Citroën M35

Als Felix Wankel am 19. Januar 1960 erstmals Fachleuten und der Presse seinen Rotationskolbenmotor vorstellte, konnte er wohl kaum ahnen, was folgen sollte. Eine Flut von Autoherstellern gab sich quasi die Klinke seiner Werkstatttür in die Hand, um an diesem neuen Antriebskonzept partizipieren zu können. Den Anfang hatte bereits Jahre zuvor NSU gemacht. Dort entstand der erste Serien-PKW mit „Motor nach System NSU/Wankel“. Es folgten jedoch rasch weitere Entwicklungen von namhaften und teils auch noch unbekannteren Marken in aller Welt. Zu diesen zählten neben Mazda und Mercedes-Benz auch Alfa Romeo, Rolls-Royce, VEB IFA (DDR), Porsche, Nissan, General Motors und Suzuki. Allerdings brachten nur NSU und Mazda den Kreiskolbenmotor tatsächlich in Serie – oder? An dieser Stelle kommt erst einmal die Frage auf, ab welcher Stückzahl man von einer Serienfertigung spricht. Denn zwei Modelle, von denen jeweils im dreistelligen Bereich Fahrzeuge mit dieser Technik entstanden sind, gab es aus Frankreich.

Comotor als deutsch-französische Kooperation

Tatsächlich arbeitete auch Citroën am Kreiskolbenmotor nach Wankelprinzip, obwohl man nie einen offiziellen Lizenzvertrag mit den Rechteinhabern bei NSU unterschrieb. Diese Kooperation gab es stattdessen mit der Firma Comotor aus Luxemburg, an der Citroën Anteile hielt. Auf diese Weise konnte man zumindest zeitweise die angedachte Geschäftsbeziehung vor der Konkurrenz verbergen. Schnelle Suchanfragen über Internetsuchmaschinen waren damals ja noch nicht möglich. Citroën und NSU planten ein gemeinsames Fahrzeugprojekt mit dem von Felix Wankel erdachten Triebwerk. Es sollte zwei Modellversionen geben, von denen je eine von jedem Hersteller vertrieben werden sollte. 1967 begründete man gemeinsam Comotor und begann mit dem Bau eines neuen Werkes in Altforweiler bei Saarlouis. Dort sollten anfänglich 25 und nach einem geplanten Ausbau bis zu 500 Wankelmotoren täglich entstehen. Um es vorwegzunehmen: Dazu kam es nie. In der Halle entstanden zeitweise Surfbretter.

M35 mit Design des Ami 8

Zwischen 1967 und 1969 arbeiteten Citroën-Ingenieure bei NSU, um die Kreiskolbentechnologie kennenzulernen. Dies führte zur Premiere des M35 als erstem serienreifen Citroën mit einem solchen Motor. Streng genommen könnte man das verbaute Einscheibentriebwerk mit rund 0,5 Litern Kammervolumen und 36 kW/49 PS als halbierten Ro-80-Motor von NSU bezeichnen. Dort entstand es auch, da das neue Werk in Altforweiler noch nicht fertig war. Bei Karosserie und Fahrwerk bediente sich Citroën im eigenen Portfolio. So lieferte die Ami 8 große Teile des Vorderwagens, Leuchten und die hinteren Kotflügel. Letztere stammten von der Lieferwagenversion und wurden gekürzt. Heuliez zeichnete für die weiteren Blecharbeiten verantwortlich und schneiderte ein Coupé mit langem Schrägheck. Zur Endmontage gingen die Rohkarossen und Motoren ins Citroën-Werk in Rennes.

267 statt der 500 geplanten Fahrzeuge

Im Gegensatz zum Ami 8 nutzte der M35 ein hydropneumatisches Fahrwerk, das später in ähnlicher Bauform im Citroën GS zum Einsatz kam. Für die Karosserie gab es ausschließlich einen grausilbernen Farbton, innen waren alle M35 mit schwarzem Leder bezogen. Ursprünglich wollte Comotor dieses Modell einsetzen, um die Kreiskolbentechnik in Frankreich bekannt zu machen und mögliche Probleme vor dem Serienanlauf im Saarland zu erkennen. Daher sollten 500 Exemplare an langjährige Citroën-Kunden verkauft werden, deren Fahrprofil viel Laufleistung pro Jahr aufwies. Aufgrund des Preises auf Augenhöhe mit der ID19 hielt sich das Interesse in Grenzen, sodass nur 267 Stück bis Anfang 1971 gebaut wurden. Citroën versuchte anschließend möglichst viele M35 zurückzukaufen, um diese zu verschrotten und keine großen Ersatzteillager anlegen zu müssen. Daher gibt es nur noch wenige Exemplare weltweit. Die Erfahrungen aus dem M35 flossen in den GS Birotor ein, von dem immerhin 847 Stück gebaut wurden.

Bilder: Citroën