Lloyd LT 600

„Wer den Tod nicht scheut fährt Lloyd“, wusste der deutsche Volksmund lange zu berichten. Heute kennt kaum noch jemand diese Marke und ihre Herkunft. Der Firmenname geht auf die Reederei Norddeutscher Lloyd aus Bremen zurück, ab etwa 1901 zusätzlich zum Schiffsbau auch Elektromotoren für Eisenbahnen produzierte. Die dafür zuständige Abteilung wurde 1906 ausgegliedert, als man auch den Bau von Automobilen mit Elektroantrieben ins Portfolio aufnahm, und erhielt den Namen NAMAG (Norddeutsche Automobil- und Motoren AG), wobei einige Fahrzeuge auch den Namen Lloyd am Kühlergrill zeigten. Acht Jahre später fusionierte die NAMAG mit der Hansa-Automobil GmbH aus dem nahegelegenen Örtchen Varel zur Hansa-Lloyd AG in Bremen. Neben einem viel zu teuren Luxusauto hatte die Firma anfänglich nur Lastwagen und Traktoren im Portfolio. Mit diesem Angebot konnte die Firma nicht lange überstehen, weshalb Mitte des Jahres 1929 die Aktienmehrheit an Wilhelm Tecklenborg und Carl Borgward ging, die mit ihrer Nutzfahrzeugfirma Goliath und hauptsächlich dreirädrigen Gefährten viel Geld verdient hatten. Durch die Weltwirtschaftskrise, die sich durch den Börsencrash in New York im Oktober 1929 ausbreitete, verzögerte sich der Zusammenschluss der Firmen bis 1931, als schließlich die Hansa-Lloyd und Goliath-Werke Borgward & Tecklenborg oHG begründet wurde.

Der Markenname Lloyd verschwand bis 1950 vom Markt. 1949 erfolgte die Neugründung der Lloyd Maschinenfabrik G.m.b.H. in Bremen durch Carl Borgward, seine Frau Elisabeth und den Ingenieur Wilhelm Lathwesen. Anfänglich entstanden nachgebaute Webstühle und elektrische Nutzfahrzeuge für die britische Besatzungsmacht. Ein Jahr später rollte jedoch bereits der neue Kleinwagen Lloyd LP 300 aus den Hallen hervor, der aufgrund der herrschenden Materialknappheit mit einer Kunstleder-bespannten Sperrholzkarosserie aufgebaut wurde. Dies führte zum Spitznamen ‚Leukoplastbomber‘ und dem eingangs angestimmten Sprichwort. Nach der Firmenumbenennung in Lloyd Motoren Werke G.m.b.H. erfolgte 1951 der Umzug in ein neues, größeres Werk innerhalb Bremens, das bis 1960 stetig weiter vergrößert wurde. Als Nachfolgemodell des LP 300 erschien 1953 der Lloyd 400 mit gefälligerer Optik, die bis Oktober 1954 noch in der alten Bauweise, dann aber aus Stahl angefertigt wurde. Parallel zu den Kleinwagen entstand ab 1952 das Nutzfahrzeug LT, zuerst als 500, später auch als 600. Neben dem verblechten Kastenwagen gab es einen sechssitzigen Bus sowie eine Hoch- und eine Tiefpritschen-Variante. Im November 1956 folgten optional Fahrzeuge mit einem von 2.350 auf 2.850 Millimeter verlängertem Radstand.

Allerdings verfügten sowohl die Kastenwagen als auch die Kleinbusse nur über die vorderen seitlichen Türen mit Schiebe- anstelle von Kurbelfenstern. Weitere Türen, ob zum klappen oder schieben, suchte man vergeblich. Der Einstieg in die dritte Sitzreihe gestaltete sich also äußerst unkomfortabel und die Beladung des Wagens konnte ausschließlich über die zur Seite öffnende Hecktür erfolgen. Allerdings ließen sich die hinteren Sitzbänke relativ leicht ausbauen, um einen größeren Gepäckraum im Kleinbus zu erreichen. Im Gegensatz zum Volkswagen Typ 2, dem legendären Bulli, befand sich das Triebwerk unter einer kleinen Haube vorn. Im LT 500 war es ein luftgekühlter Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 386 Kubikzentimetern Hubraum mit 9,6 kW/13 PS, während der LT 600 ab September 1955 eine Motorleistung von 14 kW/19 PS aus 596 Kubikzentimetern bot, die jeweils über ein unsynchronisiertes Dreigang-Getriebe auf die Vorderräder übertragen wurden. Beim LT 500 gab man eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h an, der LT 600 erreichte bis zu 80 km/h.

Auch für die Produktion des Kleintransporters standen anfänglich noch nicht genügend Stahllieferungen bereit, weshalb die Stahlbodengruppe ein Holzfachwerk erhielt und dieses abgesehen von der Fahrzeugfront mit Sperrholz verkleidet wurde. Erst ab 1954 entstanden auch die Flanken aus Stahlblechen, ab 1957 schließlich die komplette Karosserie. Ab Mitte 1956 konnte ein großes Faltschiebedach bestellt werden. Bis zum Konkurs der Mutterfirma Borgward entstanden 9.900 LT 500 und 14.768 LT 600. Obwohl Zweitaktfahrzeuge in den USA eigentlich eher unbeliebt waren, konnte Lloyd doch eine ordentliche Anzahl des LT 600 dorthin exportieren. Einige dieser Fahrzeuge setzte unter anderem die Fluggesellschaft Pan American World Airways (kurz Pan Am) ein, um die Besatzung vom Flugzeug ins Hotel und wieder zurück zu fahren. Ein solcher Lloyd LT 600 in perfekt restauriertem Zustand kommt im Oktober bei RM Sotheby’s als Teil der ‚The Elkhart Collection‘ ohne Mindestpreis (without reserve) unter den Hammer. Der neue Besitzer erhält zum Fahrzeug eine kleine Sammlung von zeittypischen Pan-Am-Artikeln sowie originale Lloyd Verkaufsbroschüren dazu.

Bilder: RM Sotheby’s