Bugatti Typ 41 Royale

Bereits 1919 begann Ettore Bugatti mit ersten Überlegungen am luxuriösesten Auto der Welt. Es sollte allerdings noch bis 1926 dauern, ehe das erste Exemplar des Typ 41 Royale auf den Rädern stand. Zwischenzeitlich hatte Bugatti das Projekt eines großvolumigen Reihenachtzylindermotors für Flugzeuge verworfen, dieses Triebwerk jedoch dann als Grundlage für den Typ 41 verwendet. Durch ein Bohrungs-Hub-Verhältnis von 125 mal 150 Millimetern ergab sich beim Präsentationswagen ein Hubraum von 14,7 Litern. Wie bei diversen anderen Bugatti-Modellen kam auch hier eine Monoblock-Bauweise zum Tragen, bei der bewusst auf abnehmbare Zylinderköpfe verzichtet wurde. Für Motorrevisionen mussten also alle internen Komponenten inklusive der massiven, neunfach gelagerten Kurbelwelle ausgebaut werden. Für die spätere Kleinserienfertigung reduzierte Bugatti den Hubraum auf 12,8 Liter indem er den Hub pro Zylinder auf 130 Millimeter verringerte. Trotzdem standen weiterhin imposante Leistungsdaten zur Verfügung. Während offizielle Werksunterlagen von bis zu 300 PS sprachen, gehen Experten heute von rund 275 echten Pferdestärken aus. Genug, um die über drei Tonnen schweren Fahrzeugen ab einer Geschwindigkeit von 10 km/h mühelos im zweiten Gang bis auf mehr als 100 km/h zu beschleunigen. Um die ungefederten Massen zu reduzieren, integrierte Bugatti die Bremstrommeln in die Aluminiumfelgen.

Gemeinsam mit seinem Sohn Jean entwickelte Ettore Bugatti ein Kastenrahmenchassis mit wahlweise sechs oder 6,35 Metern Radstand. Karosserieaufbauten überließ man externen Firmen, wobei Jean Bugatti einige Entwürfe lieferte und Ettore Bugatti sich das Recht im Kaufvertrag einräumen ließ, das finale Wort bezüglich der Wahl des Karosseriebauers zu behalten. Nur die besten, angesehensten Firmen und die extravagantesten, geschmackvollsten Aufbauten sollten Verwendung finden. Das Präsentationsfahrzeug mit der Fahrgestellnummer 41-100 erhielt binnen kürzester Zeit allein fünf verschiedene Karosserien, die Bugatti jeweils für Werbung nutzte. Alles begann mit einer viertürigen Phaeton-Karosserie, die abgesehen von der notwendigen langen Motorhaube fast unverändert von einem damals neuen Packard Eight übernommen wurde. Es folgte ein Coupé im Stil eines Fiacre, eine viertürige Limousine und schließlich eine zweitürige Coach-Limousine von Weymann. So ausgerüstet verunfallte Ettore Bugatti 1931 zwischen Straßburg und Molsheim. Das Auto erhielt ein neues, 23 Zentimeter kürzeres Fahrgestell, den kleineren Motor der Serien-Royale und eine von Jean Bugatti gezeichnete Außenlenker-Karosserie namens Coupé Napoléon. In den Wirren, durch die sich die Firma Bugatti nach dem Zweiten Weltkrieg bewegte, gelangte dieser Royale in den Besitz der Gebrüder Schlumpf und ist damit bis heute Bestandteil des nationalen Automuseums Cité de l’Automobile – Collection Schlumpf in Mulhouse. Dort steht auch ein weiterer Royale sowie eine der diversen Karosserien, die nicht mehr auf einem Typ-41-Fahrgestell sitzt, als Nachbau.

