufen gelassen. Später kam der Lotus zurück nach Europa und konnte zeitweise bei Trackdays gesichtet werden. Nun bietet der britische Händler Dylan Miles ihn gemeinsam mit diversen Ersatzteilen und zwei weiteren Radsätzen zum Kauf an. Inzwischen gibt es mit der ‚Masters Endurance Legends‘ und der ‚Global Endurance Legends‘ gleich zwei klassische Rennserien, in denen derartige GT1-Fahrzeuge eingesetzt werden können.
Bilder: Dylan Miles