Glas V8
Die Automobilfabrik Hans Glas GmbH aus Dingolfing ist heute nur noch wenigen Fans ein Begriff. Ursprünglich begann dieses Familienunternehmen 1883 mit der Produktion von Landmaschinen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte man schnell, dass die deutsche Bevölkerung neue Fortbewegungsmittel brauchen würde. Vergleichbar zum Vespa-Boom in Italien sah Glas eine hohe Nachfrage nach Motorrollern voraus und entwickelte unter Juniorchef Andreas Glas ein entsprechendes Fahrzeug mit einem ILO-Motor, der ab 1951 verkauft wurde. Ein Enkel des Firmenchefs Hans Glas hatte den Spitznamen ‚Gogg‘ und sorgte damit für die Benennung des neuen Motorrollers, der schnell Marktführer in Deutschland wurde: ‚Goggo-Roller‘. Es folgten größere Motorvarianten sowie Aufbauten als Lastenroller und mit Seitenwagen. Das Geschäft mit Landmaschinen lief parallel unter dem Namen Isaria weiter.
Bereits ein Jahr nach der Präsentation des Goggo-Rollers liefen Vorarbeiten am ersten Glas Automobil an. Dieses erschien 1955 unter dem Label der neu gegründeten Tochtermarke Goggomobil. Der Kleinstwagen mit maximal 20 PS war später auch als Coupé und als Kleintransporter erhältlich. In der Bundesrepublik Deutschland wie auch in vielen weiteren europäischen Ländern setzte indes relativ schnell wieder Wohlstand ein, was den Wunsch nach größeren Autos hervorbrachte. Glas reagierte 1958 mit einem größeren Goggomobil namens Isar und schließlich 1962 mit dem ersten Vierzylindermodell 1004. Dieses Modell erschien später auch als 1204 und 1304 mit entsprechend größeren und leistungsstärkeren Motorisierungen. 1963 debütierten auf der IAA die neue Mittelklasselimousine 1700 das sportliche Coupé 1300 GT und 1700 GT, jeweils mit Karosseriegestaltungen von Pietro Frua aus Italien. Als Krönung des Modellportfolios folgte zwei Jahre später an gleicher Stelle der Glas V8, anfänglich mit 2,6 Liter großem Triebwerk. Diesen V8-Motor hatte man aus zwei zusammengesetzten 1,3-Liter-Motoren aus dem 1300 GT entwickelt. Aufgrund seiner optischen Ähnlichkeit zum ebenfalls von Frua gestalteten Maserati Quattroporte erhielt der Wagen im Volksmund den Spitznamen ‚Glaserati‘.
Die ungewöhnlich gestalteten Fahrzeuge führten zu sehr hohen Produktionskosten. Dazu kamen die Gebühren für die vielen Neuentwicklungen. Diese Kostenstruktur ließ sich durch die Verkaufszahlen nicht gegenfinanzieren, wodurch die Hans Glas GmbH tief in die roten Zahlen rutschte. Am 10. November 1966 erfolgte schließlich die Übernahme durch BMW. Der Münchener Autobauer ließ die Glas-Modellpalette in aufgewerteter Form noch eine Weile vom Band laufen, ehe man die Produktion endgültig stoppte. Aus dem Glas 1300 GT und 1700 GT wurde der BMW 1600 GT inklusive angedeutetem Nierengrill. Der große Glas V8 mutierte optisch fast unverändert zum BMW-Glas 3000 V8 und den 1704 exportierte man inklusive aller Fertigungsanlagen ins BMW Werk in Südafrika, wo er mit leichtem Facelift und Rechtslenkung als BMW 1804 und 2004 vom Band lief.
Aber zurück zum Glas V8. Ursprünglich hatte man angedacht, das neue Spitzenmodell mit einem eigens entwickelten Sechszylinder-Triebwerk zu präsentieren. Allerdings erkannte man schnell, dass dafür hohe Entwicklungskosten auflaufen würden und es günstiger wäre, Gleichteile vom 1,3 Liter großen Vierzylinder zu verwenden. Anfänglich standen 110 kW/150 PS bereit, um den viersitzigen Wagen auf bis zu 195 km/h Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen. Angestrebt waren jedoch mindestens 200 Stundenkilometer, weshalb ab Anfang 1966 Prototypen mit mehr Hubraum in den Fahrversuch gingen. Durch die BMW-Übernahme entfiel letztlich die geplante Topversion mit 3,2 Litern, dafür ersetzte im September 1967 der 160 PS starke BMW Glas 3000 V8 den bisherigen Glas 2600 V8. Offiziell bot man den kleineren Motor parallel weiter an, was jedoch nur von wenigen Kunden angenommen wurde. Die von Frua gestaltete Coupé-Karosserie übernahm diverse Anbauteile bereits existierender Fahrzeuge, ohne dies überdeutlich zu zeigen. So stammten die Scheibenwischer, die Fensterkurbeln und die Scheinwerfer von Mercedes-Benz. Kein Wunder, dass BMW die Produktion alsbald einstellen wollte. Vom Glas 2600 V8 entstanden 300 Exemplare, der BMW Glas 3000 V8 kam immerhin auf 418 Stück. Coys of Kensington versteigert kommende Woche im Rahmen der InterClassics in Maastricht ein gut erhaltenes Fahrzeug, das in den vergangenen 30 Jahren trocken eingelagert stand. Man erwartet einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen 50.000 und 60.000 Euro.
Bilder: Coys of Kensington