40 Jahre Donkervoort

Wenn man an die Niederlande denkt, kommt man normalerweise nicht direkt auf das Thema ‚Automobilbau‘. Und doch gibt und gab es in unserem Nachbarland immer wieder entsprechende Hersteller – erstaunlich oft im Sportwagensektor. Einer davon hat seinen Sitz in Lelystad, Hauptstadt der Provinz Flevoland im Norden der Niederlande. Bereits in jüngster Kindheit fand Joop Donkervoort Gefallen am Motorsport, als er mit einem Freund seines Vaters zum Formel-1-Rennen in Zandvoort gehen durfte. Nach seiner Schulzeit in Großbritannien, wo er die Leichtbausportwagen von Lotus aus nächster Nähe erlebt hatte, gründete er seine eigene Sportwagenmarke und fertigte ein zweisitziges Fahrzeug im Stil des Lotus Seven.

Als Donkervoort S7 entstanden zwei Prototypen im Gründungsjahr 1978 und standen im folgenden Januar auf dem Autosalon in Brüssel. Joop erhoffte sich von diesem Messeauftritt einen schnellen und erfolgreichen Einstieg in den Automarkt, musste jedoch schnell lernen, wie naiv er damit gewesen war. Erst nach der Messe kamen sukzessive Bestellungen herein. Während im S7 ein 1,6 Liter großer Ford-Vierzylinder für den Vortrieb sorgte, wechselte man für den kurz darauf präsentierten S8 mit breiterer Spur vorn auf ein zwei Liter großes Triebwerk mit 110 PS. Ab 1985 lief parallel der S8A mit Einzelradaufhängung hinten anstelle der bis dahin verwendeten Starrachse im Programm. Zudem erhielt dieses Modell ein neues Chassis aus miteinander verklebten und vernieteten Aluminiumpaneelen, einer neuen Fertigungsmethode im Automobilbau. Als durch die Einführung des Katalysators Ende der 80er die Leistung sank anstatt zuzunehmen, verbaute Donkervoort auf Wunsch einen Turbolader, erzielte damit 170 PS und nannte das Ergebnis S8AT.

Zum zehnten Firmenjubiläum brachte Donkervoort 1988 das bis heute radikalste Konzept auf die Straße, den D10. Lediglich zehn Exemplare dieses scheiben- und dachlosen Sportwagens mit seinem 190 PS starken Turbotriebwerk rollten aus der Produktionshalle heraus – heute sind nur noch sieben bekannt. Ein Jahr nach dem Debüt auf dem Pariser Autosalon stellte der französische Importeur mit 4,85 Sekunden einen neuen Weltrekord für Serienfahrzeuge beim Sprint aus dem Stand auf 100 km/h auf und machte Donkervoort dadurch einer nochmals größeren Öffentlichkeit bekannt. Der D10 war das erste Modell der Markengeschichte, bei dem über den vorderen Rädern kein geschwungener Kotflügel im Vorkriegsstil mehr saß, sondern ein eng anliegendes Bauteil mit Inspirationen von Motorradkotflügeln.

Fünf Jahre nach dem D10 folgte der komplett neu entwickelte D8 als Nachfolgemodell für die S8-Baureihe. Er erhielt den neuen, 140 PS starken Ford-Zetec-Motor mit deutlich weniger Gewicht, was sich als Konzept auch bei der nun aus Aluminium bestehenden Getriebeglocke und im Chassis wiederfand, in dem erstmals kohlefaserverstärkter Kunststoff zum Einsatz kam. Insgesamt konnten im Vergleich zum Vorgänger rund 50 Kilogramm eingespart werden. Am Heck entfiel das bis dahin obligatorische, sichtbare Ersatzrad. Neben der Sportvariante mit ‚Cycle Wings‘ gab es eine Classic-Version mit den klassischen, langen Kotflügeln. Dies wurde auch beim 1995 eingeführten D8 Cosworth mit 220 bis 280 PS starkem Turbomotor fortgesetzt.

Gegen Ende der 1990er Jahre wollte Joop Donkervoort die Ford-Triebwerke gegen modernere Motoren austauschen. Er sah sich auf dem Markt um und kam auf Audi, die zu dieser Zeit einen leichten und kräftigen V6 im Programm führten. Er schrieb einen Brief an den damaligen Audi-Chef Franz-Josef Paefgen, den er unabhängig davon während des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring traf. Dort besah sich Paefgen einen Donkervoort genauer und war durchaus angetan. Am folgenden Montag fand er dann den Brief auf seinem Schreibtisch und stimmte einer Zusammenarbeit zu. Gemeinsam entwickelte man den D20. Allerdings wurde Paefgen 2002 zum Bentley-Chef befördert. Seine Nachfolger an der Spitze von Audi wollten zwar die Kooperation mit Donkervoort fortführen, allerdings mit dem 1,8 Liter großen Vierzylinder-Turbomotor als Basis. Hierfür entwickelten die Niederländer das D8-Chassis deutlich weiter und führte schließlich den D8 Audi erfolgreich ein. Im Laufe der Zeit gab es Leistungsstufen von 150 bis 270 PS. Nachdem der damalige deutsche Importeur Michael Düchting 2004 und 2005 Rekordrunden auf der Nürburgring Nordschleife gesetzt hatte, brachte man den auf 25 Exemplare limitierten D8 270 RS auf den Markt.

