Bugatti EB112

Bugatti ist heutzutage in aller Munde. Als der Volkswagen-Konzern Ende der 1990er Jahre die Markenrechte übernahm und mit diversen Konzeptfahrzeugen die Markteinführung des Supersportwagens Veyron vorbereitete, geriet ein kurzes Kapitel der Firmengeschichte beinahe in Vergessenheit. Nach mehr als 30-jährigem Tiefschlaf hatte der italienische Unternehmer Romano Artioli Bugatti Automobili 1987 aus der Taufe gehoben und die Produktion eines Sportwagens angekündigt. Dieser debütierte nach einigen Jahren der Entwicklung am 110. Geburtstag von Firmengründer Ettore Bugatti am 15. September 1991 in Paris als EB110 und ging anschließend in Serie. 1993 fügte Artioli seinem Konzern die britische Sportwagenmarke Lotus hinzu und präsentierte zudem auf dem Genfer Autosalon ein zweites Modell für Bugatti, mit dem er gezielt auf den US-Markt gehen wollte.

Es handelte sich um eine sportliche Limousine der Oberklasse. Passend zum Zeitpunkt des Debüts benannte man das Fahrzeug EB112. Als Antriebsquelle sah man einen sechs Liter großen V12-Motor vor, der im Vergleich zum EB110 auf die vierfache Turboaufladung verzichtete und zugunsten einer besseren Gewichtsverteilung knapp hinter der Vorderachse positioniert wurde. Als Leistung gab man 335 kW/456 PS und ein maximales Drehmoment in Höhe von 650 Newtonmetern an. Über ein manuelles Sechsgang-Getriebe gelangte die Kraft auf den permanenten Allradantrieb und ermöglichte es bei Bedarf, in nur 4,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen. Als Höchstgeschwindigkeit gab man 300 km/h an. Das Leergewicht lag bei immerhin 1,8 Tonnen. ABS gehörte zur Serienausstattung.

Für die Gestaltung des EB112 wandte sich Artioli an Italdesign Giugiaro. Inspiriert von klassischen Bugatti Limousinen wie dem Typ 57 Galibier entstand ein moderner Viertürer aus Aluminium mit dem typischen Hufeisen-Kühlergrill, je drei Scheinwerferlinsen unter Klarglas pro Seite und einer hochkant geteilten Heckscheibe. Als repräsentatives Fahrzeug genehmigte man dem EB112 auch entsprechende Abmessungen. Er erstreckt sich auf 5,07 Meter Länge und 1,96 Meter Breite während die Höhe nur 1,38 Meter beträgt. Während einige Betrachter die relativ runde Formgebung für hässlich hielten, betitelte das amerikanische Fachmagazin ‚Automobile‘ den EB112 als „the most beautiful car in the world“.

Auf die Weltpremiere sollte die Phase der Entwicklung und Erprobung folgen, woraufhin der Bugatti EB112 spätestens zu Beginn des Jahres 1996 hätte zu den Händlern rollen sollen. Allerdings befand sich die weltweite Wirtschaft Anfang der 1990er Jahre in einer Finanzkrise, die besonders auf den Markt der Luxusfahrzeuge und Sportwagen durchschlug. Vorbestellungen für den EB110 wurden storniert und zusätzlich gab es wohl diverse Versuche alteingesessener italienischer Mitbewerber, Zulieferern ein falsches Bild der Marke Bugatti zu vermitteln und sie damit von Zusammenarbeiten abzuhalten. Zusammen sorgten diese Fakten dafür, dass Bugatti Automobili SpA 1995 insolvent ging. Während die Produktionsrechte, Fertigungswerkzeuge, noch nicht fertiggestellte Autos und Ersatzteile des EB110 an den deutschen Geschäftsmann Jochen Dauer gingen, kaufte der monegassische Unternehmer Gildo Pallanca Pastor unter anderem drei noch nicht fertig gestellte Prototypen des EB112 inklusive diverser bereits angefertigter Komponenten. Daraus entstanden in den Folgejahren in seiner eigenen Werkstatt in Monaco zwei fahrfähige Fahrzeuge, von denen er eines im Farbton Anthrazit an einen Autosammler aus Russland verkaufte und das zweite, Schwarz lackierte Auto selbst behielt.

Das Präsentationsfahrzeug in Rot metallic vom Genfer Autosalon gehört bis heute Italdesign und erhielt nach dem Messeauftritt Motor und Getriebe, wodurch es auf der IAA 1993 und 1995 als fahrfähiges Auto gezeigt werden konnte. Es unterscheidet sich von den anderen beiden EB112 dadurch, dass die Rückleuchten knapp oberhalb des Kennzeichens in der Heckschürze sitzen. Zudem existiert wohl noch ein blau foliertes Clay-Modell in Italien, das einst für Pressebilder auch mal dunkles Grau trug. Einer Serienfertigung unter Leitung von Gildo Pastor stand letztlich der hohe Verkaufspreis von rund zwei Millionen US-Dollar pro Fahrzeug entgegen. Italdesign nutzte die vorhandene Basis für die ersten beiden Konzeptfahrzeuge EB118 und EB218, die man für die neu gegründete Firma Bugatti Automobiles unter VW-Leitung 1998 und 1999 erstellte.

Bilder: Bugatti Automobili