40 Jahre Audi quattro

in Fahrzeug, das eigentlich nie geplant war und schließlich maximal als Sonderedition aufgelegt werden sollte, wurde zum großen Erfolg und einem der berühmtesten Autos mit vier Ringen im Kühlergrill. Die Rede ist vom Audi quattro, der 1980 auf den Markt kam und ganz nebenbei die Rallye Weltmeisterschaft auf den Kopf stellte. Viel wurde in den 40 Jahren, seitdem er das Straßenbild ergänzt hat, über ihn geschrieben. Das Allermeiste davon dürfte tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Der Audi quattro bereicherte den Fahrzeugmarkt mit einer völlig neuen Gattung: Großserien-PKW mit permanentem Allradantrieb.

Bis zu seinem Debut auf dem Genfer Salon 1980 hatte es lediglich einige Kleinserienfahrzeuge mit dieser Antriebstechnik gegeben, darunter unter anderem den Jensen Interceptor FF. Außerdem hatten sich einige Rennwagenbauer wie zum Beispiel Bugatti und Lotus an der Technik versucht und natürlich gab es bereits Geländefahrzeuge, die mit zuschaltbarem oder permanentem Allradantrieb erhältlich waren. Aber ein ganz normaler PKW? Wer soll denn sowas kaufen? Soviele Oberförster gibt es doch gar nicht. So dachten zumindest die allermeisten Hersteller bis in die 1970er Jahre. Auch Audi hätte vermutlich diese Denkweise beibehalten, hätte nicht Versuchsleiter Jörg Bensinger bei Winterversuchsfahrten in Schweden den Begleitwagen fahren müssen. Dabei handelte es sich um einen Volkswagen Iltis, dem einen oder anderen Leser vielleicht noch aus der Bundeswehrzeit bekannt. Bensinger stellte dabei fest, dass er den eigentlichen Erprobungsträgern auf den Schnee- und Eispisten locker davonfahren konnte, obwohl der Iltis gerade einmal 55 kW/75 PS leistete.

Diese Beobachtung speicherte Bensinger ab und fing an, darüber nachzugrübeln, ob sich ein solcher Antrieb in einem normalen PKW eventuell ebenso gut machen könnte. Er suchte das Gespräch mit dem Vorstand der Audi-Fahrzeugentwicklungsabteilung, einem gewissen Ferdinand Piëch, und fand in ihm einen Unterstützer des Projekts. Unter seiner Schirmherrschaft stellte er ein kleines Team von Ingenieuren und Eingeweihten rund um den Leiter der Vorentwicklung, Walter Treser, zusammen und baute einen ersten Prototypen auf Basis einer Audi 80-Karosserie auf. Interessantes Detail: Dieser Wagen verfügte bereits über einen Fünfzylinder-Motor, eines der Details, für die das spätere Serienprodukt berühmt werden sollte. Man brachte diesen Wagen 1978 zu einem Wintertest in Österreich mit, bei dem auch Entscheider der Konzernmutter Volkswagen anwesend sein sollten. Diese wussten bis dahin nichts von diesem Projekt und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie nahmen es mit Humor und testeten den Prototyp auf Herz und Nieren, wobei sich schnell herausstellte, dass er den restlichen Testträgern mit konventionellem Antrieb haushoch überlegen war. Als man ihnen dann noch mitteilte, dass man in der Eile keine Winterreifen für den Allrad-Prototypen mehr bekommen hatte und daher alle Tests auf Sommerreifen stattgefunden hatten, stand die Entscheidung beinahe fest. Nach weiteren Tests im Sommer ’78 hieß es schließlich: Dieser Antrieb muss gebaut werden.

Anfang 1979 lud man einige Presseleute ein, die vier Autos zum Test vorgestellt bekamen: zwei mit Frontmotor und Heckantrieb, einen Audi mit Frontmotor und Frontantrieb und einen Allradprototypen, der wieder mit Sommerreifen bestückt worden war, was der Presse aber erst nach den Tests mitgeteilt wurde. Wieder konnte das Allradkonzept auf voller Linie überzeugen. Im März 1980 wurde das fertige Fahrzeug auf dem Genfer Salon vorgestellt. Die Verkaufsprognosen lagen jedoch nur bei einigen wenigen Autos, quasi als Technologieträger für Werbezwecke. Man hatte sich bei Audi daher die Mühe gemacht, ein eigenständiges Auto mit einer Coupé-Karosserie aufzubauen, anstatt einfach die Audi 80 Limousine mit der neuen Antriebstechnik auszurüsten. Es sollte von Anfang an deutlich werden, dass hier etwas Neues anrollt. Vorangegangen war der Präsentation die Namensfindung. Nach ersten Plänen hätte der Wagen ‚Coupé All-Rad-Antrieb Turbo‘ oder kurz ‚CARAT‘ heißen sollen. Da es jedoch ein billiges Parfüm mit gleichem Namen gab, wurde diese Idee verworfen und auf das italienische Wort für vier, ‚quattro‘, umgesattelt. Dabei ist anzumerken, dass der Name dieses Autos grundsätzlich kleingeschrieben wird, ebenso wie die drei Jahre später gegründete quattro GmbH.

