Ford Escort 1100 GL

Nanu, ein verbeulter Ford in unserem Klassikermagazin? Und dann nicht einmal ein Luxusmodell, sondern ein ganz gewöhnlicher Escort 1100 GL. Manchmal ist es eben nicht einfach nur ein Automodell, das Geschichte schreibt, sondern die gesamte Summe seiner Existenz nebst individueller Historie. So auch in diesem Fall. Zwar stand der Wagen die letzten 13 Jahre in einer Privatsammlung, davor für neun Jahre in einem Restaurant und davor volle 18 Jahre in einer verschlossenen Tiefgarage, aber der Erstbesitzer ist eine weltweite Berühmtheit.

Ford brachte den allerersten Escort vor 50 Jahren auf den Markt. Für die zweite Modellgeneration, die unter dem Codenamen ‚Brenda‘ entwickelt und ab November 1974 zu den Händlern geschickt wurde, übernahm man in großen Teilen die Technik nebst der Grundplattform vom Vorgängermodell. Somit blieb es beim Hinterradantrieb und Blattfedern hinten, allerdings in Kombination mit einem neuen manuellen Viergang-Getriebe oder einer optionalen Dreigang-Automatik aus dem französischen Ford-Werk in Bordeaux. Neben der drei- oder fünftürigen Limousine gab es auch einen Kombi namens Turnier. Der 1,1-Liter-Motor stellte mit 32 kW/44 PS in Kombination mit dem manuellen Viergang-Getriebe den Basisantrieb in Kontinentaleuropa dar. Darüber rangierten diverse weitere Motorisierungen bis hin zu den Cosworth-Triebwerken in der RS-Version, die besonders im Renn- und Rallyesport sehr begehrt war und ist. Die hier von uns gezeigte GL-Ausstattung war die drittniedrigste Ausführung, darunter kamen nur noch der Escort und der Escort L. Allein im deutschen Werk Saarlouis entstanden mehr als 495.000 Exemplare des Escort II, der allerdings auch in Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Israel, Australien, Neuseeland, Taiwan und Südafrika gefertigt wurde. So überstieg die Gesamtzahl aller gebauten Escort II schließlich die Marke von 1.607.000 Stück.

Würde es hier um einen dreitürigen Escort RS gehen, würden viele Leser vermutlich schnell diverse Renn- und Rallyefahrer als mögliche Vorbesitzer nennen. Angefangen bei Stig Blomqvist, Björn Waldegård, Timo Mäkinen, Roger Clark, Ari Vatanen oder Hannu Mikkola reicht die Liste hier unter Umständen bis hin zu Klaus Ludwig und Hans Heyer, die den Escort in Deutschland vor allem im Rundstreckensport einsetzten. Doch das Auto in unserer Bildergalerie ist eindeutig ein reichlich ramponierter Fünftürer in klassischer GL-Ausstattung mit mechanischer Uhr, nur einem Außenspiegel und ohne Radio. Welcher Prominente kauft denn ein solches Kassengestell?

Wir finden, dass wir Sie nun lange genug auf die Folter gespannt haben und kommen daher langsam zur Auflösung. Dieser Ford Escort 1100 GL wurde 1976 im polnischen Krakau erstausgeliefert und von einem gewissen Karol Józef Wojtyła zugelassen. Da klingelt was? Richtig, Wojtyła war zu diesem Zeitpunkt bereits seit neun Jahren Kardinalspriester, nachdem er zuvor erst Weihbischof und schließlich Erzbischof von Krakau gewesen war. Zwei Jahre nach dem Kauf seines Autos wurde er zum neuen Papst Johannes Paul II gewählt, woraufhin der Escort in den Katakomben des Vatikan abgestellt wurde – wusste da eventuell jemand vom Projektnamen, unter dem der zweite Escort einst entwickelt wurde? Erst 1996 holte man ihn wieder hervor. Aus dieser langen Zeit resultieren vermutlich die bis heute sichtbaren Spuren am Blechkleid, die wohl von unachtsamen Umräum- und Umparkaktionen stammen dürften. Nachdem der Wagen zugunsten einer vatikanischen Wohltätigkeitsorganisation versteigert worden war, wechselte er auf die andere Seite des Atlantiks und wurde vom neuen Besitzer Jim Rich in einem Restaurant bei Chicago ausgestellt. 2005 ließ er den Escort erneut versteigern, wobei ein Erlös von 690.000 US-Dollar eingespielt wurde. Anschließend stand das Fahrzeug für 13 Jahre als Prunkstück in der Privatsammlung des späten John M. O’Quinn. Nun versteigert RM Sotheby’s diesen besonderen Ford Escort im Rahmen der ‚Auburn Fall‘-Auktion und erwartet lediglich 150.000 bis 300.000 US-Dollar als Höchstgebot. Man darf gespannt sein, wo das Auto seiner Heiligkeit als nächstes landet.

Bilder: RM Sotheby’s, Darin Schnabel