Bugattis fünfter Sieg bei der Targa Florio

Obwohl sie seit den 1970er Jahren nicht mehr ausgetragen wird, ist die Targa Florio heute noch vielen Rennsportfans ein Begriff. Erstmals ausgetragen wurde sie 1906, nachdem der Unternehmer Vincenzo Florio beschlossen hatte, auf den Straßen seiner Familie in der Madonie-Region auf Sizilien ein eigenes Autorennen zu veranstalten. Dabei handelte es sich nicht um einen schlichten, vier Kilometer langen Rundkurs, wie man es heute eventuell erwarten könnte. Stattdessen ging es ursprünglich über 148 Kilometer – pro Runde! Beim ersten Lauf traten zehn Fahrzeuge an, die im Abstand von zehn Minuten auf die Reise geschickt wurden. Der Sieger legte die geforderten drei Runden in neun Stunden und 32 Minuten zurück. 1919 verkürzten die Veranstalter die Runde auf 108 Kilometer, 1932 schließlich auf 72 Kilometer. Dennoch galt die Targa Florio als eines der anspruchvollsten Rennen der Welt und forderte daher diverse Hersteller dazu heraus, ihre Werksfahrer und besten Fahrzeuge an den Start zu bringen. Zum Teil erhielt sie sogar den Status eines Weltmeisterschaftslaufs für Sportwagenrennen. Ab 1978 wandelte man die Veranstaltung in eine Rallye mit kürzeren Wertungsprüfungen entlang der ursprünglichen Route um.

In den 1920er Jahren nahm die Dichte an Bugatti Rennwagen kontinuierlich zu. Neben Privatfahrern trat auch die Werksmannschaft an und gewann erstmals 1925 mit einem Typ 35 und dem Italiener Bartolomeo Costantini am Steuer. Er gewann auch im Folgejahr, diesmal mit einem Typ 35T. 1927 steuerte Emilio Materassi einen Typ 35C zum Sieg und 1928 überquerte Albert Divo mit einem Typ 35B als Erster die Ziellinie. 1929 schließlich schrieb die ‚Usines Bugatti‘, wie das Werksteam offiziell hieß, endgültig Geschichte, als Albert Divo erneut den Gesamtsieg mit einem Typ 35C einfuhr und damit zum ersten und einzigen Mal das gleiche Team fünf Gesamtsiege errang – in Folge. Eine durchaus beachtliche Leistung, immerhin hatte der 108 Kilometer lange Kurs über 1.400 Kurven sowie Steigungs- und Gefälleabschnitte, die sich kaum ein Fahrer komplett einprägen konnte. Gefahren wurde über fünf komplette Runden, also rund 540 Kilometer Renndistanz. Im Gegensatz zu den heutigen gesperrten Rennstrecken, mit ihrem klinisch reinen Asphalt zeigten die oft engen Bergstraßen noch ihren ursprünglichen Schotterbelag und waren alles andere als frei. Hinter jeder engen Ecke konnten Eselskarren oder Viehherden auf der Fahrbahn lauern. Speziell während der Trainingstage, die in den Wochen vor dem Rennen ausgeschrieben wurden, herrschte bis in die 1970er hinein ganz normales Verkehrsgeschehen, durch das sich die Rennteilnehmer arbeiten mussten.

Betankungen und Reifenwechsel konnten die Teams entlang der gesamten Strecke durchführen, wofür sie eigene Ersatzteil- und Tanklager einrichteten. Eventuelle Fahrerwechsel durften jedoch ausschließlich unter Aufsicht eines Rennleiters im Start-Ziel-Bereich am Bahnhof Cerda durchgeführt werden. Von dort aus schlängelte sich die Streckenführung durch das Dorf Caltavuturo über Madonie und Polizzi auf eine Höhe von über 900 Metern nach Collesano und Campofelice zurück an die Küste und dort über eine sechs Kilometer lange Geraden zurück zum Bahnhof Cerda. 1929 gingen acht von 29 Teilnehmern mit einem Bugatti ins Rennen. Vom Start weg dominierten Albert Divo und sein Teamkollege Ferdinando Minoia das Geschehen. Ihre rund 125 PS starken Achtzylinder-Kompressormotoren und das Leergewicht der Rennwagen von nur 750 Kilogramm ermöglichten auf der Geraden über 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Bugatti nutzte bereits damals konsequenten Leichtbau und fertigte daher Motor- und Getriebegehäuse sowie die Räder aus Magnesium und schmiedete eine hohle Vorderachse.

Von den 29 gestarteten Fahrzeugen erreichten lediglich sieben die volle Renndistanz. Gestartet waren sie im 3-Minuten-Rhythmus. Minoia erreichte einen neuen Rundenrekord mit einer Zeit von 1:25 Stunde und einem Geschwindigkeitsdurchschnitt von 75,98 km/h, konnte jedoch letztlich aufgrund einer Reifenpanne nicht den Sieg erringen. Dieser ging erneut an Albert Divo, dessen Gesamtzeit von 7:15:41,7 Stunden volle 35 Minuten schneller als beim Vorjahressieg war. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 74,4 km/h. In der Jetztzeit entwickelt Bugatti gerade ein neues Sportwagenmodell, das nach Albert Divo benannt ist, im vergangenen Jahr in Pebble Beach debütierte und bereits vollumfänglich ausverkauft ist. Alle 40 Exemplare, die zu einem Grundpreis von fünf Millionen Euro angeboten wurden, gingen noch vor der Weltpremiere an ausgesuchte Kunden in aller Welt, die in Kürze ihre Fahrzeuge erhalten werden.

Bilder: Bugatti