Chevrolet Corvette C8 Stingray
Wenn Chevrolet von seiner Sportwagenikone Corvette ein neues Modell ankündigt sind die Fans weltweit, besonders natürlich im Heimatland USA, mehr als gespannt. Bei der jetzt vorgestellten achten Generation war der Spannungsbogen noch deutlich mehr unter Druck als bei allen Modellwechseln vorher, hatten die Amerikaner doch angekündigt zum ersten Mal die klassische Bauweise mit Frontmotor und Heckantrieb, die die Corvette seit Produktionsbeginn im Jahre 1953 geprägt hat, zugunsten eines Mittelmotors aufzugeben. Bei unseren britischen Freunden würde es für so eine Entwicklung wohl nur einen Ausdruck geben: „Shocking!“ Die Amerikaner sehen das in der Regel etwas entspannter, obwohl auch jenseits des großen Teiches gern Traditionen hochgehalten werden. So waren denn auch im Vorfeld die Diskussionen hitzig und die Meinungen der Fans gespalten. Von ‚das ist keine Corvette mehr‘ bis ‚beste Corvette aller Zeiten‘ waren die Aussagen gespreizt. Die Wahrheit dürfte jetzt nach der Präsentation irgendwo dazwischen liegen.
Betrachtet man die ersten Fotos des neuen Modells, fällt sofort auf, dass Chevrolet nicht nur das Antriebslayout gewechselt hat, sondern zwangsläufig mit dem Mittelmotorkonzept auch die Proportionen des amerikanischen Sportwagens ändern musste. Seit der zweiten Generation der Corvette prägten klassische Sportwagendimensionen mit einer langen Motorhaube, einer knappen Insassenzelle und einem kurzen Heck das Erscheinungsbild des Sportwagens. Bedingt durch den Mittelmotor wurde die Position des Fahrers um 42 Zentimeter nach vorn verschoben. Der Vorderwagen, der jetzt nur noch einen kleinen Kofferraum beinhaltet, fällt deutlich kürzer aus, während hinter dem Fahrer nun Platz für den V8 und noch einen zusätzlichen Kofferraum geschaffen wurde. Die klassische Optik wich modernen Mittelmotorproportionen, wie man sie in erster Linie von der Konkurrenz aus Bella Italia kennt.
Man darf den Designern der Corvette C8 Stingray aber bescheinigen, dass sie den Spagat zwischen Tradition und Moderne überzeugend gelöst haben. Sind die Formen auch stark verändert und ungewohnt für die gusseisernen Fans der Marke, so ist es mit Details gelungen, Designzitate besonders von der C7 zu übernehmen und so die C8 auf den ersten Blick als Corvette erkennen zu lassen. In der Frontansicht erinnert die Anordnung der großen Lufteinlässe besonders an die ZR1-Variante der C7 und auch die Heckansicht lässt keinen Zweifel, dass hier die neue Corvette vor einem unterwegs ist. Zum Start fährt die C8 als Targa vor, eine Cabrioversion ist aber bereits angekündigt und war als Preview bei der Premiere schon zu sehen. Die Markteinführung dürfte im kommenden Jahr folgen. Interessantes Detail auf den ersten Fotos: Die Form der Dachabdeckung im geöffneten Zustand erinnert stark an den Ferrari 488 Spider oder die Spidermodelle von McLaren und lässt ein festes Klappdach erwarten.
Technisch hat Chevrolet es glücklicherweise vermieden, mit auf den Trend des Downsizing aufzuspringen und auf kleinvolumige und aufgeladene Motoren zu setzen, wie es Ferrari und Porsche vorgemacht haben. Im Gegenteil, die neue Corvette wird von der aktuellen Version der berühmten Small-Block-Motors mit dem Kürzel LT2 angetrieben, die mit 450 PS aus 6,2 Litern Hubraum beste amerikanische Motorenbautradition verkörpert. Wenn als Zusatzausstattung die Performance-Auspuffanlage angekreuzt wird, leistet der Motor sogar 495 PS und gibt ein Drehmoment von 637 Newtonmetern ab. Dazu muss man anmerken, dass dieses Triebwerk viele als modern geltende Elemente der Motorentechnik konsequent ignoriert. Die lediglich zwei Ventile pro Zylinder werden von einer unten liegenden Nockenwelle über Stoßstangen betätigt – und das bei diesem Motor bereits seit über 50 Jahren unverändert. Motorentechnisch ist die C8 also eine echte Corvette geblieben, was jedoch nicht bedeuten muss, dass jeglicher technischer Fortschritt vermieden wird. Das V8-Aggregat verfügt erstmalig über ein im Motor installiertes Trockensumpf-Ölsystem und drei Ölabsaugpumpen für verbesserte Performance auf der Rennstrecke. Dank der wesentlichen Verbesserung der querdynamischen Fähigkeiten der neuen Corvette Stingray musste das Trockensumpf-Schmiersystem des LT2-Motors neu konzipiert werden, um selbst bei Querbeschleunigungswerten von über 1 g in allen Richtungen eine ausreichende Ölversorgung sicherzustellen. Bei der Kraftübertragung wagen die Ingenieure von Chevrolet sich allerdings komplett auf Neuland.


























































