Das Erwachen der Alpen – Bernina Gran Turismo

Sechs Uhr morgens auf 2.300 Metern inmitten der Schweizer Alpen, umgeben von 80 historischen Rennwagen – willkommen zur Bernina Gran Turismo.

Unter null Grad hat es an diesem Samstagmorgen, als wir das Ospizio-Bernina verlassen. Vereinzelt funkeln noch Sterne am Himmel und um uns absolute Stille. Magisch und irgendwie bedrohlich wirken die Berge ringsherum. Doch nur kurze Zeit später wird aus bedrohlich atemberaubend, als die ersten ihre Motoren in der Halle starten, sie warmlaufen lassen und der ungefilterte Klang eines alten Formel 1 Autos nicht nur die Alpen, sondern auch uns endgültig aufweckt.

Als nach und nach die Rennwagen aus der Garage rollen, im Hintergrund die durch die Morgensonne orange leuchtenden Bergspitzen, steigt einem sogleich der wohlvertraute Geruch von Benzin und Öl in die Nase – die klirrende Kälte auf einmal ausgeblendet. Während wir vorbei an den hochkarätigen Fahrzeugen schlendern-uns nicht sicher sind ob das denn nicht nur ein Traum ist-, nehmen die Teams noch Kontrollen an ihren Boliden vor, messen den Luftdruck, stellen Feinheiten ein und bereiten sich mental schon mal auf die 5.7 Kilometer lange Strecke vor. Noch ein kurzes Fahrerbriefing, und noch bevor die Sonne sich vollständig über den Bergen zeigt, starten die motivierten Fahrerinnen und Fahrer in einer Kolonne zum Startpunkt. Schon auf dem Weg einige hundert Meter hinunter, nach „La Rösa“, lässt sich erahnen welches Feuerwerk an Fahrdynamik und ohrenbetäubendem Lärm hier die nächsten Stunden gezündet wird.

Dünne Luft.

Ehe sich alle auf den Weg zum Start machen und sich aufreihen, ist es auch schon an der Zeit für die Qualifying Läufe. Geradeeben für einen kurzen Moment stille, und schon erschallt der ganze Berg mit dem unverkennbaren Sound eines alten Formelrennwagens, offene Ansaugtrichter, kein Schalldämpfer, einfach pur. Das Echo lässt den Klang vom Startpunkt bis zu uns hinauf zur Zielkurve hallen. Mit vollem Einsatz wirft der Fahrer das Auto in die Kurve und lädt durch das einem Bange wird, ob denn nicht gleich die Berge einstürzen werden. Raritäten, wie der „Blitzenbenz“, oder Bugatti Typ35 gefolgt von Porsche 550 Spyder und Lancia Stratos, doch die Piloten schenken sich nichts, nehmen jeden Zentimeter des mit Haarnadeln und Spitzkehren gespickten Passes mit, und das schon im Trainingslauf.

Die Höhenluft ist dabei nicht nur die für die Fahrer eine zusätzliche Beanspruchung, auch manche Vergaser-Motoren setzten teilweise für kurze Momente aus – schießen raus – doch noch lange kein Grund für die Fahrer langsam zu treten.

Die Mischung an Autos mit deren ambitionierten Piloten, gepaart mit der Kulisse der Schweizer Alpen lässt uns jeglichen Bezug zur Realität verlieren. Wann sieht man denn einen originalen 911 RSR von 1974, der übrigens die Bestzeit fuhr, einen Gebirgspass hochjagen?

Die Variation reicht von Muscle Cars und Hotrods über klassische Sportwagen wie 911 ST und Alfa Romeos bis hin zu Hypercars der Neuzeit wie dem Bugatti Divo. Die Mischung an Klangerlebnissen ist einfach perfekt, Turbo schnatternde fünf Zylinder, kreischende V6 Sauger, V8 geblubber,… die Mischung lässt keine Wünsche offen.

Kein Zurückhalten.

Und unabhängig von Fabrikat und besonders dem Wert – es wird gefahren so schnell es geht, kein Zurückhalten. So manch einer kommt dabei auch über die Haftungsgrenze, doch bis auf einen Zwischenfall der zum Glück bei einem Blechschaden bleibt, verläuft das Rennen ohne Vorfälle. 

Der Spirit des historischen Motorsports – hier wird er gelebt, vom Fahrer, den Streckenposten und auch den Fans verteilt an der Strecke auf über 2.000 Metern. 

Die Bernina Gran Turismo, ein einzigartiges Event – und wir kommen wieder!

Fotos & Text: Andreas Griesbeck – www.instagram.com/carkult_andi