Bentley S2 Wendler Shooting Brake

Als baugleiche Modelle führten Rolls-Royce mit dem Silver Cloud und Bentley mit dem S1 im Jahr 1955 eine Luxuslimousine ein, deren Basis bis zum Ende der Produktion von Silver Cloud III und S3 im Jahr 1966 fast unverändert zum Einsatz kam. Dank separatem Chassis war es diversen Karosseriebaufirmen möglich, eigene Konzepte neben den Werkskarosserien zu verwirklichen. Vom Bentley S2 entstanden 57 Fahrzeuge mit langem Radstand, von denen sechs eine eigenständige Karosserie bekamen. Einer davon wurde 1960 über einen Agenten beim New Yorker Händler J.S. Inskip bestellt – unter der Adresse des New Yorker Yacht Club. Sehr ungewöhnlich, da normalerweise Name und Adresse des Erstbesitzers in den Büchern von Rolls-Royce und Bentley vermerkt wurden.

Chassisnummer LLBA9 wurde als nacktes Fahrgestell mit Lenkung auf der linken Seite und dem bekannten Achtzylinder-Motor mit 6,2 Litern Hubraum auf Wunsch des Bestellers nach Deutschland zur Firma Wendler Karosseriebau geschickt. Wendler ist eigentlich eher dafür bekannt, die Rohkarosserien für den Porsche 550 Spyder, 718 RSK und 718 RS61 sowie einige 356er hergestellt zu haben. Tätig war man jedoch bereits seit 1919 und erstellte diverse Stromlinienentwürfe für BMW, Ford und Mercedes-Benz. Für den mysteriösen, anonymen Bentley-Kunden baute man zuvor bereits einen Kombi auf Basis des Mercedes-Benz 300d ‚Adenauer‘ (W189). Werksseitig wurde ein solcher Kombi-Umbau damals abgelehnt.

Als Nachfolger für den Mercedes-Benz 300 Kombi wandte sich sein Besitzer erneut ans Werk in Stuttgart, scheiterte jedoch wieder. Daraufhin scheint ihm – vermutlich gemeinsam mit der Karosseriebaufirma Wendler – der Gedanke zu einem wirklichen Unikat gekommen zu sein: Ein Bentley mit Kombi-Karosserie. Für den Aufbau nutzte Wendler Teile der neuen Mercedes-Baureihe W111/W112, angefangen bei den Türen bis hin zu den Scheinwerfern. Dach, Motorhaube, Kotflügel und Heckklappe entstanden in Handarbeit, wobei hinten die kleinen Heckflossen des Mercedes erhalten blieben. Darunter sitzen jedoch die runden Rückleuchten eines Buick. Innen finden sich edelstes rotes Leder und feinstes Eichenholz, beispielsweise rund um die zentralen Instrumente und auf dem Kofferraumboden hinter der nach unten öffnenden Klappe. Dass man bereits in den 1960er Jahren praktisch dachte beweist die umklappbare Rückbank, die zu einer ebenen Ladefläche beiträgt.

Trotz seines extravaganten Fahrzeugs blieb der Besitzer tatsächlich anonym und spendete den Kombi schließlich nach einigen Jahren (natürlich anonym) einem Automuseum. Irgendwann in den 1970ern verkaufte das Museum den Wagen nach Übersee. In den 80ern gelangte er zurück nach New York. 2012 begann eine fast zweijährige Restaurierung bei der Firma Automotive Restorations Inc in Stratford/Connecticut. Nachdem der Wagen auf einigen Concours-Veranstaltungen in den USA gezeigt wurde, steht er nun bei Hyman Ltd zum Verkauf. Der Klassikerhändler ruft dabei 575.000 US$ (rund 493.795,- €) auf.

Bilder: Hyman Ltd