Das Karosseriedesign folgte dem Stil der Zeit und der damals aktuellen Formensprache von Audi. Ecken und Kanten dominieren das Bild. Der Wagen sieht aus, als habe es kein Kurvenlineal im Designbüro gegeben, allerdings nur auf den ersten Blick. Wer genau hinschaut sieht beispielsweise an den Kotflügelverbreiterungen gezielte Rundungen, die das Gesamtbild hervorragend unterstützen und den Wagen kräftig, aber nicht zu aggressiv herüberkommen lassen. Das zeitgleich eingeführte Audi Coupé musste ohne die Verbreiterungen auskommen. Im Innenraum setzt sich dieser Eindruck fort, denn auch hier dominieren überwiegend kantige Formen das Bild, das sich vor Fahrer und Beifahrern auftat. Der Tacho reicht bis 250 km/h und lässt damit bereits Audis neues Selbstbewusstsein mit diesem Wagen aufblitzen. In der Mittelkonsole kann der Fahrer die beiden Differenzialsperren zu- oder abschalten. Unter der Haube gab es für den Kunden keinerlei Auswahlmöglichkeiten. Einzig ein 2,1 Liter großer Fünfzylinder mit Turboaufladung und 147 kW/200 PS stand im Datenblatt verzeichnet. 1984 wurde eine Version mit Katalysator ergänzt, die bei gleichem Hubraum nur noch 119 kW/162 PS auf die vier Räder brachte. Das Leergewicht des quattro lag bei 1.335 kg. Der Wagen ging zu einem Einstiegspreis von 49.900 DM in den Verkauf.

Im Jahr 1985 erschien die umfangreichste Modellpflege – heute würde man von einem ‚Facelift‘ sprechen – während der Produktion des Audi quattro. Neben neuen einteiligen Frontleuchten in Kombination mit einem umgestalteten Kühlergrill gab es auch schwarze Rückleuchten und ein überarbeitetes Armaturenbrett. 1987 folgte ein um 0,1 Liter Hubraum vergrößerter Motor als Auswahlmöglichkeit für die Kunden. Dieser hatte keinen Kat und lieferte wieder die bekannten Leistungsdaten von 147 kW/200 PS. Noch einmal zwei Jahre darauf erschien eine Weiterentwicklung mit 20 Ventilen und 162 kW/220 PS. In dieser Variante als Audi quattro 20V wurde das Fahrzeug bis zum Produktionsende 1991 gefertigt. Da der quattro in der Zwischenzeit gegenüber der Urversion immer luxuriöser geworden war, verwundert die Steigerung des Grundpreises auf 93.650 DM im letzten Modelljahr wohl nur wenige Leser. Insgesamt entstanden 11.452 Audi quattro für die Straße.

Auf Basis der bereits gesammelten Erfahrungen auf schmierigen Fahrbahnen lag die Entscheidung recht nahe, mit dem quattro auch auf Rallyepisten zu gehen. Dies war jedoch gar nicht so einfach, wie sich das vielleicht anhört. Zwar entwickelte man parallel zum Serienfahrzeug bereits seit 1977 an der Rallyeversion herum, bis einschließlich 1979 waren vierradgetriebene Autos bei internationalen Rallyes jedoch gar nicht zugelassen. Auf welch verschlungenen Pfaden dieses Regelwerk entsprechend abgeändert wurde, liegt bis heute ein wenig im Nebel der Geschichte. Fakt ist zumindest, dass ab der Saison 1980 Allrad-Fahrzeuge eine Freigabe für die Schlamm- und Geröllpisten dieser Welt erhielten. Während die Vorbereitungen für den Rallye-Einsatz langsam Formen annahmen und auch Leute ohne Rallye-Erfahrung, wie Walter Treser, auf dieses Metier eingenordet wurden, konnte Audi mit den Fahrerverpflichtungen punkten: Hannu Mikkola aus Finnland und die französische Rallye-Amazone Michèle Mouton hatten für die Ring-Kämpfer unterschrieben. Die Motorleistung war anfangs auf rund 320 PS gesteigert worden, während das Leergewicht des Autos auf 1.180 Kilogramm gesenkt werden konnte.

