50 Jahre Mercedes-Benz 300 SEL 6.8 AMG
Mercedes-AMG ist heutzutage als 100%ige Tochtermarke der Daimler AG für die sportlichen Modellableger aus Stuttgart zuständig. Ob jedoch viele Fahrer der modernen Fahrzeuge die Hintergründe der Firma kennen, darf bezweifelt werden. Selbst die Bedeutung der Abkürzung AMG ist vielerorts in Vergessenheit geraten. Dabei gibt sie Auskunft über die Firmengründer und den Ort, wo alles begann: Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher gründeten AMG am 1. Juni 1967 in Großaspach östlich von Ludwigsburg. In den ersten Jahren widmete man sich gezielt dem Tuning von Motoren, wobei das Hauptaugenmerk auf Fahrzeugen von Mercedes-Benz lag. Durch eigens entwickelte Zylinderköpfe, schärfere Nockenwellen, feingewuchtete Kurbelwellen und ähnliche klassische Mittel der mechanischen Bearbeitung erzielte AMG deutlich höhere Motorleistungen. 1976 zog die inzwischen deutlich gewachsene Firma nach Affalterbach um.
Tuning war für Mercedes-Benz undenkbar
Ab 1990 gab es einen Kooperationsvertrag mit Mercedes-Benz, durch den gemeinsam entwickelte Modelle über das offizielle Händlernetz der Stuttgarter Marke vertrieben wurde. In der Folgezeit übernahm die Daimler AG im Jahr 1998 und 2005 die Firma erst anteilig und dann komplett. Durch eine Umbennung auf Mercedes-AMG GmbH wird deutlich, dass eine direkte Verbindung zu Mercedes-Benz und der Daimler AG besteht. Diese erfolgreiche Partnerschaft war in den 1960er und 70er Jahren indes noch nicht denkbar. Tuning und Leistungssteigerungen waren für die schwäbische Marke mit dem Stern auf dem Kühler undenkbare Mittel. Das angestrebte Kundenprofil waren eher Herren im gesetzten Alter, die in den oberen Etagen der großen Industrieunternehmen arbeiteten. Alternativ war man auch um gekrönte Häupter oder Regierungsfuhrparks bemüht. Umso mehr erstaunte die Markteinführung des 300 SEL 6.3, dessen Zusatzzahlen auf den Hubraum des riesigen V8-Triebwerks hinwiesen. Trotz Komfortfahrwerks konnten die Besitzer mit dieser Limousine Porsche-Fahrer ärgern.
Rennversion des 300 SEL 6.3 von AMG
Bei AMG entdeckte man schnell die schlummernden Reserven dieser Sportlimousine. Ab Werk standen 184 kW/250 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment bereit. Sie sorgten für eine Beschleunigungszeit aus dem Stand auf Tempo 100 in 6,5 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Durch klassisches Motorentuning fand AMG nicht nur versteckte Leistung, man erhöhte zudem den Hubraum relativ problemlos um einen halben Liter. Laut offiziellen Angaben stieg damit die Leistungsangabe auf 315 kW/428 PS und 620 Newtonmeter. Damit rannte die Limousine bis zu 265 km/h schnell. Neben reinen Straßenfahrzeugen entwickelte das Team um Aufrecht und Melcher auch eine Rennversion. Diese erhielt knallroten Lack, einige Sponsorenaufkleber, Zusatzscheinwerfer und einen Überrollkäfig. So ausgerüstet ging es zum 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa am 24. und 25. Juli 1971. Zwei Jahre zuvor hatte AMG einen ersten Anlauf gestartet, aber mit Reifenproblemen nach drei Runden beendet. Entsprechend stark grinsten die Konkurrenten.
Bericht in der Tagesschau
Allerdings hatte man die Rechnung ohne das AMG-Team gemacht. Dieses hatte dem 300 SEL 6.8 nämlich nicht nur mehr Leistung verpasst, sondern auch an Bremsen und Fahrwerk gedacht. Zudem erleichterte man die „Rote Sau“ umd rund 195 Kilogramm im Vergleich zum Serienauto. Die Streckenführung des damals noch 14,863 Kilometer langen Ardennen-Rundkurses lag dem AMG bestens. Am Ende des Rennens standen ein sensationeller zweiter Platz in der Gesamtwertung und ein Klassensieg in der Ergebnisliste. Dies führte dazu, dass AMG sogar in der Tagesschau Erwähnung fand. Nach wenigen weiteren Renneinsätzen verkaufte AMG die „Rote Sau“, deren Spur sich leider verloren hat. 2006 baute Mercedes-Benz eine detailgetreue Replika auf, die bei vielen Oldtimer-Events zu sehen ist. Zudem entstand 2010 ein damals aktueller S 63 AMG in dieser Optik, gefolgt von einem SLS AMG GT3 für die 24 Stunden von Spa 2011. Auch 2021 startet ein Mercedes-AMG GT3 in dieser Farbgebung in Spa-Francorchamps.
Bilder: Mercedes-Benz
