Ferrari Testarossa

Als Ferrari 1984 ein Nachfolgemodell für den 512 BBi präsentieren wollte, erinnerte man sich an einen Modellnamen, der bereits Ende der 1950er Jahre für Furore gesorgt hatte. Angelehnt am mit rotem Schrumpflack lackierten Zylinderkopf hatte man damals eine Rennversion des 250 als ‚Testa Rossa‘ (roter Kopf) bezeichnet. Beim neuen Straßensportwagen fügte man Mitte der 1980er Jahre die beiden Worte zu einem zusammen und erhielt den Testarossa. Passenderweise erhielten die Zylinderköpfe erneut eine rote Lackierung. Ansonsten verbindet die beiden Autos jedoch nicht viel mehr als die Anzahl der Räder, der Hinterradantrieb und die Logos. 2017 verlor Ferrari übrigens die Namensrechte am Wort „Testarossa“ an einen Spielwarenfabrikanten, da man laut Auffassung dieses zu lange nicht mehr genutzt hatte. Einen neuen Ferrari Testarossa wird es somit nicht mehr geben.

Kein Boxer, sondern ein 180-Grad-V-Motor

Während der 250 Testa Rossa einen klassischen V12-Motor mit drei Litern Hubraum unter der vorderen Haube trug, machte der neue Testarossa alles anders. Wie bereits beim zuvor gebauten 365 GT/4 Berlinetta Boxer, der im Laufe der Jahre erst zum 512 BB und dann zum 512 BBi evolutioniert wurde, zeigte der Mittelmotor-V12 hier einen Zylinderbankwinkel von 180 Grad auf. Gegenüber einem Boxermotor, wie man ihn vom Volkswagen Käfer oder dem Porsche 911 kennt, teilen sich beim 180-Grad-V-Motor die beiden gegenüberliegenden Pleuel den gleichen Hubzapfen. Die niedrige Bauweise hält den Schwerpunkt tief im Auto. Gleichzeitig fällt die Baubreite jedoch deutlich höher aus, als bei einem klassischen V-Triebwerk. Aus 4,9 Litern Hubraum holte Ferrari dank zwei obenliegenden Nockenwellen pro Seite und einer Bosch K-Jetronic 287 kW/390 PS sowie 490 Newtonmeter Drehmoment. Genug für eine Höchstgeschwindigkeit von über 290 km/h.

Länger, breiter und höher als der 512 BB

Wenn man sich den Stahlrohrrahmen unterhalb der Karosserie ansieht, sieht man nur wenige Veränderungen im Vergleich zum 512 BBi. Der Motor und das manuelle Fünfgang-Getriebe hängen in einem Hilfsrahmen, der für Servicearbeiten komplett vom restlichen Fahrzeug abmontiert werden kann. Alle vier Räder hängen an doppelten Querlenkern mit je zwei Feder-Dämpfer-Einheiten. Vorn kamen Reifen der Dimension 225/50 VR 16 zum Einsatz, hinten waren es Pneus in 255/50 VR 16. In den ersten Modelljahren nutzte Ferrari Fünfspeichenfelgen mit Zentralverschlüssen, intern als ‚Monodado‘ bekannt. Die Abmessungen des Mittelmotorsportwagens betrugen 4.486 Millimeter Länge, 1.976 Millimeter Breite und 1.130 Millimeter Höhe mit 2.550 Millimetern Radstand bei einem Leergewicht von 1.506 Kilogramm. Damit übertraf er den 512 BB in jeder Richtung, bot mehr Platz im Innenraum und einen größeren Kofferraum.

Auffälliges Design wurde zum Tuningvorbild

Obwohl der Rahmen fast unverändert vom Vorgängermodell übernommen worden war, erinnerte optisch nichts daran. Pininfarina war mit der Gestaltung einer neuen Karosserie passend zum Zeitgeist der 1980er Jahre beauftragt. Unter dem damaligen Chefdesigner Leonardo Fioravanti sorgte das Team der Designer Guido Campoli, Ian Cameron, Diego Ottina und Emanuele Nicosia für ein außergewöhnliches Meisterwerk auf Rädern. Während Nicosia den Grundentwurf lieferte, arbeitete man anschließend gemeinsam an Feinheiten sowie einer ausgewogenen Aerodynamik. Ferrari hatte die Wasserkühler nach hinten neben den Motor verlegt, um die Kühlprobleme des BB in den Griff zu bekommen. Dadurch brauchte der Testarossa große seitliche Lufteinlässe hinter den Türen, die jedoch aus zulassungsrechtlicher Sicht auf vielen Märkten nicht einfach offenstehen durften. So entstanden die heute legendären Seitenschlitze, die von vielen Tuningfirmen kopiert wurden. Allerdings führten sie auch zu Unverständnis unter der Kundschaft, die sie als „Käsereibe“ oder „Eierschneider“ verurteilte.

Fast 10.000 Exemplare in 12 Produktionsjahren

Ein besonderes Detail der frühen Baujahre ging auf ein Missverständnis zurück. Ferrari hatte die Zulassungsrichtlinien so gelesen, dass zwar ein einzelner Außenspiegel ausreichen würde, dieser aber in einer bestimmten Höhe angebracht sein müsste. So montierte man den „Monospecchio“ mittig an der A-Säule. Zum Modelljahr 1987 korrigierte man diesen Irrtum und ergänzte den Spiegel zudem mit einem weiteren auf der Beifahrerseite, beide nun am typischen Spiegeldreieck befestigt. 1992 erfolgte eine umfangreiche Modellpflege auf den 512 TR, 1994 eine weitere zum 512 M, bei dem die Klappscheinwerfer zugunsten von Klarglasleuchten entfielen. Beide Weiterentwicklungen verbesserten jeweils die Gewichtsverteilung zwischen Front und Heck um je ein Prozent (ursprünglich 40:60, beim 512 TR 41:59 und beim 512 M 42:58). Insgesamt entstanden 9.939 Exemplare, davon 2.261 vom 512 TR und 501 vom 512 M.

1986er Testarossa bei Girardo & Co.

Girardo & Co. bietet aktuell einen Ferrari Testarossa von 1986 zum Verkauf an. Somit handelt es sich um eines der von Sammlern gesuchten Exemplare mit „Monospecchio“. Im Gegensatz zum Großteil der Produktion erhielt Chassisnummer 64051 ab Werk eine Lackierung in „Argento Metallizzato“ (silber metallic). Innen zeigt sich blaues Leder. Erstbesitzer wurde Arrigo Recordati in Mailand, der ihn auf seine Firma Fimei zuließ. Innerhalb von zehn Jahren fuhr er weniger als 10.000 Kilometer mit dem Sportwagen. In den folgenden fünf Jahren gehörte der Testarossa David Hart in den Niederlanden, der ihn im Dezember 2000 von Bonhams versteigern ließ. Es folgten drei Besitzer in Großbritannien, bevor nun die Verkaufsanzeige von Girardo & Co. veröffentlicht wurde. Die Laufleistung beträgt knapp über 30.500 Kilometer, der Preis liegt bei £ 130.000.

Bilder: Girardo & Co.