Der Ersteinsatz war erst einmal nur in Form eines Vorabwagens außerhalb der Wertung bei der Portugal Rallye 1980. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt von der FIA noch nicht homologiert, weswegen dieser Weg gewählt wurde, um erste Rallyekilometer sammeln zu können und eventuelle Kinderkrankheiten abzustellen. Zwar lief der quattro außerhalb der Wertung, die Zeitnahme funktionierte jedoch einwandfrei und erschütterte die versammelte Konkurrenz in Mark und Bein: Wenn der Audi offiziell angetreten wäre, hätte er über 30 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten gehabt. Und das wohlgemerkt mit sogar noch recht verhaltener Fahrweise von Hannu Mikkola, man war ja ’nur‘ mit einem Vorabfahrzeug unterwegs. Beim ersten offiziellen Auftritt bei der österreichischen Jänner-Rallye im Januar 1981 fuhr Franz Wittmann die nationalen Größen des Alpenstaates in Grund und Boden und ließ sich im letzten Drittel der Rallye sogar gezielt Zeit, um die Blamage nicht zu groß werden zu lassen. 20 Minuten Vorsprung standen dennoch am Ende in den Ergebnislisten. Die Duftprobe des quattro war da.

Entsprechend eingeschüchtert erschien die Weltelite zum Saisonauftakt der Weltmeisterschaft in Monte Carlo. Dort zeigte sich jedoch, dass sich im Sport Erfolg und Niederlage durchaus abwechseln. In den Tank des Mouton-quattro war verschmutztes Benzin geraten, was zum Abschleppen und einem dadurch bedingten Wertungsausschluss wegen unerlaubter Hilfe führte. Mikkola verprügelte auf den ersten sechs Wertungsprüfungen die Konkurrenz und führte mit mehr als fünf Minuten Vorsprung, bevor er eine Mauer touchierte, dadurch die Konzentration verlor und den quattro schließlich nachhaltig kalt verformte. Kurz darauf konnte Mikkola jedoch die Rallye Schweden deutlich gewinnen, während er in Portugal nach einem Motorschaden in Führung liegend widerum ausfiel. In Korsika fielen beide quattros aus, während man in Griechenland wieder mit mehr als drei Minuten führte, bevor man von der Rallyeleitung aufgrund von nicht zugelassenen Lufteinlässen in den nicht genutzten inneren Scheinwerfern disqualifiziert wurde. Auch die 1000 Seen-Rallye in Finnland stand unter keinem guten Stern. Mikkola verlor viel Zeit bei einer Motorreparatur und Wittmann erwischte nach dem Ziel einer Wertungsprüfung einen Streckenposten, der an den schweren Verletzungen kurz darauf verstarb. Die San Remo Rallye war dafür dann aber Grund für positive Schlagzeilen: Michèle Mouton siegte als erste Frau bei einem Weltmeisterschaftslauf. Man hatte bei Audi also entsprechendes Lehrgeld gezahlt, ab jetzt sollte es aufwärts gehen. Dazu gehörte auch die Ablösung von Walter Treser an der Teamspitze durch Reinhard Rode und Roland Gumpert, den man heute für seine Sportwagen aus Altenburg kennt.

Das Folgejahr stand recht bald unter dem Einfluss des Duells zwischen Audi-Pilotin Mouton und Walter Röhrl im Opel Ascona. Dieser Wagen war zwar technisch völlig veraltet, aber Röhrl zeigte, dass er unzweifelhaft einer der besten Rallyefahrer aller Zeiten war. Zwar konnte er die Monte, seine Lieblingsrallye, gewinnen, bei der Acropolis Rallye in Griechenland wurde er jedoch mit 14 Minuten Vorsprung von Mouton regelrecht demontiert. Zum Ende der Saison wurde es immer knapper, bis Michèle die Nerven verlor und bei der Bandama-Rallye den quattro in die Sträucher warf. Röhrl feierte seinen zweiten Fahrer-Titel, während Audi die Markenweltmeisterschaft einfuhr. Die Motorleistung war in der Zwischenzeit auf rund 340 PS angehoben und die Rohkarosserie des quattro noch einmal auf Diät geschickt worden. 40 Kilogramm konnten vom Blech geschabt werden. Vorn zog ein neu gestalteter Kühlergrill ein, der auch den Platz der inneren Leuchten der vom Serienmodell bekannten Doppelscheinwerfer mit einnahm. Zum Ende der Saison konnte man durch einen Aluminium-Motorblock noch einmal 25 Kilogramm Gewicht einsparen und gleichzeitig 10 PS Leistung obendrauf packen.

