Lancia HF Competizione by Ghia

Italienische Autogeschichten sind häufig unglaublich. Entweder gibt es viel zu lachen oder die Tragik bricht aus jeder Zeile durch. Ähnlich verhält es sich auch beim Lancia HF Competizione, der 1969 auf dem Ghia Stand während des Genfer Autosalons debütierte – und damit zu spät kam. Warum zu spät? Weil diese Konzeptstudie einen ganz bestimmten Zweck verfolgen sollte. Doch dazu müssen wir etwas tiefer in die Geschichte einsteigen.

Mitte der 1960er Jahre versuchte der Ford-Konzern die finanziell angeschlagene, italienische Sportwagenmarke Ferrari zu kaufen, um endlich auch auf den großen Rennpisten wie beispielsweise in Le Mans mitzuspielen. Dieser Deal misslang in letzter Sekunde durch den sprichwörtlichen Dickkopf von Enzo Ferrari und den anschließenden Einstieg von Fiat-Chef Giovanni Agnelli. Natürlich machte diese Story schnell die Runde und erreichte auch andere Autobosse. Einer von ihnen war Alejandro de Tomaso, der seit 1963 unter eigenem Namen Straßensportwagen anbot und zudem das traditionsreiche Designhaus Ghia 1967 erworben hatte.

Zufällig wusste Alejandro de Tomaso von der finanziellen Schieflage, in der sich das Traditionsunternehmen Lancia inzwischen befand. Durch seine persönliche Freundschaft zu Lee Iacocca von Ford erhoffte er sich einen Chefposten bei Lancia, sofern Ford diese Marke kaufen würde. Es brauchte jedoch einen Anreiz. Wie sollte man jedoch eine angeschlagene Automarke schmackhaft machen? Ghias Chefdesigner Tom Tjaarda, der für De Tomaso fast alle Sportwagen gestaltete, hatte da bereits eine Idee. Auf der Basis einer Lancia Fulvia 1.6 HF entstand ein rassiger Sportwagen, der nicht nur den Ford-Entscheidern ein Staunen entlocken sollte. Beim genauen Betrachten des gelb lackierten Coupés fallen diverse Details auf, die klar auf Tom Tjaarda als Designer hindeuten.

Von BMW und Mercedes zu Fiat

Zum Zeitpunkt der Weltpremiere des Lancia HF Competizione waren bereits BMW und Mercedes-Benz am Erwerb der Marke Lancia interessiert. Da neben der Italcementi-Gruppe (übernahm Lancia 1956) unter Leitung von Carlo Pesenti auch der Vatikan 35-prozentiger Anteilseigner war, gestalteten sich die Übernahmeverhandlungen jedoch eher zäh. Mercedes-Benz stieg gar nicht erst in tiefere Gespräche ein und bei BMW scheiterte es schließlich an völlig unterschiedlichen Preisvorstellungen. Gleichzeitig wuchs der Schuldenberg von Lancia, was schließlich 1969 zum Verkauf an die Fiat-Gruppe führte.

Den HF Competizione zeigte Ghia indes noch ein weiteres Mal auf dem Turiner Salon 1969. Letztlich war dieses Konzeptauto tatsächlich eine Verkaufsempfehlung, aber anders als sich Alejandro de Tomaso das gedacht hatte. Anstelle eines Chefpostens bei Lancia zu erhalten verkaufte er das Designhaus Ghia an den Ford Konzern. Derweil geriet der HF Competizione bald in Vergessenheit. Seine aufregenden Formen mit Klappscheinwerfern und ausfahrbarem Heckspoiler hätte durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Schnellverschlüsse an der Motorhaube, ein Schnelltankverschluss, Plexiglasscheiben und ein integrierter Überrollkäfig machten deutlich, dass Alejandro de Tomaso durchaus auch Renneinsätze für dieses Fahrzeug im Sinn hatte. Hierfür verlagerte Ghia auch das Triebwerk um 30 Millimeter tiefer im Fahrgestell von Lancia und tauschte die originale hintere Starrachse gegen eine Einzelradaufhängung.

Umfangreich restauriert

Gerüchteweise gab es sogar Tests auf einer Rennstrecke, um einen möglichen Le-Mans-Einsatz für 1970 vorzubereiten. Dieses Projekt stellte Alejandro de Tomaso jedoch spätestens mit dem Verkauf von Ghia ein. Für den Lancia HF Competizione ging es für die folgenden rund 20 Jahre in die Garage eines Neffen von Alfredo Vignale, den Autofans ebenfalls kennen dürften. Anschließend kaufte der heutige Besitzer die Studie und ließ sie 2014 umfangreich restaurieren. Danach stand es unter anderem auf dem Amelia Island Concours d’Elegance und wurde für diverse Oldtimermagazine abgelichtet. RM Sotheby’s bietet dieses Einzelstück aktuell in einer Online-Auktion an, die noch bis zum 31. Oktober läuft. Als Estimate nannte das Auktionshaus £ 140.000 bis £ 180.000.

Bilder: RM Sotheby’s, Ian Wells