Bugatti – Drei unbekannte Modelle
Seitdem der Volkswagen-Konzern die Rechte an der Sportwagenmarke Bugatti kaufte und diese wiederbelebte, gab es erst zwei Serienfahrzeuge in Form von Veyron und Chiron sowie die streng limitierten Ableger Divo und Centodieci. Allerdings gab es hinter den Kulissen immer wieder Überlegungen zu einer Erweiterung der Modellpalette, wovon allerdings nur die Sportlimousine Galibier öffentlich auf Automessen und -veranstaltungen gezeigt wurde. Genauso wie einige weitere Projekte verwarf man jedoch auch hier eine Serienfertigung. Chefdesigner Achim Anscheidt und sein Team versuchen jedoch konstant die Marke voranzubringen und zeichnen daher neue Ideen auf Papier und am Computer. Für autoblog.com öffnete man exklusiv vor kurzem die Designabteilung und zeigte exklusiv drei Entwürfe, die in der Öffentlichkeit zuvor unbekannt waren. Während zwei nie den Übergang vom Designprojekt zum rollbaren Modell im Maßstab 1:1 geschafft haben, zeigt die Atlantic Studie ein mögliches Frontmotorcoupé neben dem Chiron.
Unter dem Namen Atlantic gab es bereits unter Ettore Bugatti einen Sportwagen, der auf dem Typ 57 basierte und lediglich vier Mal angefertigt wurde. Für die Monterey Car Week 2015 entwickelte Designchef Anscheidt ein neues Frontmotorcoupé mit diesem Namen. Passend zum historischen Vorbild sollte unter der langen Motorhaube ein Achtzylindermotor stecken, wodurch der Atlantic als exklusives Reisefahrzeug unterhalb des Chiron platziert worden wäre. Das Getriebe wäre in Transaxle-Bauweise an die Hinterachse verlegt worden. Trotzdem sollte ein Carbon-Monocoque und eine reine Zweisitzer-Konfiguration zum Einsatz kommen. Einige unsichtbar verbaute Komponenten hätte man dem großen Konzernbaukasten entnommen. Optisch nimmt der Atlantic einige Eigenheiten des Chiron wie beispielsweise die je vier eckigen LED-Scheinwerfer oder die betonte C-Linie auf. Allerdings entschied man sich bei den Türen für Schmetterlingstüren, die unten und oben an der A-Säule angeschlagen sind.
Alle Vorbereitungen für eine Weltpremiere des Atlantic waren bereits abgeschlossen. Selbst Poster mit Computer-Retuschen des Fahrzeugs, die unter anderem auch eine mögliche Cabrio-Variante zeigen, waren bereits gedruckt und zieren heute eine Wand im Bugatti Designzentrum. Aus welchem Grund heraus die Premiere von Pebble Beach auf einen anderen Zeitpunkt verschoben wurde, ist heute nicht mehr so ganz klar. Umso klarer ist hingegen, dass die Serienchancen aufgrund dieser Entscheidung auf null sanken. Nur einen Monat nach der Monterey Car Week kam es zur Enthüllung des Dieselskandals, der anfänglich in erster Linie den Volkswagen Konzern betraf und alle dazugehörenden Marken in Panik versetzte. Projekte, die viel Geld kosten würden, legte man sofort auf Eis. Selbst erfolgreiche Motorsportprogramme wie das von Audi in der WEC oder das von VW in der Rallye Weltmeisterschaft stoppte man so schnell es ging. Entsprechend verwundert es kaum, dass bei Bugatti das Projekt Atlantic in der Schublade verschwinden musste – oder im Falle des bereits aufgebauten Showfahrzeuges eben ein geheimes Autodepot um ein Exponat bereichert wurde. Wäre der Chiron zu diesem Zeitpunkt nicht bereits im finalen Entwicklungsprozess gewesen, hätten diese drastischen Maßnahmen vermutlich auch diesem Supersportwagen das technische Genick gebrochen.
Nie über Computerzeichnungen hinaus kam hingegen dieser rote offene Zweisitzer, der laut Achim Anscheidt auf dem Veyron Grand Sport basiert. Als Veyron Barchetta hätte dieses Fahrzeug in extrem limitierter Auflage auf den Markt kommen können. Interessanterweise zeigt der Wagen bereits einige Designmerkmale des Divo, der erst einige Jahre später debütierte. Dazu gehören die außergewöhnlichen Scheinwerfer mit LED-Tagfahrleuchten und die Grundform der Luftein- und -auslässe vorn und an den Fahrzeugseiten. Allerdings war das Heck noch deutlich konventioneller mit durchgehendem Leuchtenband gestaltet, während der Divo verschiedene LED-Stäbe zeigt. Passend zum Barchetta-Thema fiel die Windschutzscheibe kurz und weit herumgezogen aus. Alternativ wäre auch ein Roadster mit höherer Scheibe denkbar gewesen. Oberhalb der Kopfstützen finden sich die Luftsammler für das W16-Triebwerk, das wie im Veyron direkt hinter den Passagieren verbaut ist. Da jedoch alle 450 geplanten Veyron-Exemplare bereits vorbestellt waren und eine Ausweitung auf dieses Sondermodell daher nicht mehr denkbar war, fand eine Serienentwicklung nicht mehr statt. Zudem gab es unter dem damaligen Bugatti Chef Wolfgang Dürheimer niemanden, der entsprechende Kleinstserien befürwortet hätte, wie sie bei Lamborghini mit Fahrzeugen wie dem Sesto Elemento, Reventón oder Veneno praktiziert wurden. Erst als Stephan Winkelmann von Lamborghini zu Bugatti wechselte, änderte sich hier das Bild.
Mit ungefähr den gleichen Abmessungen wie die Atlantic Studie entstand ein weiteres Sportcoupé, das jedoch deutlich modernere Designzüge und zudem den W16-Motor aus dem Chiron erhalten hätte. Einen finalen Namen gab es zum Zeitpunkt der Projekteinstellung noch nicht. Daher hört dieser Wagen bis heute schlicht auf die Bezeichnung ‚W16 Coupé‘. Im Gegensatz zum Atlantic hätte es sich hierbei um ein reines Manufakturfahrzeug gehandelt, das keine Gleichteile aus dem Konzern enthalten hätte. Daher verwundert es nicht, dass Anscheidt den möglichen Verkaufspreis einer streng limitierten Serienversion auf „über 15 Millionen US-Dollar“ schätzte. Dieses Fahrzeug entstand ungefähr zum gleichen Zeitpunkt wie der Atlantic, wurde jedoch nicht als lebensgroße Studie umgesetzt. Stephan Winkelmann war bei seinem Eintritt in die Firma hingegen von den Entwürfen begeistert und ließ sich davon zum Projekt ‚La Voiture Noire‘ inspirieren, das in Kooperation mit einem VIP-Kunden aktuell auf Basis eines Chiron umgesetzt wird und in Form eines Konzeptfahrzeuges im vergangenen Jahr auf der Geneva International Motor Show (GIMS) debütierte.
Voraussichtlich zeigt Bugatti an gleicher Stelle in wenigen Tagen ein neues Projekt. Zumindest gab die Sportwagenmarke seit Anfang des Jahres einige kleine Hinweise dazu. Parallel zu Chiron, Divo und Centodieci könnte das Programm also auf bis zu vier limitierte Fahrzeuge ausgeweitet werden. Man darf immerhin davon ausgehen, dass dieses neue Projekt im Rampenlicht strahlen darf, was Atlantic, Veyron Barchetta und W16 Coupé verwehrt wurde.
Bilder: Bugatti, autoblog.com, Ronan Glon