Auch 1983 konnte Audi wieder nicht beide Titel einfahren, was aber erklärtes Ziel der Ingolstädter war. Lancia hatte mit dem 037 eine erste wahrhaftige Waffe im Rahmen des Gruppe B-Reglements geschaffen. Die Italiener hatte außerdem mit Walter Röhrl und Markku Alen gleich zwei gute Fahrer unter Vertrag genommen und konnten sich die Markenweltmeisterschaft sichern. Dafür gewann jedoch Hannu Mikkola die Meisterschaft der Fahrer. Zwar hatte Röhrl, begründet durch die Niederlage bei der Acropolis 1982, gesagt, selbst ein Affe könne in einem Audi Rallyes gewinnen, zwei Jahre später saß er jedoch selbst am Steuer der Waffe, die ihn in den Vorjahren am Meisten beeindruckt hatte. Vor der Rallye Monte Carlo bezeichnete sich Röhrl als „Fahrschüler“ und ließ sich von Stig Blomqvist das quattro-fahren beibringen, um selbigen danach bei der Rallye souverän zu bügeln. Kommentar von Blomqvist: „Der Röhrl lernt mir zu schnell!“. Da dieser jedoch auf eigenen Wunsch nur noch Rallyes fuhr, die ihm selbst Spaß machten, konnte Blomqvist bereits in Schweden mit einem eigenen Sieg nachlegen. 1984 stellte gleichzeitig das letzte Jahr mit dem ‚langen‘ quattro dar. Es wurde vom Weltmeistertitel des Stig Blomqvist gekrönt und durch den gleichzeitigen Gewinn der Markenweltmeisterschaft hervorragend ergänzt.

Mittlerweile hatte Audi sich daran gemacht, die Schwachpunkte des quattro auszusortieren. Man hatte daher den Sport quattro erdacht. Gegenüber dem bekannten quattro Coupé wurde die Karosserie zwischen den Achsen um 34 Zentimeter gekürzt, der Radstand allerdings lediglich um 32 Zentimeter, während der Fünfzylinder-Motor auf 225 kW/306 PS in der Straßenversion leistungsgesteigert wurde. Grund für diesen Generalumbau waren die konkurrierenden Marken in der Rallye Weltmeisterschaft, die das recht freizügige Reglement der Gruppe B immer besser ausnutzten und mit Fahrzeugen wie dem Peugeot 205 Turbo 16 am Vorsprung des quattro kratzten. Diese Karosseriearbeiten wurden vom Stuttgarter Experten Baur durchgeführt, der nach der Kürzung der Rohkarosserie Kotflügel, Dach, Motorhaube und Heckklappe aus Kevlar verbaute, die vom Schweizer Spezialisten Seger + Hoffmann zugeliefert wurden. Diese Teile kamen zusammen auf ein Gewicht von nur 34,2 Kilogramm und waren damit deutlich leichter als vergleichbare Blechteile.

Für das Gruppe B-Regelwerk musste Audi mindestens 200 Fahrzeuge in der Straßenversion absetzen. Am Ende wurden es sogar knapp über 220 Stück in den Farben rot, dunkelblau, dunkelgrün und weiß. Für zwei besondere Kunden wurden Fahrzeuge in schwarz hergestellt, ansonsten gab es keinerlei Sonderfarben, trotz oder gerade wegen des auch für damalige Verhältnisse hohen Verkaufspreises von anfangs 195.000,- DM. Die letzten Fahrzeuge wurden schließlich für 203.500 DM abverkauft. Dass ein normaler quattro nur einen Bruchteil davon kostete, brauche ich wohl kaum zu betonen. Im August 1985 lag der Grundpreis bei 77.845 DM. Heute kosten gut erhaltene Sport quattros mindestens den doppelten Neupreis – nur dass hinten ein €-Zeichen dranhängt. Die Verkürzung des Fahrzeugs brachte allerdings nicht die erhofften Wettbewerbsvorteile. Zwar hatte man das Fahrzeuggewicht auf nur noch 960 Kilogramm gesenkt und der Motor gleichzeitig runde 100 kräftige Pferdchen zugelegt (nunmehr 450 PS), aber die Konstruktionsnachteile des quattro blieben. Da der Motor quer vor der Vorderachse eingebaut war, verstärkte sich die Untersteuertendenz des Fahrzeugs durch den kürzeren Radstand extrem, wobei es unter passenden Fahrzuständen ohne Vorwarnung ins Übersteuern überging und bei Röhrl zum Urteil „unfahrbar“ führte. So hielt er es schon fast für Glück, dass er beim ersten Testeinsatz auf Korsika mit Motorschaden ausschied. Auch die weiteren Einsätze des ‚Kurzen‘ waren 1985 alles andere als erfolgreich. Motor- und Elektrikschäden reichten sich die Hände. Immerhin bei der Elfenbein Rallye hatte der Sport quattro durchgehalten und mit Blomqvist am Steuer einen Sieg erringen können. Man hoffte, den Fehlerteufel für die Folgesaison aus dem Auto zu vertreiben.

