60 Jahre Ferrari 250 GT SWB

1952 führte Ferrari die Modellfamilie 250 ein. Verschiedenste Ableger nutzten die Italiener im Rennsport, andere, wie der 250 GT/L ‚Lusso‘ oder der 250 California Spyder richteten sich an die Schönen und Reichen. 1959 debütierte auf dem Pariser Autosalon schließlich der 250 GT Berlinetta ‚Passo Corto‘, den man heute eher unter der Abkürzung ‚SWB‘ für Short Wheel Base (kurzer Radstand) kennt. Hierfür entwickelte man ein neues Rohrrahmen-Fahrgestell aus ovalen Stahlrohren mit der Bezeichnung Tipo 593 und einem um 200 Millimeter gekürzten Radstand, der nun glatte 2,4 Meter betrug. Anfänglich gab es nur die ‚Competizione‘ genannte Variante für Motorsporteinsätze, die von außen durch die ab Werk fehlenden Stoßstangen und Schiebe- anstelle von Kurbelfenstern zu erkennen ist und zudem Aluminiumkarosserien aufweisen. 1960 schob Ferrari die ‚Lusso‘-Version für Privatkunden ohne Rennsportambitionen nach, dessen Karosserie aus Stahlblech bestand, während Türen und Hauben aus Aluminium gefertigt wurden. Allerdings nutzten viele Besitzer ihre Autos trotzdem bei Motorsportveranstaltungen, da selbst das höhere Gewicht der Lederausstattung und Stoßstangen die Wettbewerbsfähigkeit nicht allzusehr einschränkte. Der ‚Lusso‘ war zudem nötig, um den ‚Competizione‘ offiziell zu homologieren.

Vorn hängen die Räder an doppelten Dreiecksquerlenkern mit Schraubenfedern und hydraulischen Teleskopstoßdämpfern, die von Koni oder Miletto stammten sowie einem Querstabilisator. Eine an Längslenkern geführte Starrachse mit längs verbauten, halbelliptischen Blattfedern und Teleskopstoßdämpfern hält die Hinterräder. Unter der langen Motorhaube sitzt eine Weiterentwicklung des von Giacomo Colombo entwickelten V12-Triebwerks mit 2.953 Kubikzentimetern Hubraum und einem Zylinderbankwinkel von 60° mit je einer obenliegenden, per Kette angetriebener Nockenwelle pro Seite. Während im ‚Lusso‘ drei Weber-Doppelvergaser genutzt wurden, waren es im ‚Competizione‘ sogar sechs. Somit liegt die Leistung zwischen 177 kW/240 PS und 216 kW/293 PS in den finalen Wettbewerbsfahrzeugen. Diese erschienen 1961 als Weiterentwicklung des ‚Competizione‘ und laufen werksintern als ‚Competizione/61‘, sind unter Markenfans jedoch eher als ‚SEFAC Hot Rod‘ bekannt. SEFAC ist die Abkürzung für ‚Scuderia Enzo Ferrari Automobili Corsa‘. Neben der höheren Motorleistung senkte man durch geringere Wandstärken der Rohre im Rahmen sowie dünnere Aluminiumbleche für die Karosserie das Gewicht ab. Seiten- und Heckfenster bestanden aus Kunststoff.

Direkt ab Anfang 1960 begann das Werksteam damit, den 250 GT ‚Passo Corto Competizione‘ erfolgreich im Motorsport einzusetzen. Willy Mairesse und Wolfgang Seidel errangen den ersten Sieg für diesen Wagentyp beim Grand Prix de Spa in Belgien. Es folgten im gleich Jahr ein Klassensieg nebst den Rängen zwei bis vier bei den 24 Stunden von Le Mans, ein Gesamtsieg bei der Tour de France für Automobile sowie ein Sieg beim 1000-Kilometer-Rennen von Paris. Im Folgejahr gewannen die ‚SEFAC Hot Rod‘-Modelle unter anderem die GT-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans und die RAC Tourist Trophy. Letztere Veranstaltung hatte Sir Stirling Moss bereits 1960 gewonnen, wodurch sein Name sehr eng mit dem 250 GT SWB verknüpft ist. Weitere bekannte Rennfahrer, die den Wagen erfolgreich bewegten, waren Lucien Bianchi, Olivier Gendebien, Pierre Dumay, Fernand Tavano oder Georges Berger. 1961 errang Ferrari mit dem 250 GT SWB den Herstellertitel der Sportwagen Weltmeisterschaft. Privatfahrer nutzten den ‚Passo Corto‘ noch lange weiter, während das Werksteam ab 1962 auf den neu entwickelten 250 GTO umstieg.

Insgesamt entstanden 167 Exemplare des Ferrari 250 GT SWB in allen Variationen. Davon entfielen rund 45 auf den ‚Competizione‘, etwa 20 auf den ‚SEFAC Hot Rod‘ und knapp 100 auf den ‚Lusso‘. Wer nun zusammenrechnet stellt eine Differenz fest und liegt damit richtig. Während die oben genannten Versionen allesamt bei Scaglietti eingekleidet wurden, gingen auch einige Fahrzeuge und Fahrgestelle an externe Karosseriebauer. So erstellte Pininfarina insgesamt sechs Coupés, Giorgio Giugiaro als Designchef bei Bertone weitere zwei. Nachträglich entstanden zudem Einzelstücke wie der ‚Breadvan‘, ein Coupé von Drogo (Carrozzeria Sportcars) sowie je ein GT und ein Spyder von Nembo (Neri e Bonacini) sowie möglicherweise ein zweisitziges Cabriolet von Zagato. Beim 250 3Z sind sich die Experten allerdings nicht einig, ob das Chassis ursprünglich von einem Berlinetta SWB oder gar von einem California Spyder stammte.

Heute zählt der 250 GT Berlinetta SWB zu den teuersten Serienmodellen aus dem Hause Ferrari und findet weltweit Begehren. Im Rahmen des Salon Privé am Blenheim Palace nördlich von Oxford vom 5. bis 8. September feiert man diesen besonderen Sportwagen mit einer eigenen Klasse beim Concours d’Elegance. Acht Exemplare konkurrieren um den Klassensieg. Den Anfang macht das rechtsgelenkte Auto mit der Chassisnummer 3037 im typisch roten Farbkleid, das die meisten Fans mit Ferrari verknüpfen. Dieser ‚Lusso‘ erhielt ab Werk diverse Ausstattungsmerkmale des ‚Competizione‘, beispielsweise die Rennsitze oder den Tankschnellverschluss. 1961 erfolgte eine Umlackierung auf dunkelgrau, ein Jahr später eine weitere auf Blau. Abgesehen von kurzen Abstechern nach Europa und in die USA blieb dieses Auto durchgehend in Großbritannien und erhielt vor einigen Jahren seine originale Farbe zurück.

Als zweites Auto kündigten die Organisatoren des Salon Privé die Chassisnummer 2009 an, die 1960 vom relativ bekannten Privatrennfahrer Graham Whitehead beim Händler Maranello Concessionaires Ltd. bestellt wurde. Er und spätere Besitzer errangen mit dem Wagen diverse Podestplatzierungen. 2015 erfolgte bei Ferrari Classiche in Maranello eine umfangreiche Restaurierung inklusive Classiche Zertifikat. Weitere sechs außergewöhnliche Exemplare der Baureihe gesellen sich dazu.

Bilder: Ferrari, Salon Privé