BMW 3.0 Si Crayford Estate

Der Name ‚Touring‘ ist bei BMW eng mit Kombi-Karosserien verknüpft, richtig? Fast. Immerhin war das erste Fahrzeug mit dieser Bezeichnung lediglich ein dreitüriges Derivat der 02er Baureihe. Seit 1991 rollen unter diesem Beinamen Kombi-Versionen von 3er und 5er vom Band, wobei die 5er-Baureihe E34 den Anfang machte. Und doch ist dies nicht der erste Kombi in der Firmengeschichte von BMW. Bereits auf Basis der Modellreihe E3, die 2018 50-jähriges Jubiläum feiert, bauten die Münchener eine kleine Anzahl von Kombis, um das damalige Werksprogramm mit dem 2002 im Rallyesport zu begleiten.

Diese wenigen E3-Kombis werden von BMW allerdings nur bei genauer Nachfrage genannt und wohl im Anschluss an das Rallye-Engagement verschrottet. Zumindest sind sie heute nicht mehr bekannt. Dafür hatte sich die Existenz dieser praktischen Allrounder bis auf die britische Insel herumgesprochen, was in der Vor-Internet-Ära wohl hauptsächlich durch Sichtungen im Rahmen des britischen Rallye-Weltmeisterschaftslaufes geschehen ist. Über den damalig größten Händler und zugleich offiziellen Importeur Langley Motors unter Leitung von Thames Ditton erging ein Kleinserienauftrag an den Karosseriebauer Crayford Engineering in Westerham/Kent, um aus dem von Willi Hofmeister gezeichneten E3 Kombivarianten zu schneidern. Dabei hatten die Kunden die Wahl zwischen den angebotenen Motorvarianten 2500, 2800/2.8, 3.0 S und 3.0 Si. Ob eventuell auch ein Fahrzeug mit der Topmotorisierung 3.3 dabei war, ist heute nicht mehr nachweisbar. Insgesamt entstanden zwischen 1972 und 1975 je nach Quelle 10 bis 12 Estate Versionen. Kein Wunder, kostete doch bereits die Limousine rund das Doppelte im Vergleich zu ähnlich motorisierten Fahrzeugen aus britischer Produktion.

Wirklich hübsch ist das Ergebnis von Crayford nicht zu nennen. Um nicht zuviele Blechteile eigens anfertigen zu müssen, passte man am Heck die um rund 18 Zentimeter nach unten verlängerte Kofferraumklappe eines Austin Maxi ein, verlängerte das Dach mit einem seichten Bogen nach hinten (um die Klappe nicht nach oben verlängern zu müssen) und setzte hinter der C-Säule neue Seitenscheiben im Stil eines flachen Parallelogramms ein, die nicht wirklich zur rundlichen Linienführung passen wollen. Hinzu kam eine eher schluderige Qualität des Gesamtumbaus, die vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass Crayford diesen Auftrag unbedingt haben wollte und daher mögliche Mitbewerber im Preis unterbot. Neben den ungenauen Passformen verlor der E3 zudem einiges an Torsionssteifigkeit durch das Entfernen des versteifenden Blechbereiches hinter der Fondsitzbank zugunsten eines größeren Laderaumes. Um die verlorene Steifigkeit der Rückbank zurückzuerlangen, fertigte Crayford die Lehne aus Sperrholz nach.

Heute sind nicht mehr allzuviele Exemplare des Crayford E3 Estate bekannt. Das von uns hier gezeigte Fahrzeug war das insgesamt vierte, das von einem britischen Sammler gekauft wurde, nachdem er auf einem Teilemarkt eine Broschüre des Estate gefunden hatte, und leider das einzige davon, das halbwegs für eine Restaurierung taugte. Die anderen drei dienten dabei als Teilespender und Referenzobjekte für einige Abmessungen, wobei Crayford offenbar jedes Auto frei Hand baute und somit Abweichungen an der Tagesordnung waren. Insgesamt vergingen volle 14 Jahre bis dieser 3.0 Si Estate wieder im alten Glanz auf seinen Rädern stand. Vier Jahre davon stand der Wagen zur Wiederherstellung der Karosserie in Irland, wobei die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen des Besitzers entsprach. Anschließend schickte er ihn nach Illinois/USA, wo die Arbeiten zur vollsten Zufriedenheit erledigt wurden. Zur Vervollständigung kaufte man einen weiteren Crayford Estate in desolatem Zustand, an dem jedoch die handgearbeiteten Kleinteile allesamt vorhanden waren. Der 3.0 Si Estate erhielt eine Neulackierung im originalen Farbton ‚Polaris‘-Silber und eine dazu gut passende Innenausstattung in dunklem Blau mit schönem Holzfurnier am Armaturenbrett und an den Türverkleidungen.

Inzwischen bietet der britische BMW-Klassikerexperte Classic Heroes aus Buxted/Uckfield im Herzogtum East Sussex in Großbritannien den vermutlich letzten existierenden, gut erhaltenen BMW E3 mit Estate-Umbau von Crayford an. Dabei handelt es sich, wie oben bereits beschrieben, um einen 3.0 Si, der von einem drei Liter großen Sechszylinder-Reihenmotor mit Bosch D-Jetronic und 147 kW/200 PS angetrieben wird. Das maximale Drehmoment beträgt 272 Newtonmeter. Als Limousine erreichte diese Motorenvariante in 7,8 Sekunden Tempo 100 und war bis zu 211 km/h schnell, galt also zurecht als Sportlimousine. Der Estate dürfte etwas langsamer bei beiden Werten sein, da der Heckumbau zusätzliches Gewicht mitbrachte. Classic Heroes ruft 79.995,- GBP (rund 90.800,- €) auf.

Bilder: Classic Heroes, BMW