1929 entstand ein zweiter Typ 41 Royale als Berline de Voyage (Cabriolet-Limousine) mit der Fahrgestellnummer 41-150. Dieser Wagen diente der Familie Bugatti als Privatfahrzeug und wurde von Ettores Witwe Barbara Maria Giuseppina bis in die 1950er Jahre hinein genutzt. Anschließend kaufte Briggs Cunningham aus den USA den Royale. Es folgten diverse Besitzer in den USA inklusive der The Harrah Collection und der Blackhawk Collection. Inzwischen gehört 41-150 vermutlich einem koreanischen Investor. Aufgrund der weltweiten Finanzkrise ab 1929 fiel es Ettore Bugatti sehr schwer, Käufer für den extrem teuren Typ 41 Royale zu finden. Hinzu kamen seine Kaufbedingungen, die möglicherweise ebenfalls einige Interessenten abschreckten. Letztlich dauerte es bis 1932, ehe das erste Kundenfahrzeug mit der Fahrgestellnummer 41-111 für den Pariser Industriellen Armand Esders entstand. Hierfür entwarf Jean Bugatti eigens eine spezielle, riesige Roadster-Karosserie mit abnehmbaren Scheinwerfer, da Esders das Auto hauptsächlich bei Tageslicht nutzen wollte. Nach nur zwei Jahren verkaufte er den Royale wieder. Für den neuen Besitzer erstellte Henri Binder in Paris einen Coupé de Ville Aufbau mit im Freien sitzenden Chauffeur, dessen Design sehr an das inzwischen auf dem Werksauto verwendete ‚Coupé Napoléon‘-Styling von Jean Bugatti erinnerte. Heute gehört der Wagen dem Volkswagen Konzern und steht üblicherweise in der Remise am Bugatti Werk in Molsheim. Die Karosserie des Roadster Esders wurde in den 1970er Jahren durch die Werkstatt der Gebrüder Schlumpf auf der Basis eines nie vollendeten Typ 41 ohne Triebwerk detailgetreu nachgebaut.

Chassisnummer 41-121 ging 1932 an den Nürnberger Arzt Dr. Joseph Fuchs und erhielt von der Firma Weinberger in München eine zweisitzige Cabriolet-Karosserie mit extrem langer Motorhaube. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, begab sich Dr. Fuchs ins Exil in die Schweiz, dann nach Shanghai in China, nach Kanada und schließlich nach New York. Überall nahm er den Bugatti mit hin. Im Winter 1937/38 fror das Kühlsystem ein und sorgte damit für einen kapitalen Motorschaden. Das Auto landete auf einem Schrottplatz, wo es 1943 von Charles Chayne, einem Ingenieur von General Motors gefunden wurde. Er restaurierte und veränderte den Typ 41 nach eigenem Geschmack und schenkte ihn schließlich 1958 dem Henry Ford Museum in Dearborn.

Auf der London Motor Show in der Olympia-Ausstellungshalle zeigte Bugatti 1932 einen weiteren Typ 41 Royale mit zweitüriger Limousinen-Karosserie von Kellner & Cie. in Paris und der Chassisnummer 41-141, der jedoch keinen Käufer fand. Daher nutzte die Familie Bugatti das Fahrzeug bis zum Krieg, versteckte es vor den Nazis und verkaufte es anschließend 1950 gemeinsam mit 41-150 an Briggs Cunningham in den USA, auf den drei weitere Besitzer folgten. 1933 lieferte Bugatti das dritte Kundenfahrzeug mit der Fahrgestellnummer 41-131 an den britischen Captain Cuthbert Foster aus. Nach seiner Verschiffung erhielt das nackte Chassis erst in Großbritannien bei Park Ward einen Limousinen-Aufbau. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte der Bugatti über Stationen in Großbritannien und den USA 1963 schließlich in den Besitz der Brüder Schlumpf. Auch dieses Fahrzeug ist heute fester Bestandteil der Cité de l’Automobile in Mulhouse.

Ettore Bugatti hatte mit einem deutlich größeren Verkaufserfolg des Typ 41 Royale gerechnet und daher rund 100 Triebwerke produzieren lassen. Um diesen Bestand abzubauen, bot er die Motoren der französischen Eisenbahngesellschaft ETAT (Vorläufer der SCNF) zum Einbau in einen neuen Schnellzugtyp an. Der XB 1000 ging ab 1935 mit zwei bis vier dieser Triebwerke auf die Schiene und entstand 88-mal. Zeitweise hielt ein solcher Zug einen Durchschnittsgeschwindigkeitsrekord von 196 km/h über eine Strecke von 70,7 Kilometern. Für die Wartung der Motoren war Bugatti ebenfalls zuständig. Auf diese Weise verwandelte man das Verlustgeschäft mit dem Royale in ein Gewinngeschäft. Letzte Exemplare wurden 1958 außer Dienst genommen. Heute existiert nach aktuellem Kenntnisstand nur noch eines davon im Eisenbahnmuseum Cité du Train in Mulhouse. Neben den sechs originalen Bugatti Typ 41 Royale gibt es inzwischen weltweit mindestens drei hervorragende Repliken, von denen Sie zwei in unserer Bildergalerie sehen können. Zusätzlich boten zeitweise Sbarro mit dem Royale, angetrieben durch zwei miteinander verknüpfte Rover-V8-Triebwerke, sowie Panther mit dem De Ville Fahrzeuge an, die optisch stark am Bugatti angelehnt waren, aber preislich weit darunter rangierten. Würde heute ein echter Typ 41 zum Verkauf angeboten, gäbe es höchstwahrscheinlich einen neuen absoluten Preisrekord für ein Automobil.

Bilder: Bugatti, Matthias Kierse