Hatten die Kunden bisher je nach Modell die Wahlmöglichkeit zwischen einem klassischen Handschaltgetriebe, in der letzten Version mit sieben Vorwärtsgängen, oder einer eben so klassischen Wandlerautomatik, setzen die Amerikaner nun auf ein Doppelkupplungsgetriebe (DCT) mit acht Gängen als einzige Möglichkeit. Die Reaktion der Kundschaft bleibt abzuwarten. Bei der Abstimmung des DCT wählten die Ingenieure eine sehr geringe Übersetzung im ersten Gang zur Nutzung der zusätzlichen Traktion für ein möglichst schnelles Anfahren, während die eng abgestuften Gänge zwei bis sechs den Motor besonders auf der Rennstrecke im optimalen Drehzahlbereich halten. Das DCT-Getriebe ist gepaart mit einem neuen ‚Electronic Transmission Range Selector‘. Bei dieser elektrischen Gangschaltung besteht keine mechanische Schnittstelle zwischen Wählhebel und Getriebe.
Bietet das Mittelmotorkonzept ohnehin die besten Voraussetzungen für ein agiles Handling, hat man sich seitens Chevrolet damit nicht zufrieden gegeben und ein komplett neues Fahrwerk entwickelt, das mehr als je zuvor auf den Einsatz auf der Rundstrecke und entsprechende Fahreigenschaften ausgelegt ist, gleichzeitig aber auch erheblich verbesserten Fahrkomfort bieten soll. Zur Verbesserung der Agilität wurde die Lenkung deutlich direkter abgestimmt. Die neue Architektur des Fahrzeugs bedingt durch den Mittelmotor platziert den Fahrzeugschwerpunkt nahe an die der Innenseite zugewandten Hüfte des Fahrers, so dass sich das Fahrzeug buchstäblich um den Fahrer herumdreht. An der Vorderachse verfügt die C8 Stingray serienmäßig über ein Liftsystem, das das Fahrzeug um bis zu vier Zentimeter anheben kann, um die Fahrt über Schweller oder Einfahrtsrampen zu vereinfachen. Erstmals in einem Sportwagen kann der Fahrer bis zu 1.000 unterschiedliche Locations einprogrammieren, an denen das System das Fahrzeug dann automatisch und bis zu einer Geschwindigkeit von 38 km/h (24 mph) auf die gewählte Höhe anhebt.
Im Innenraum erwartet den Fahrer eine vertraute Optik gepaart mit vielen interessanten Neuigkeiten. Das Design des Armaturenbretts und der Mittelkonsole zeigen auf den ersten Blick die bekannte Optik der Vorgänger C6 und C7. Je mehr man sich jedoch auf die Details einlässt, erkennt man die Veränderungen, so beispielsweise ein neues Lenkrad, das nur noch über zwei Speichen verfügt sowie oben und unten leicht abgeflacht ist. Die analogen Rundinstrumente haben leider auch bei der amerikanischen Sportwagenikone ausgedient und sind modernen und vielseitig programmierbaren Bildschirmen gewichen. Ob man das als Fortschritt empfindet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das gleiche Bild an der Mittelkonsole, die wie von der C7 bekannt, im oberen Bereich zum Fahrer gewinkelt ist und im unteren, waagerechten Teil zum Fahrer hin kippt. Am rechten Rand sind in einer Strebe, die optisch an den Haltegriff für die Beifahrer der C6 und C7 erinnert, die Bedienelemente für Klimatisierung und Sitzheizung untergebracht.
Das erscheint jedoch eine mehr als zweifelhafte Lösung zu sein, in der die Sicherheit und Bedienungsfreundlichkeit dem Design eindeutig untergeordnet wurden. Kleine, unübersichtliche Schalter, die auf den ersten Blick auch noch unlogisch angeordnet erscheinen, muss der Fahrer weit von sich entfernt bedienen und so seinen Blick lange von der Straße wenden. Ein eindeutiger Rückschritt, besonders von einem Hersteller, der ein Head-Up-Display bereits bei der C6 eingeführt hat, damit eben dieser Fahrer den Blick auf der Straße halten kann. Dafür soll der Fahrer der neuen Corvette möglichst bequem und seinen Vorstellungen entsprechend sitzen und sich in seinem Auto wohl fühlen. Dafür bietet Chevrolet für die C8 drei verschiedene Sitztypen an. So sind die Sportsitze in den Stufen ‚GT1‘, ‚GT2‘ und ‚Competition Sport‘ wählbar. Dazu hat der Kunde die Wahlmöglichkeit zwischen zwölf Außenfarben. Im Innenraum sind sechs Interieur-Farbmotive und Gurtfarben wählbar.
Die neue Chevrolet Corvette C8 Stingray zählt bereits zum Modelljahr 2020. Produktionsbeginn der Version für den US-Markt ist gegen Ende des Jahres 2019 im traditionellen Stammwerk der Corvette in Bowling Green, Kentucky. Auf dem Heimatmarkt sollen die Preise für das Basismodell bei unter US$ 60.000 starten. Weitere Informationen, unter anderem zur Markteinführung in Europa, sind zurzeit noch nicht bekannt, ebenso wenig wie der Produktionsbeginn der erstmals erhältlichen Version mit Rechtslenkung.
Bilder: Chevrolet