Ferrari 330 GT 2+2 Shooting Brake by Vignale

Ferrari baut Sportwagen für die Straße und die Rennstrecke sowie Monoposto für die Formel 1, mehr nicht. Diese Aussage stimmt zu 99,9 Prozent, umfasst aber nicht alle je gebauten Fahrzeuge der Marke. Pininfarina gestaltete die Limousine Pinin mit dem V12-Flachmotor aus dem 512 BB und später Limousinen und Kombis des 456 GT für den Sultan von Brunei. Und auch der seit 1974 nicht mehr existente Karosseriebaubetrieb Vignale befasste sich einst mit einer ungewöhnlichen Bauform. Im Kundenauftrag entstand auf Basis eines 330 GT 2+2 der zweiten Bauserie ein einzigartiger Shooting Brake, also ein zweitüriger Kombi.

Vignale bestand zwischen 1946 und 1974, wobei der Name auf den Firmengründer Alfredo Vignale zurückgeht. In seinem Designstudio in Turin entstanden viele Karosserie-Entwürfe für renommierte Autohersteller wie Cisitalia, Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, De Tomaso, BMW und eben auch Ferrari. Dabei ist zu beachten, dass die reinen Entwürfe oftmals von einem engen Freund des Hauses Vignale gezeichnet wurden, der ebenfalls als Karosseriebauer in Erscheinung trat: Giovanni Michelotti. Neben Serienfahrzeugen gestaltete die Firma auch immer wieder Einzelstücke für Messen oder spezielle Kunden. Gegen Ende der 1960er Jahre sorgte die inzwischen flächendeckend eingeführte selbsttragende Bauweise der Autokarosserien sowie die ebenfalls bei vielen Herstellern inzwischen vorhandenen internent Designbüros dafür, dass diverse freie Designer in die Krise rutschten. Alfredo Vignale verkaufte aus diesem Grund 1969 seine Firma an den Konkurrenten Ghia und verstarb nur Tage später bei einem nicht aufgeklärten Autounfall. Ghia gehörte wie die Automarke De Tomaso dem Argentinier Alejandro de Tomaso, der beide Karosseriebauer als Paket an Ford weiterverkaufte, wo zuerst Vignale (1974 und schließlich auch Ghia (1977) als eigenständige Designbüros auflöste. Während man Ghia jedoch als interne Designabteilung mit Sitz in Italien weiterbetrieb und dort auch Studien für große Automobilmessen in Auftrag gab, verschwand Vignale für Jahrzehnte aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und wird erst seit rund einem Jahr als Ausstattungsbezeichnung für besonders hochwertig ausgestattete Fahrzeuge von Ford wiederverwendet.

Doch zurück zu Ferrari. 1965 verließ ein rot lackierter 330 GT 2+2 mit Chassisnummer 07963 das Werk in Maranello mit Ziel USA. Dort wurde er durch den bekannten Händler Luigi Chinetti in Greenwich/Connecticut an den Erstbesitzer, einen Mr. Desy ausgeliefert. Zwei Jahre später gab er den Wagen als jungen Gebrauchten an den Händler zurück. Warum genau Luigi Chinetti junior an dieser Stelle beschloss, eine besondere, einzigartige Karosserie für den Wagen in Auftrag zu geben, ist leider nicht überliefert. Möglicherweise sah er schlechtere Verkaufschancen für den 330 GT, da dieser zu diesem Zeitpunkt laut Papieren bereits aus unbekannter Ursache mit einem Austauschmotor bestückt war. Klar ist jedoch, dass er sich mit dem amerikanischen Designer Bob Peak zusammentat, um seine Ideen eines zweitürigen Shooting Brake auf Papier zu bringen. Bereits während die Zeichnungen entstanden tauschte er sich zudem mit der Carrozzeria Vignale in Turin aus und vereinbarte die tatsächliche Umsetzung in ein fahrfähiges Auto. Durch die höhere Dachlinie in Verbindung mit dem steilen Heckabschluss ergibt sich sowohl mehr Kopffreiheit für die Passagiere als auch ein deutlich großzügigeres Gepäckabteil.

Als der 330 GT 2+2 Shooting Brake fertiggestellt war, stellte Vignale ihn stolz auf dem eigenen Stand auf der 50. Motor Show in Turin aus. Anschließend verschiffte man ihn zu Luigi Chinetti Jr., der ihn bis 1974 nutzte. Bis 1977 befand sich das Fahrzeug in der Gegend von Philadelphia, danach in New York. 1990 gelangte der vermutlich letzte von Vignale umkarossierte Ferrari nach Paris zu Jean-Claude Paturau, der ihn umfassend restaurierte und bis in die 2000er behielt. In dieser Zeit zeigte Paturau den Wagen auch auf diversen Concours-Veranstaltungen. Erst als Jay Kay, Frontmann der berühmten Band Jamiroquai, anfragte, kam ein Verkauf zustande, der 2011 abgewickelt wurde. In der Ferrari-Sammlung des Sängers verblieb der Shooting Brake bis 2015, wobei er auch in dieser Zeit auf diversen Klassiker-Events zu sehen war. Seither steht er in der Garage von Danny Baker in Ohio, der ihn 2017 von Grün auf Bronze metallic umlackieren ließ. Nun bietet RM Sotheby’s das Unikat im Rahmen der ‚The Petersen Automotive Museum Auction‘ am berühmten Automuseum in Los Angeles am 8. Dezember an. Da das Fahrzeug ohne Mindestgebot (without reserve) zur Versteigerung geht, wird es in jeglichem Fall zum Höchstbieter wechseln.

Bilder: RM Sotheby’s, Erik Fuller