Die Verbesserungen am Fahrverhalten des Sport quattro gingen jedoch nur im gefühlten Schneckentempo voran und selbst die Ausbaustufe ‚E2‘ (nicht ‚S1‘, wie in vielen Medien immer wieder gerne behauptet) brachte nur wenig Verbesserung. Dieses Fahrzeug erschien zur Argentinien Rallye und machte optisch deutlich, dass Audi zum Einen weiter angreifen wollte und zum Anderen das Reglement durchaus gut durchgelesen hatte. Massive Verbreiterungen, ein großes Frontspoilerschwert, Luftleitbleche auf den vorderen Kotflügeln und ein Heckspoiler, der jedem Kneipenwirt als Theke Freude gemacht hätte, brachten den quattro in völlig neue optische Gefilde. Dazu das wilde Turboschnattern des nunmehr bis zu 530 PS starken Fünfzylinders – die Fans erschauern heute noch in Ehrfurcht. Man versuchte durch eine Gewichtsverlagerung das Fahrverhalten in den Griff zu bekommen. Alle Kühler wanderten in den Kofferraum mit Anströmung unterhalb des Heckflügels, was aber aufgrund von thermischen Problemen eine zusätzliche Wasserberieselung nötig machte. Die dafür notwendigen Tanks und Leitungen, sowie das Wasser an sich addierten 200 Kilogramm zusätzliches Gewicht und machten den E2/S1 somit schwerer als den ursprünglichen langen Rallye quattro.

Dafür zog aber auch eine absolute Neuheit ins Auto ein. Anlässlich der RAC Rallye Großbritannien 1985 setzte Audi erstmals ein von Porsche entwickeltes Doppelkupplungsgetriebe ein, mit dem der Wagen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,6 Sekunden erreichte – gemessen auf Schotter! Weitere technische Neuheiten für die Saison 1986 waren bereits in Vorbereitung, als die FIA aufgrund von mehreren schlimmen Unfällen die Gruppe B ersatzlos aus den Regularien strich. Sogar ein Mittelmotor-Renner war bereits im Fahrversuch und hatte im bayrischen Wald die örtlichen Polizisten in Angst und Schrecken versetzt. Als diese jedoch sahen, dass sich am Steuer dieses Ungetüms Walter Röhrl verbag, war die Sache mit ein paar Autogrammen erledigt. Der Wagen kann immer mal wieder im Audi Museum Mobile in Ingolstadt besichtigt werden. Da man mit den Rallye quattros auf den Pisten der Weltmeisterschaft nichts mehr anfangen konnte, schaute man sich nach neuen Betätigungsfeldern um. Einige Fahrzeuge gingen in Privathand und wurden bei Rallye Cross-Veranstaltungen verheizt, das Werk fand jedoch einen besseren Verwendungszweck. Beim legendären Bergrennen am Pikes Peak in den USA tauchte man 1985 erstmals mit dem Sport quattro auf und gewann mit Michèle Mouton am Steuer in neuer Gesamtbestzeit. Im Folgejahr gewann Bobby Unser im E2/S1 mit widerum neuer Bestzeit. Mit den Erfahrungen, die man dabei machte, entwickelte man den E2/S1 zum absoluten Flügelmonster weiter. An der Front wuchs auf dem Spoilerschwert ein Flügel und der ohnehin schon große Flügel am Heck erhielt ebenfalls noch Zuwachs. Im Dach klaffte ein riesiges Loch als Lufteinlass für die Kühler im Kofferraum. Der Motor leistete offizielle 600 PS, wobei man von einer leichten „Streuung“ nach oben ausgehen kann. Mit Walter Röhrl hinterm Volant wurde der Streckenrekord für die 20 Kilometer lange und mit 156 Kurven ausgestattete Rennstrecke erstmals unter 11 Minuten gesenkt – auf 10:47.85 Minuten, um genau zu sein. Dieser Rekord hielt zwar nur ein Jahr, bis ihn Peugeot brach, aber die erhoffte Werbewirkung in den USA blieb dennoch nicht aus.

Bilder: Audi Tradition, Audi UK