60 Jahre Lancia Flavia

Im November 1960 stellte Lancia auf dem Turiner Autosalon die Flavia erstmalig vor. Zwei Jahre später gesellten sich zur Berlina getauften Limousine drei weitere Karosserievarianten hinzu. Alle vier Versionen richteten sich an Kunden der Oberen Mittelklasse und boten den von Lancia gewohnten Luxus und Komfort. Zugleich läutete die Marke mit der Flavia den Einzug des Vorderradantriebs in allen folgenden Modellen ein. Unter der Motorhaube steckte erstmalig seit 1919 wieder ein Triebwerk, bei dem die Zylinder nicht im V-Format angeordnet waren. Anstelle eines klassischen Reihenmotors handelte es sich indes um einen Vierzylinder-Boxermotor. Dieser hatte im Laufe der Produktion zwischen 76 und 125 PS aus 1,5, 1,8 oder zwei Litern Hubraum (letzteres ab 1969).

Konservatives Design zu Beginn

Das technische Konzept der Flavia entstand wie das der drei Jahre später präsentierten Fulvia noch intern bei Lancia. Alle Nachfolger und parallel gebauten Modellreihen entstanden nach der Übernahme durch den Fiat-Konzern 1969 mit deren Unterstützung. Motor und Antriebskonzept gingen dabei auf Dr.-Ing. Antonio Fessia, den damaligen technischen Leiter von Lancia zurück. Dieser hatte bereits 1947 in Diensten der Firma CEMSA Caproni die Limousine F11 mit sehr ähnlichen technischen Merkmalen auf dem Pariser Autosalon präsentiert. Dieses Fahrzeug ging jedoch nie in Serie. Die Lancia Flavia Berlina erhielt derweil eine Karosserieform, die bereits bei ihrer Weltpremiere als ‚altbacken‘ und ‚konservativ‘ bezeichnet wurde. Ähnlich verhielt es sich mit der durchgehenden Sitzbank vorne und dem dadurch an die Lenksäule verlegten Schalthebel sowie dem Fahrwerk mit Blattfedern. Im Mai 1967 erschien die Flavia Serie 2 mit komplett neu gestalteter Karosserie und neuem Interieur.

Wie man ein etwas fortschrittlicheres Design erstellt zeigten ab 1962 gleich drei Karosseriebauer. Für das Coupé zeichnete Pininfarina verantwortlich, den Flavia Sport gestaltete Zagato und das viersitzige Cabriolet stammte aus einer Kooperation von Michelotti und Vignale. Alle drei Varianten nutzten als Basis die zwischen den Achsen 12 Zentimeter gekürzte Plattform des Flavia und boten somit etwas weniger Platz im Fond. Anfänglich zeigte das Coupé eine ähnliche Gestaltung der Scheinwerfer wie die Berlina. 1969 erfolgte eine umfangreiche Modellpflege, die auch wieder Designanleihen an der zweiten Serie der Berlina nahm. Durch eine Gewichtsersparnis von rund 200 Kilogramm im Vergleich zur Limousine stieg die Höchstgeschwindigkeit der größten Motorisierung hier auf 185 km/h.

Vorreiter der Einspritztechnik

Der Flavia Sport mit Zagato-Karosserie aus Aluminium konnte diesen Wert sogar noch toppen und diente daher einigen Rennfahrern als Einsatzgerät. Als außergewöhnliche Details verfügte er über am Dach angeschlagene hintere Seitenscheiben und eine spaltbreit öffnende Heckscheibe. Wie das Cabriolet entfiel auch der Sport nach dem Modelljahr 1967 aus dem Programm. Während die allermeisten Mitbewerber zu dieser Zeit noch ausschließlich auf Vergasertechnik setzten, erhielten der 1800 ab 1965 und der 2000 ab 1969 optionale Iniezione-Varianten mit mechanischer Kugelfischer-Einspritzanlage. Dies gab es sonst eigentlich nur im Motorsport und bei besonders sportlichen Straßenautos wie dem BMW 2002 tii. Bis 1970 entstanden insgesamt 41.114 Exemplare der Flavia. Nachdem Fiat Lancia übernommen hatte wandte man sich von den römischen Modellnamen für lange Zeit ab. Erst 2012 erschien eine neue Flavia, die jedoch nichts anderes als ein Chrysler 200 mit aufgeklebten Lancia-Logos war. Nach nur zwei Jahren stellte man den Import dieses US-Fahrzeugs wieder ein und ließ kurz darauf die altehrwürdige Marke Lancia außer in Italien komplett aus der automobilen Neuwagenwelt verschwinden.

Bilder: Lancia