Bis hierhin glichen alle Modelle noch sehr dem legendären Lotus Seven. 2007 auf dem Genfer Autosalon stand indes ein Fahrzeug, das lediglich durch das Konzept der freistehenden Vorderräder an das einstige britische Vorbild erinnerte. Der Donkervoort D8 GT war das erste und bis heute einzige geschlossene Fahrzeug der Markengeschichte und resultierte aus Gesprächen von Joop Donkervoort mit internationalen Sportwagenfahrern, die ihn überzeugt hatten, dass wirkliche Hochleistungssportwagen eigentlich immer Coupés waren. Soweit nicht falsch, allerdings ging es bei diesem Gedanken üblicherweise um deutlich schwerere und größere Fahrzeuge, die als Cabrio an Steifigkeit einbüßen. Die kleinen und leichten Konzepte von Donkervoort sind jedoch von Anfang an als offene Roadster geplant. Abgesehen von Erfolgen im Motorsport – beispielsweise dem Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Dubai – blieb der D8 GT aus finanzpolitischer Sicht ein Flop. Er bereitete aber den Weg für alle folgenden Modelle.

Seit Ende 2011 rollen in Lelystad ausschließlich Modelle der neuen Baureihe ‚D8 GTO‘ aus den Hallentoren. Verglichen mit dem Vorgängermodell D8 fällt nicht nur ein modernisiertes Design ins Auge, auch die Technik und das Chassis wurden komplett erneuert. Erstmals erhielt man eine Europäische Kleinserienhomologation (European Community Small Series Type Approval). Unter der Haube sitzt nun der 2,5 Liter große Fünfzylinder-Turbomotor von Audi. Auf dieser Basis erschien im April 2016 der GTO-S und schließlich im Dezember 2016 der GTO-RS mit einem mehr als 400 PS starken Triebwerk.

Am vergangenen Samstag feierte Donkervoort in Lelystad das 40-jährige Markenjubiläum. Bei bestem Wetter trafen rund 120 Fahrzeuge aus allen Baureihen ein, die sich zum einen im ‚Donkervoort Concours d’Elegance‘ den strengen Augen einer Fachjury unter Leitung von Firmengründer Joop Donkervoort stellten und zum anderen auf Wunsch an einer kleinen Ausfahrt teilnehmen konnten. Für alle Fahrer und Fans gab es zudem ein kulinarisches Angebot an Food Trucks, Stände von Partnerbetrieben sowie die Möglichkeit bei kurzen Werksführungen einen kleinen Einblick hinter die Kulissen zu erhalten. Dabei ging es durch diverse Arbeitsbereiche, begonnen an der Station, wo das Rohrrahmenchassis verklebt und verlötet wird. Aufgrund der geringen Wandstärken der Metallstücke würden sie beim klassischen Schweißen zuviel Verzug aufzeigen. Auch die Tanks, Ladeluftkühler und Auspuffanlagen entstehen im eigenen Haus. Ebenso verhält es sich mit den Carbon-Bauteilen, die in einem hauseigenen Autoklaven unter Vakuum gebacken werden. Selbst für die von Audi zugelieferten Motoren fertigt man eigene Teile wie das Ansaugsystem oder Halterungen und Rollen des Zahnriemens. Durch die von Bosch speziell für Donkervoort entwickelte Motorsoftware erreicht man zudem mehr Leistung als ab Werk.

Nach der Preisverleihung des Concours d’Elegance führte ein Moderator gemeinsam mit Joop und Denis Donkervoort gekonnt durch die 40-jährige Markenhistorie, wobei immer wieder Anekdoten eingeflochten wurden. So dankte Joop seiner Ehefrau für das Durchhalten in der entbehrungsreichen Zeit kurz nach der Firmengründung, als Bestellungen ausblieben und er an seinem Traum festhielt. Den Abschluss bildete schließlich die Präsentation eines auf 40 Exemplare limitierten Jubiläumssondermodells, des D8 GTO-40. Es erhält eine verbesserte Aerodynamik, Carbon-Felgen sowie auf Wunsch erstmals eine ultraleichte Klimaanlage.

Bilder: Matthias Kierse