70 Jahre Porsche – Die Nummer 1

Geschichtlich betrachtet ist der 8. Juni 1948 nicht der Beginn der Story ‚Porsche‘. Allerdings waren alle Entwicklungen vorher höchstens im Beinamen mit dem Familiennamen von Dr. Ing. hc. Ferdinand Porsche versehen. Vielfach war er sogar nur im Hintergrund beteiligt wie bei Austro-Daimler, den Kompressor-Sportwagen von Mercedes-Benz oder dem Auto Union Typ D Grand-Prix-Rennwagen. Selbst der Volkswagen Käfer ist zwar unzweifelhaft mit der Familie Porsche verknüpft, trug aber nie diesen Namen. Gerüchtweise trug der Volkswagen Typ 60 K10 ‚Berlin-Rom-Wagen‘ (in anderen Quellen auch gern als Porsche Typ 64 bezeichnet) einen Porsche-Schriftzug, doch diesen erhielt er erst nach dem Krieg im Zuge einer Unfallreparatur durch den Rennfahrer Otto Mathé.

Somit begann die Story der Firma Porsche als Sportwagenproduzent tatsächlich erst in den späten 1940er Jahren. Und da in den Wirren der frühen Nachkriegszeit wohl selbst innerhalb der sonst so peniblen Porsche-Familie niemand genau mitgeschrieben hat, wann genau Ferry in der Garage im österreichischen Gmünd die ersten Teile für einen Sportwagen zusammenfügte, ist der Tag des Erhalts der Betriebserlaubnis definitiv ein guter Kompromiss, mit dem wohl jeder Markenfan leben kann. Bekannt ist lediglich, dass der Spenglermeister Friedrich Weber damals rund zwei Monate benötigte, um die Karosserieteile aus Aluminium über eigens angefertigten Holzböcken in die von Ferry gewünschte Form zu bringen. Seither steht also der Markenname in den Zulassungspapieren – und das bei inzwischen reichlich unterschiedlichen Modellreihen.

Dieser allererste Porsche vom Typ 356 unterscheidet sich von seinen späteren gleichnamigen Modellgeschwistern von außen nur leicht, technisch jedoch deutlich. Ferry Porsche sah bei diesem zweisitzigen Roadster ohne Dach tatsächlich eine Mittelmotorbauweise vor und verbaute den vom Volkswagen entliehenen Vierzylinder-Boxermotor mit einer Leistungssteigerung auf 26 kW/35 PS mittig in einem Gitterrohrrahmen mit den Achsen des VW. Dank eines Leergewichts von nur 585 Kilogramm erreichte die Nummer 1 bis zu 140 km/h Höchstgeschwindigkeit. Dieses Grundkonzept wurde fünf Jahre später für den 550 Spyder modifiziert aufgegriffen, schaffte es jedoch 1948 noch nicht in die Serienfertigung. Diese wurde parallel zur Fertigstellung des Roadsters vorbereitet. Allerdings ging man für die Serienfahrzeuge auf das vom Käfer bekannte Konzept mit Stahl-Fahrgestell und Heckmotor zurück.

Um den Bau weiterer Sportwagen zu finanzieren verkaufte Porsche das Unikat an den Autohändler Rupprecht von Senger in Zürich, der ihn an den allerersten Porsche-Kunden weltweit weiterveräußerte. Es folgten weitere Besitzer und einige Schönheitskorrekturen am Fahrzeug, ehe Porsche den Roadster im Jahr 1953 zurückkaufen konnte. Seither gehört er zur werkseigenen Fahrzeugsammlung und wird wahlweise im Museum in Zuffenhausen oder bei ausgesuchten Events weltweit gezeigt. Da diverse Umbauten und Modifikationen im Rahmen einer umfangreichen Restaurierung nicht beseitigt wurden, steht die Nummer 1 heute nicht mehr in jener Form vor den Betrachtern, die sie 1948 einmal hatte.

Zum runden Markenjubiläum entschied man sich daher nun ein rollfähiges Showcar ohne Motor zu bauen, das sowohl bei den verwendeten Materialien als auch bei den zum Einsatz gekommenen Techniken dem 70 Jahre alten Original so nahe wie möglich kommt. Hierfür wurde das Vorbildfahrzeug mit einem 3D-Scanner abgetastet und digitalisiert. Am Computer konnte man dann die Daten über die ebenfalls eingescannten originalen Baupläne und historische Fotos legen, wodurch zahlreiche Abweichungen aufgedeckt wurden. So lief die Karosserie im hinteren Bereich einst schmaler aus und die Front trug eine abgerundete Spitze. Der ehemals einteilige, hinten angeschlagene Deckel über Motor und hinterem Kofferraum wich irgendwann einer zweiteiligen Lösung, vermutlich aus Bequemlichkeit.

Nachdem eine computergesteuerte Fräse die als original angesehene Form aus einem Hartschaumblock herausgeschält hatte und dieses lebensgroße Abbild als final abgenickt wurde, entstanden wie damals auf Holzlehren von Hand geformte Aluminiumbauteile für eine originalgetreue Replik. Durch Farbproben unterhalb des Armaturenbretts an Nummer 1 konnte man sogar den einstigen Farbton bei der Weltpremiere im Rahmenprogramm einiger Rennen in Innsbruck herausfinden und lackierte die fertiggestellte Karosserie in dem entsprechenden Grau. Im Interieur finden sich Teppiche in der korrekten Knüpfung und Instrumente mit passenden Ziffernblättern. Während vorn originalgetreu eine Käfer-Achse verbaut ist, besteht die Hinterachse aus einem einfachen Rohr. Fahren soll die Replik nämlich nicht. Stattdessen stellt es den Beginn von Porsche plastisch dar. Damit begonnen hat es in der Ende Mai beendeten 70-Jahre-Ausstellung im Berliner Drive Forum der Volkswagen Group. Am jetzigen Wochenende steht es in Südafrika beim Sportscar Together Day an der ehemaligen Formel-1-Rennstrecke von Kyalami und ab Mitte Juli im Porsche Museum in Zuffenhausen. Auch die echte Nummer 1 ist auf Reisen, besucht beispielsweise im Juli das Festival of Speed in Goodwood und im September das Luxury & Supercar Weekend im kanadischen Vancouver.


Seit heute gibt es zudem im Porsche Museum in Stuttgart Zuffenhausen die Sonderausstellung ’70 Jahre Porsche Sportwagen‘, bei der die Besucher bereits auf dem Weg in die Ausstellung durch den 356 Nummer 1 begrüßt werden. Auch außen an der Fassade des futuristischen Gebäudes weisen die Schwaben stolz auf ihr Firmenjubiläum hin. In der Sonderausstellung selbst zeigt man anhand von besonderen Entwicklungen der vergangenen sieben Jahrzehnte den Ideenreichtum und die Innovationsfreude der Marke auf. Den Abschluss bildet die Konzeptstudie Mission-E, die einen Ausblick auf kommende elektrifizierte Sportwagen erlaubt. Bis zum 6. Januar 2019 haben Fans und Freunde der Marke Zeit, sich diese besondere Ausstellung anzusehen.

Bilder: Porsche, Markus Leser, Matthias Kierse