Bugatti Typ 38
Diverse Vorkriegsmodelle aus dem Hause Bugatti sind bis heute gut bekannt. Fast jeder Autofan hat schon einmal vom gigantischen Typ 41 Royale oder dem im Motorsport extrem erfolgreichen Typ 35 gehört. Ebenso sind die verschiedenen Karosserieformen des Typ 57 bis hin zum extrem seltenen Atlantic immer wieder eine Augenweide auf Concours-Veranstaltungen. Daneben gab es jedoch weitere Modellreihen, die Ettore Bugatti mit ebenso großer Liebe zum technischen Detail entwickelte und anfertigte. 1926 erschien beispielsweise der Typ 38 als Nachfolger des Typ 30. Vom Vorgänger übernahm man dabei den zwei Liter großen Reihenachtzylindermotor.
Wahlweise mit oder ohne Kompressor
Allein dieses Triebwerk ist für Technikfans ein Gaumenschmaus. Jeder Kolben hat 60 Millimeter Durchmesser und einen Hub von 88 Millimetern. Die Kurbelwelle rotiert in drei Kugellagern. Über ein Viergang-Schaltgetriebe und eine Kardanwelle erreichen zwischen 70 und 75 PS die Hinterachse. Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h möglich. Ein Jahr nach der Markteinführung ergänzte Bugatti das Programm um den Typ 38 A mit zuschaltbarem Kompressor. Dieser erhöht die Motorleistung auf 90 bis 95 PS und das maximale Tempo auf 140 km/h. Bereits als der Typ 38 noch produziert wurde gab es aus der Kundschaft Klagen über zu geringe Leistung beim normalen Modell und einen zu groß dimensionierten Kompressor beim Typ 38 A. Diesen Druckerzeuger hatte man unverändert vom Rennwagen Typ 37 A übernommen. Aufgrund dieser Beschwerden erhielt das Nachfolgemodell Typ 43 einen größeren Motor.
Nur rund 40 Typ 38 heute noch erhalten
Zur damaligen Zeit war es bei fast allen Herstellern üblich, dass in der jeweiligen Produktionsstätte nur ein fahrfähiges Fahrgestell mit allen Technikkomponenten hergestellt wurde. Für den Karosseriebau hatten nur wenige Marken eigene Abteilungen. Bugatti gehörte dazu, bot die Modellreihen jedoch auch als nackte Chassis an, wodurch die Kunden beim Karosseriebauer ihrer Wahl eigenständige Aufbauten realisieren lassen konnten. Beim Typ 38 betrug der Radstand 3.122 Millimeter. Darauf entstanden zweitürige Limousinen mit zwei oder vier Seitenfenstern, Roadster und Coupés mit Rundhecks sowie Tourenwagen. Auf Stoßstangen wurde ab Werk verzichtet. Bis 1930 entstanden rund 385 Exemplare, davon wohl etwa 50 Typ 38 A. Heute sind insgesamt noch rund 40 Autos erhalten. Beim Auktionshaus Osenat kommt heute Nachmittag ein Bugatti Typ 38 unter den Hammer. Das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer 38325 ging im Dezember 1926 als nacktes Chassis gemeinsam mit elf weiteren an einen Pariser Karosseriebauer.
Frühe Fahrzeuggeschichte unbekannt
Vermutlich erhielt der Wagen einen Cabriolet-Aufbau von Weymann. Wer Erstbesitzer war ist heute nicht mehr bekannt. Vermutlich blieb er im Pariser Stadtgebiet, wo das Zulassungsregister der Vorkriegszeit im Krieg verloren ging. Andererseits ist auch möglich, dass der Bugatti bereits vor dem Krieg im Rhône-Gebiet landete, da er bereits vor 1955 auf dem Kennzeichen 3481AJ69 zugelassen wurde. 1960 erfolgte ein Verkauf nach Lyon, Anfang der 1970er dann zum Sammler Philippe Ville. Hier kam der Typ 38 als Chassis mit Motorhaube, Scheinwerfern und zwei Sitzen an. Sein Sohn René führte die Restauration durch und gestaltete hierfür eine viersitzige Torpedo-Karosserie im Stil von Lavocat & Marsaud. Gebaut und orange lackiert wurde sie von Mechanikern und Lackierern in Aurillac. 1996 verkaufte die Ville-Familie das Auto an René Giordano in Cannes. Nach einigen Fahrten tauschte er das originale Triebwerk gegen einen Nachbau von Pur Sang aus Argentinien, da er den Bugatti-Motor für einen Grand-Prix-Rennwagen benötigte.
Nachgebaute Grand Sport Karosserie
Nach kurzer Zeit in der Garage von Serge Clement kaufte der heutige Besitzer 2001 den Bugatti. Er ließ eine Karosserie im Grand Sport Design erstellen und auf das Fahrgestell montieren. Rahmen, Plakette und Vorderachse sind nachweislich originale Teile von Fahrgestellnummer 38325. Osenat erwartet einen Zuschlagspreis im Bereich zwischen 300.000 und 400.000 €.
Bilder: Osenat