Bugatti Typ 57 C Tank

Wenn sich 50 Teams für ein Rennen zweimal rund um die Uhr anmelden, schließlich 42 Autos starten dürfen und unter weltweiter Beachtung nur die besten nach 24 Stunden die Ziellinie auf allen vier Rädern überqueren, dann ist wohl das legendäre Langstreckenrennen im französischen Le Mans gemeint. Erstmals ausgetragen wurde es bereits 1923. Schnell erwarb es sich den Ruf einer Materialschlacht, die wirklich alles von Auto und Fahrern abverlangte. Hier kamen und kommen die größten Autohersteller und jene, die sich mit ihnen messen wollen zusammen. So war es auch 1939. Vor 80 Jahren stammten 25 der 50 gemeldeten Autos aus französischer Produktion, beispielsweise von Delage, Talbot oder Delahaye. Aus Deutschland nahmen Fahrzeuge von Adler und BMW teil. Hinzu kamen Morgan, Riley, MG, Aston Martin, Lagonda und Singer aus Großbritannien sowie Alfa Romeo aus Italien. Nicht vergessen darf man indes Bugatti. 1938 hatte man aus technischen Gründen auf einen Start verzichten müssen und konnte damit den Gesamtsieg von 1937 nicht verteidigen. Umso motivierter kehrte man 1939 auf die Rennstrecke an der Sarthe zurück.

Als Rennfahrzeug brachte die Marke aus dem Elsass einen Typ 57 C mit, dem eine speziell geformte, aerodynamische Karosserie mit in die Karosserie integrierten Kotflügeln aufgesetzt wurde. Aufgrund ihrer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Formgebung erhielt sie den Namen ‚Tank‘, angelehnt an die fahrenden Panzergeschütze des Ersten Weltkrieges. Mit einer ähnlichen Bauform hatte Werksfahrer Jean-Pierre Wimille bereits 1937 gewinnen können, damals noch auf Basis eines Typ 57 G. Beim Typ 57 C sorgte ein Kompressor am Reihenachtzylindermotor für eine Leistungssteigerung auf rund 200 PS aus 3,3 Litern Hubraum. Damit erreichen die Fahrer auf der langen Hunaudières-Geraden über 255 km/h. Jean Bugatti, Sohn des Firmengründers und begnadeter Konstrukteur, sorgte durch gezielt berechnete Bohrungen in der Karosserie sowie an Chassisteilen und der Kurbelwelle für Gewichtserleichterungen.

Bugatti tritt um den Gesamtsieg an, wobei hier bis heute gilt, dass nicht zwingend das schnellste Fahrzeug am Ende vorne liegt. Als großer Favorit gilt 1939 der zweifache Le-Mans-Sieger Raymond Sommer mit seinem Alfa Romeo. Er führt das Rennen vom Start weg an und balgt sich dabei mit Jean-Pierre Wimille und Pierre Veyron im Bugatti und einigen weiteren Fahrern. Wimille fährt dabei allerdings keinesfalls am Limit, sondern achtet auf den Zustand seiner Reifen und Bremsen indem er eine möglichst saubere Linie fährt. Am frühen Sonntagmorgen fällt der Delage von Louis Gérad und Georges Monnert aus der Spitzengruppe heraus, nachdem das Triebwerk Hitzeprobleme bekam. Pierre Veyron, der zu diesem Zeitpunkt hinter dem Lenkrad des Bugatti saß, zog mühelos vorbei und drehte weiterhin fehlerfrei Runde um Runde. Firmenchef Ettore Bugatti wurde nach dem Rennen zitiert: „Wir mussten nicht einmal während des Rennens die Motorhaube öffnen.“

Am Ende bezwangen Wimille und Veyron auch den Alfa Romeo und legten in 24 Stunden 248 Runden oder 3.354 Kilometer zurück. Das entspricht bei der damaligen Kurslänge von 13,5 Kilometern einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 139 km/h. Von den ursprünglich 42 gestarteten Autos erreichten nur 20 das Ziel, der Zweitplatzierte drei Runden hinter dem Bugatti, der Dritte sogar neun Runden zurück. Dieser Gesamtsieg in Le Mans ist bis heute der letzte große Motorsporterfolg der Marke. Zwei Monate später begann der Zweite Weltkrieg, wodurch auch Bugatti bald die Produktion einstellen musste. Für das 24-Stunden-Rennen gab es eine zehnjährige Unterbrechung. Den Distanzrekord des Bugatti überbot erst 1950 das Vater-Sohn-Duo Louis Rosier und Jean-Louis Rosier auf einem Talbot-Lago T26 GS.

Bilder: Bugatti