Ferrari 250 GT Coupé Speciale by Pinin Farina
Sagt Ihnen der Name Mary Lilian Henriette Lucie Joséphine Ghislaine Baels etwas? Falls Sie sich mit den Geschichten der europäischen Adelshäuser beschäftigen, vermutlich schon. Für alle anderen Leser erläutern wir diese kleine Hintergrundgeschichte gern. Die Dame mit dem langen Namen war die Tochter des späteren belgischen Landwirtschaftsministers und Gouverneurs über Westflandern, Henri Baels, und wurde am 28. November 1916 in London geboren. Sie lernte als 20-jährige den noch jungen belgischen König Leopold III kennen, der seit einem selbst verschuldeten Autounfall im Jahr zuvor Witwer war. Nachdem die Treffen der bürgerlichen jungen Frau und des Königs einige Zeit lang von der Öffentlichkeit eher kritisch betrachtet wurden, heirateten beide im Jahr 1941 und bekamen ein Jahr später ihr erstes Kind. Lilian Baels wurde durch die Heirat zur Prinzessin von Belgien und Prinzessin von Réthy, nicht aber zur neuen Königin von Belgien. Dadurch waren ihre Kinder zwar ebenfalls Prinzen und Prinzessinen, waren aber von der Thronfolge ausgeschlossen. Durch die Haltung zur Kapitulation Belgiens im Zweiten Weltkrieg verschlechterte sich der Ruf von König Leopold III weiter, während seine Frau es nie schaffte, das Volk von sich zu überzeugen. Nach dem Krieg durften beide erst nach einer Volksentscheidung aus dem Exil nach Belgien zurückkehren und bald darauf übergab Leopold III die Krone an seinen Sohn aus erster Ehe, Baudouin.
Doch warum berichten wir an dieser Stelle über die Geschichte des belgischen Königshauses? Ganz einfach: Der ehemalige König Leopold III war sein Leben lang und trotz des schweren Unfalls, bei dem er seine erste Frau verlor, ein großer Sportwagenfan. Besonders die Marke Ferrari hatte es ihm angetan. Dank seines familiären Reichtums konnte er sich dort mehr als der normale Durchschnittskunde leisten. Alles begann 1953 mit einem von Pinin Farina karossierten 342 America (Fahrgestellnummer 0234AL), auf den zwei Jahre darauf der letztgebaute 375 Plus (Chassis 0488AM) folgte, der als einziges Auto dieser Baureihe als Straßensportwagen mit einer Cabriolet-Karosserie von Pinin Farina ausgerüstet wurde. Enzo Ferrari hielt große Stücke auf Leopold III: „Er schien mir ein Mann zu sein, der gut auch hätte Ingenieur werden können, sehr technisch begabt und bitterlich bereuend, niemals seine Gaben beruflich eingesetzt zu haben. Am Lenkrad war er couragiert und in der Lage, Gefahren entschlossen und gekonnt zu umfahren“, schrieb er in seinem Buch ‚My Great Joys‘.








































Auch zur Prinzessin unterhielt Ferrari enge Kontakte. So schilderte Enzo ihr im Laufe der Rennsaison 1955, dass sich Pirelli als Reifenlieferant von jetzt auf gleich zurückziehen wolle. Sie rief kurzerhand beim belgischen Reifenhersteller Englebert (gehört seit 1979 zu Continental) an und so erhielt Ferrari fortan Pneus aus dieser Quelle. Um sich für diese schnelle Hilfe erkenntlich zu zeigen, bot man ihr bei der Bestellung eines neuen Ferrari 250 GT die einmalige Chance an, eine Sonderkarosserie zu erhalten. Eigentlich erhielten zu diesem Zeitpunkt (1956) alle Straßenfahrzeuge Karosserien von Boano. Für die Prinzessin schickte man das Chassis mit Nummer 0751GT jedoch zu Pinin Farina. Insgesamt fertigte das berühmte Designhaus in diesem Zeitraum nur drei Speciale Coupés, von denen das zweite nach Belgien rollte. Optisch nahm man dabei sowohl Details der Rennfahrzeuge, wie beispielsweise des 250 GT TdF auf, kombinierte diese jedoch gekonnt mit Akzenten des 250 GT California Spyder und des späteren, zu diesem Zeitpunkt öffentlich noch unbekannten 250 GT Pininfarina Coupé.
Es dauerte bis Januar 1958, ehe das 250 GT Speciale Coupé im Farbton Grigio Fumo mit naturbraunem Connolly-Leder fertiggestellt war. Prinzessin Lilian und ihr Mann bewegten den Wagen mit Diplomatenkennzeichen rund um ihr Haus in Waterloo, aber auch auf weiteren Fahrten. Nach zehn Jahren bestellten sie einen neuen Ferrari 330 GTC mit Sonderkarosserie. Den 250er verschenkte die Prinzessin an Dr. Ernest De Bakey, einen Chirurgen aus den USA, der später für eine Operation des Schah von Persien berühmt wurde. Er versuchte dieses großzügige Geschenk zwar auszuschlagen, fand jedoch nach seiner Heimreise einen Frachtbrief in seinem Briefkasten vor und nahm schließlich Ende 1967 am Hafen von New Orleans das Fahrzeug entgegen. Bereits ein Jahr später verkaufte er den Sportwagen an seinen Kollegen Dr. John Ochsner, der 15 Zoll große Räder über Scheibenbremsen installieren ließ.
1970 kaufte der bekannte Sammler und Händler Kirk White aus Philadelphia das Fahrzeug und verkaufte es an John Delamater in Indianapolis weiter. Nachdem der Wagen für eine Weile Ken Hutchingson in Tower Lake/Illinois gehörte, kaufte Delamater ihn zurück und begann gemeinsam mit Alan Powell aus Michawaka/Indiana eine Restaurierung. Mitten in den Arbeiten ging das Auto 1973 mit unlackierter Karosserie und teilzerlegt an Norman Silver, den Chef der Firma Silver Craft Furniture. Dieser verkaufte das Projekt im Januar 1974 an Alan Powell und der wiederum drei Jahre später an John Wilson Clinard, einen hochrangigen Ford-Mitarbeiter aus Farmington Hills/Michigan. Nun erhielt der 250 GT endlich eine neue Lackierung, allerdings im typischen Ferrari-Rot, neues beigefarbenes Leder und eine technische Auffrischung. Zudem legte er eine Fahrzeugdokumentation mit Angaben zu allen früheren Besitzern an. Erst 1984 verkaufte er den Wagen an John Carnack in Carmel/Kalifornien, der ihn 1991 an Anthony Wang in New York weitergab. Ab 1996 gehörte er zur Sammlung von Gregory Noblet und ein Jahr später dem früheren Partner des belgischen Ferrari-Importeurs Jacques Swaters, Philippe Lancksweert, der eine umfangreiche optische Aufarbeitung inklusive Lackierung im originalen Grau und neuem Leder bei Autofficina SAURO in Bologna in Auftrag gab. Nach diesen Arbeiten und einigen Präsentationen auf Ferrari-Events kaufte Todd Morici aus Clifton/New Jersey den 250 GT, der ihn 1998 an den heutigen Besitzer weiterreichte. Nun steht der Sportwagen erstmals seit 20 Jahren zum Verkauf bereit und wird im Rahmen der RM Sotheby’s Auktion in Arizona am 17. Januar 2019 voraussichtlich seinen Besitzer wechseln. Das Auktionshaus erwartet dabei einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen 11.000.000,- und 13.000.000,- US$.
Bilder: RM Sotheby’s, Darin Schnabel