Ferrari 625 TF

Heutzutage kennt man Sportwagen von Ferrari vor allem mit Acht- oder Zwölfzylindermotoren. In den letzten Jahren nahmen Markenfans die Zukunft zur Kenntnis und akzeptierten sowohl Turbolader als auch Hybridsysteme problemlos in ihren Neuwagen. Doch ein Blick in die lange Historie ergibt schnell das Ergebnis, dass es auch andere Motorenkonzepte aus Maranello gab. Neben den Sechszylinder-Triebwerken im Dino sind da vor allem in der Frühzeit der Marke tatsächlich auch Vierzylindermotoren zu finden, die häufig reglementsbedingt gefertigt wurden.

Ein solcher Vierender sitzt auch als Antriebsquelle im 625 TF. Wenn Ihnen diese Modellbezeichnung unbekannt vorkommt, müssen Sie sich nicht grämen: Es gab 1953 lediglich drei Exemplare. ‚TF‘ steht übrigens für den angedachten Einsatzzweck, die Targa Florio auf Sizilien. Angetrieben durch einen 2,5 Liter großen Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen debütierte dieser Rennwagen am 29. Juni 1953 in Monza mit einem neuen Werksfahrer hinter dem Steuer: Dem späteren Formel-1-Weltmeister Mike Hawthorn aus Großbritannien. Hinter deutlich kraftvolleren Gegnern belegte er am Ende Rang vier. Später im selben Monat fuhr Werksfahrer Umberto Maglioli den 625 beim VII Coppa d’Oro delle Dolomiti Straßenrennen auf den dritten Gesamtrang.

Ferrari-Experten vermuten, dass genau dieses Rennfahrzeug ursprünglich eine einmalige Roadster-Karosserie der Firma ‚Carrozzeria Autodromo‘ erhielt, die Firmenchef Enzo Ferrari jedoch in keinster Weise zusagte. Er ließ sie daher verschrotten und schickte das Chassis zu seinem damals bevorzugten Karosseriebauer Vignale, wo damals ein gewisser Giovanni Michelotti als Chefstylist arbeitete. Nach dem ersten Rennen mit Hawthorne am Steuer erhielt der Wagen eine ‚Nasenkorrektur‘, die vermutlich bei Scaglietti ausgeführt wurde und einen kleineren Kühllufteinlass bedingte.

Umberto Maglioli stieg am 19. Juli 1953 erneut in den 625 TF, um beim Bergrennen am Susa-Monte Cenisio teilzunehmen. Durch einen Defekt kam er jedoch nicht in die Wertung. Anschließend verkaufte das Werksteam den Wagen an den Argentinier Luis Milán, unterzog ihn vor der Auslieferung allerdings noch einer umfangreichen technischen Überholung nach der das Triebwerk mit 201,76 PS gemessen wurde. Zugleich wechselte vermutlich zu diesem Zeitpunkt die Chassisnummer von ‚0304TF‘ auf ‚0306TF‘ – ein typischer Vorgang in jenen Tagen. Eventuell geschah dies, um beim Verzollen des Wagens in Argentinien weniger Problem zu haben. Beide Nummern sind bis heute im Rahmen eingeschlagen zu finden.

Kurz nach Weihnachten 1953 verließ der 625 TF mit kleineren Karosserieveränderungen wie einem außen liegenden Tankdeckel und einer Neulackierung in Kastanienbraun mit grauen unteren Bereichen Genua in Richtung Buenos Aires. Dort kam er rechtzeitig an, um am 24. Januar 1954 am 1.000-km-Rennen der Sportwagenweltmeisterschaft teilzunehmen. Gemeinsam mit Elpidio Tortone erreichte Luis Milán dabei den respektablen fünften Platz. In den folgenden drei Jahren nutzte Milán den Ferrari erfolgreich bei diversen Rennen, wobei Umlackierungen auf Schwarz mit gelben Akzenten und auf Rot folgten.

1956 verkaute Luis Milán den 625 TF nachdem er sich einen schnelleren 375 Plus zugelegt hatte an Alvaro Piano, der die Renngeschichte in Argentinien und Brasilien weiterführte. Zwei Jahre später verstarb er bei einem Flugzeugabsturz. Der Wagen ging an Nestor Salerno, der ihn bis 1962 weiter einsetzte und dann mit zwei Motoren an César Rivero verkaufte: Einem drei Liter großen Aggregat im Motorraum und dem originalen 2,5 Liter Vierzylinder als Ersatz dabei. Rivero verbaute den kleineren Motor in seinem Rennboot, mit dem er bis 1963 einige Male Siege einfuhr.

Im Mai 1963 ging der Ferrari – ohne Motoren – an den Enthusiasten Ernesto Pablo Dillon, der ihn schließlich mit einem Italiener gegen einen 250 GT eintauschte. Jahre später fand Ferrari-Historiker Franco Lombardi die Überreste des 625 TF auf einem Schrottplatz in Neapel. Unter der Haube steckte ein V12-Triebwerk von Lincoln und der Rahmen war derartig verrostet, dass die Chassisnummer nicht lesbar war. Dafür zeigte sich die Aluminiumkarosserie in vergleichsweise gutem Zustand. Giuseppe Medici kaufte das Wrack und ließ es bei verschiedenen Experten in und um Modena in den aktuellen Zustand restaurieren, allerdings mit einem ‚Tipo 555‘-Triebwerk, das vorher vermutlich den 1960 in Maranello installierten ersten Windkanal von Ferrari angetrieben hatte. Die folgenden Besitzer nutzten den Wagen bei Events wie der Mille Miglia Retro, der Tour Auto oder dem Monte Carlo Grand Prix Historique. Nun wird er von Bonhams im Monaco Sale ‚Les Grandes Marques à Monaco‘ angeboten. Das Estimate liegt zwischen 4.500.000,- und 6.500.000,- €.

Bilder: Bonhams