Bentley 4.5 Liter Blower
Wenn es einen Ausspruch von Walter Owen Bentley gibt, der bis heute bekannt ist, dann wohl diesen: „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Hubraum!“ Nach diesem Motto arbeiteten er und sein Team sowohl an den Straßenfahrzeugen als auch an den Rennwagen der Marke Bentley, die er vor exakt 100 Jahren begründete. Ende der Saison 1928 deutete sich an, dass der bis dahin genutzte Bentley 4½ Liter im Folgejahr nicht mehr konkurrenzfähig sein würde. Daraufhin entwickelten die Motorentechniker das Reihensechszylinder-Triebwerk weiter und vergrößerten es auf 6½ Liter. Erfolgreich, denn mit den entsprechend ausgerüsteten Rennwagen gewann das Werksteam die 24 Stunden von Le Mans 1929 und 1930.
Die damaligen Werksrennfahrer waren als ‚Bentley Boys‘ bekannt und aus heutiger Sicht eine Gruppierung von reichen Gentlemen mit schwerem Gasfuß. Einer von ihnen war Sir Henry Birkin, dessen Spitzname Tim weltweit im Gedächtnis geblieben ist. Er hielt nicht viel vom größeren Triebwerk, da es zusätzliches Gewicht mitbrachte. Stattdessen fragte er bei den Technikern nach der Verwendung der damals noch relativ neuen Kompressoren, um die Ansaugluft des 4½ Liter-Modells zu verdichten. In Eigeninitiative, finanziert durch Dorothy Paget, baute er Anfang 1929 seinen eigenen 4½ Liter mit einem Roots-Kompressor um. Zu diesem Zeitpunkt gehörte die Firma aufgrund finanzieller Probleme nicht mehr W.O. Bentley, sondern einem weiteren Bentley Boy, Woolf Barnato, den einige Leser möglicherweise vom berühmten Rennen gegen The Blue Train kennen. Zum Missfallen des Firmengründers – „einen Bentley-Motor mit einem Kompressor auszurüsten, heißt sein Design zu pervertieren und die Leistungsentfaltung zu beeinträchtigen“ – ließ Barnato fünf Exemplare des Bentley 4½ Liter Supercharged für Tim Birkin anfertigen, die dieser dann bei Motorsportveranstaltungen einsetzte. Um die damaligen Regularien zu erfüllen folgten zudem 50 straßenzugelassene Fahrzeuge für den freien Verkauf.
















Durch den Einbau des Kompressors stieg die Motorleistung des 4½-Liter-Triebwerks von 110 auf 175 PS. Ein Blower wurde später für den Einsatz auf der überhöhten Außenbahn der Rennstrecke in Brooklands vorbereitet, wofür eine Einsitzer-Karosserie und ein auf rund 240 PS leistungsgesteigerter Motor zum Einsatz kamen. Tim Birkin erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 222 km/h über die volle Runde, wobei er aufgrund der schlechten Fahrbahnbeschaffenheit mehrfach mit allen vier Rädern in der Luft war.
Erst einige Zeit später entwickelte sich der heute gebräuchliche Terminus ‚Blower‘ für die Rennwagen. Derweil erwies sich der Verkauf der Straßenfahrzeuge als Desaster, da der Verbrauch deutlich höher lag und zugleich die wichtige Versorgung aller Komponenten mit kühlendem Motoröl nicht immer gewährleistet war. Zudem blieben größere Rennerfolge des Blower aus. Abgesehen von der schnellsten Rennrunde beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1930 und einem zweiten Platz beim Grand Prix von Frankreich in Pau im gleichen Jahr konnte man nicht viel auf der Haben-Seite verbuchen, wodurch für die Straßenmodelle schließlich sogar der Preis von ursprünglich 1.475 auf 1.150 Pfund gesenkt werden musste, um die Lagerbestände abzubauen. Heute gehören die 55 Blower Bentley hingegen zu den gesuchten Sammlerfahrzeugen.
Bilder: Bentley, Matthias Kierse, Kay Andresen