Cadillac 452 V16 All Weather Phaeton

Motoren mit 16 Zylindern hat bisher nur Bugatti entwickelt? Wenn Sie diese Meinung vertreten, sollten Sie einmal einen tiefen Blick in die Automobilhistorie werfen. 2006 kombinierte Isdera zwei Mercedes-V8-Triebwerke für den einzigartigen 116i Autobahnkurier. In den späten 1980er Jahren treffen Sie auf den Cizeta V16T. Noch weiter zurückgeblättert stößt man 1976 auf den Sbarro Royale, einen Nachbau des legendären Bugatti Type 41 Royale, für den der Schweizer Autobauer zwei V8-Maschinen von Rover miteinander kombinierte. Der britische Rennstall B.R.M. konnte es nicht lassen und konstruierte 1950 und 1966 jeweils eigenständige V16-Motoren für den Einsatz in der Formel 1, in den 50ern mit lediglich 1,5 Litern Hubraum und Kompressoraufladung. Falls Sie nun glauben, das wäre es mit dem Geschichtsunterricht, liegen Sie falsch. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gab es entsprechende Überlegungen bei Alfa Romeo mit dem Bimotore Rennwagen (1935), der allerdings zwei einzelne Achtzylinder-Triebwerke in Front und Heck hatte und somit nur insgesamt auf 16 Brennräume kam, bei Bugatti mit dem Type 45 (1929) mit einem Triebwerk, das eigentlich als Flugzeugmotor aus zwei nebeneinander stehenden Reihenachtzylindermotoren als ‚U16‘ entwickelt wurde und schließlich bei Auto Union mit einem V16-Triebwerk aus der Entwicklungsabteilung von Ferdinand Porsche. Daneben wollen wir nicht den Maserati V4, den Marmon oder den Bucciali Double-Huit vergessen, haben aber vermutlich mindestens ein Fahrzeug in unserer Aufzählung ausgelassen.

Da sind wir uns sehr sicher, denn um genau dieses Auto soll es heute gehen. In den 1920er Jahren hatte sich die amerikanische Automarke Cadillac in den automobilen Olymp hochgearbeitet. In den USA musste man sich gegen Packhard behaupten, was bei Konzernmutter General Motors dazu führte, dass man die neue Marke La Salle knapp unterhalb von Cadillac platzierte, damit man sich dort voll und ganz auf den absoluten Luxusmarkt konzentrieren konnte. Dies unterstrichen Firmenchef Lawrence Fisher und Designchef Harley Earl direkt mit der Entwicklung eines neuen Flaggschiffs für die anbrechenden 1930er Jahre. Hierfür entstanden in der Motorenentwicklung unter Owen Nacker zwei komplett neue Triebwerke, ein V12 mit 370 Kubikzoll (6.063 Kubikzentimeter) Hubraum und ein V16 mit 452 Kubikzoll (7.407 Kubikzentimeter) Hubraum. Diese Zahl gab den Fahrzeugen auch ihren Namen. Bereits die Motorenblöcke sind ein Kunstwerk für sich, da sie im Art-Deco-Stil emaillierte und polierte Zylinderköpfe sowie verborgen geführte Zündkabel, um einen möglichst ungestörten Blick auf die Technik zu ermöglichen. Mit dem V16 konnte sich Cadillac zweifelsfrei an der Spitze des Marktes einrichten. Aus heutiger Sicht könnten die gebotenen 175 PS zwar gering erscheinen, 1930 waren sie mehr als ausreichend. Servounterstützte Bremsen und ein vollsynchronisiertes Getriebe gehörten ab Werk dazu.

Im Gegensatz zu anderen Herstellern bot Cadillac die Karosserieaufbauten direkt an. Hierfür zeichnete der zum GM-Konzern gehörende Aufbau-Spezialist Fisher and Fleetwood verantwortlich, der soviele unterschiedliche Karosserieformen auf den verschieden langen Radständen anbot, dass sich insgesamt fast 100 verschiedene Möglichkeiten für den Kunden ergaben. Auf diese Weise konnte man problemlos mit Hispano-Suiza und Rolls-Royce konkurrieren, die noch auf den klassischen Weg der nackten Chassis vertrauten, die anschließend an den vom Kunden gewünschten Karosseriebauer geschickt wurden. Anfänglich konnte Cadillac sehr ordentliche Verkaufszahlen verzeichnen, musste dann aber durch die Große Depression empfindliche Einbußen hinnehmen. Bis 1935 entstanden rund 3.600 Exemplare. Anschließend entwickelte man die Serie 452 zur Serie 90 weiter, die sowohl die Plattform als auch den 7,4 Liter großen V16-Motor übernahm, aber nur noch mit 12 verschiedenen Aufbauten von Fleetwood auf Bestellung gefertigt wurde. Bis 1940 rollten lediglich 616 Exemplare vom Produktionsband.

Chassisnummer 700503 ist ein frühes Exemplar, das am 14. März 1930 an den Cadillac-Händler in Chicago ausgeliefert wurde. Dieser Wagen trägt vom Werk aus die fünfsitzige All-Weather-Phaeton-Karosserie von Fleetwood. Bis in die frühen 40er Jahre blieb er in der Gegend um Chicago, dann kaufte Willy Christi aus Kalifornien die Limousine und behielt sie bis zu seinem Tod 1988. Anschließend kaufte Jim ‚Cadillac Jim‘ Pearson aus Kansas City den V16, der ihn eine Weile später an Bud Tinney weitergab. Dieser ließ bei Lloyd’s Restorations eine umfangreiche Restaurierung auf den Auslieferungszustand im Concours-Standard durchführen. Unter dem nächsten Besitzer, Dave Lindsay aus Manawa/Wisconsin, errang der Cadillac einige Preise bei Schönheitswettbewerben. Seit 2016 gehört der Wagen zu einer Sammlung von Vorkriegsklassikern und erhielt nochmals eine neue Lackierung. Nur wenige Cadillac 452 V16 existieren heute noch in der originalen Konfiguration mit werksseitiger Karosserie und serienmäßigen Anbauteilen. Dieses seltene Fahrzeug bietet nun Hyman Ltd. zu einem Preis von 385.000 US$ (rund 340.800,- €) an.

Bilder: Hyman Ltd.