40 Jahre Alfa Romeo Alfa 6
Große Automobile mit Sechszylinder-Motoren hatten bei Alfa Romeo in der Vorkriegszeit eine große Tradition. Neben der Oberklasse bediente man auch das damals noch nicht so benannte Feld der Sportwagen und ließ die 6C-Modelle im Rennsport antreten. Anschließend folgte eine gewisse Ruhephase, ehe 1961 der 2600 debütierte, der als Berlina, Spider, Sprint (Coupé) und Zagato (Coupé) erhältlich war. Nach dessen Produktionsende im Jahr 1969 sollten ursprünglich nur vier Übergangsjahre bis zum Nachfolger vergehen. Doch erstens kommt es manchmal anders und zweitens als man denkt. 1973, kurz vor der geplanten Markteinführung des neuen Modells der oberen Mittelklasse, griff in Europa die Ölkrise um sich und führte in vielen Ländern zu drastischen Maßnahmen wie deutlich erhöhten Kraftstoffpreisen oder den autobahnfreien Sonntagen in Deutschland.
Aus diesem Grund verzichtete man bei Alfa Romeo auf negative Schlagzeilen, die sich bei einem Neufahrzeug mit 2,5 Liter großem V6-Triebwerk und 158 PS ohne Zweifel eingestellt hätten. ‚Progetto 119‘, wie der Wagen intern hieß, rollte vorerst ungenutzt in einen dunklen Bereich der Entwicklungsabteilung. Man wendete sich vorerst kleineren Modellen wie dem Alfasud, der Alfetta und ab 1977 der Giulietta zu. Erst als sich die politische Aufregung langsam gelegt hatte kam auch das automobile Oberhaus wieder in den Fokus. Die Prototypen wurden entstaubt und eine Serienfertigung schließlich doch ab 1979 in Angriff genommen. Als Modellnamen entschied man sich der Einfachheit halber für ‚Alfa 6‘ (italienisch sei ausgesprochen). Optisch nahm er die Formensprache der 1972 präsentierten Alfetta und einiger zeittypischer Oberklassefahrzeuge auf, allerdings mit deutlich größeren Proportionen und Überhängen sowie einer insgesamt eher konservativen Linienführung, die am Übergang zum neuen Jahrzehnt durch Neuentwicklungen anderer Hersteller bereits veraltet wirkten.


























Den neu entwickelten Sechszylindermotor, erstmals bei Alfa Romeo mit Brennräumen in V-Konfiguration, mit anfänglich sechs Dell’Orto-Vergasern nutzten die Italiener in seinen konstruktiven Grundzügen letztlich bis 2005 in verschiedenen Modellreihen. Im Alfa 6 kombinierte man ihn mit einem manuellen Fünfgang-Getriebe von ZF und einem Sperrdifferenzial an der Hinterachse für möglichst hohe Traktion. Gegen Aufpreis gab es eine Dreigang-Automatik. Serienmäßig waren hingegen Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, Klimaanlage und Velourspolster. Ab 1983 wurde das Fahrzeug durch ein gemeinsam mit Bertone entwickeltes Facelift noch luxuriöser und entsprach beinahe dem Maserati Quattroporte, den der Alfa 6 ursprünglich 1973 hätte ersetzen sollen. Von außen sorgten Breindbandscheinwerfer anstelle von Rundleuchten und ein breites stilisiertes ‚b‘ (für Bertone) an den C-Säulen, um Luftauslässe und Tankdeckel zu verbergen. Unter der Motorhaube gab es ebenfalls Veränderungen. Während der 2,5-Liter-V6 von nun an dank elektronischer L-Jetronic-Einspritzanlage von Bosch bei gleicher Leistung weniger Kraftstoff verbrauchte, gab es parallel als Einstiegsmotorisierung einen zwei Liter großen Vergaser-V6 mit 135 PS sowie einen von VM Motori entwickelten Fünfzylinder-Turbodieselmotor mit 105 PS, der später auch in einigen Geländewagen von Toyota und Land Rover zu finden war.
Während der Alfa Romeo Alfa 6 trotz guter Ausstattung und ausreichender Motorleistung in vielen Ländern Europas nur eine Randerscheinung gegenüber Mitbewerbern wie dem BMW 528i, dem Rover 3500 oder dem Mercedes-Benz 280 E blieb, stieg er in Italien zum offiziellen Fahrzeug der Regierung und sogar zum Beförderungsmittel von Papst Johannes Paul II auf. Weniger Glück hatten sieben Alfa 6, die mit markttypischen Veränderungen wie Seitenbegrenzungsleuchten zum US-Importeur verschifft und von diesem umgehend als ‚unverkäuflich‘ verschrottet wurden. Insgesamt entstanden bis 1986 lediglich 12.043 Exemplare. Als Nachfolgemodell stellte Alfa Romeo 1987 den etwas kompakteren 164 vor, der auch mit Vierzylindermotoren erhältlich war. Heute, 40 Jahre nach der Markteinführung, ist der Alfa Romeo Alfa 6 ein äußerst selten gesehener Gast auf Oldtimerveranstaltungen und aus dem kollektiven Gedächtnis beinahe völlig verschwunden. Eigentlich schade, da diese Limousine mit ihrer umfangreichen Ausstattung durchaus einen Liebhaberstatus verdient.
Bilder: Alfa Romeo