120 Jahre Lohner-Porsche

Vor 120 Jahren debütierte der Lohner-Porsche mit Radnaben-Elektromotoren auf der Weltausstellung in Paris.

Aktuell durchziehen Diskussionen rund um den Mobilitätswechsel weg vom Verbrennungsmotor und hin zu Elektrofahrzeugen Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehbeiträge und Online-News. Viele Menschen, die sich mit der Entwicklung von Technologien nicht auskennen, sind der Meinung, man solle „neuen Antrieben“ den Vorzug lassen. Was sie dabei verkennen ist die Tatsache, dass weder Hybridfahrzeuge, noch Elektroautos eine neue Idee der 2000er Jahre sind. Sie sind so alt wie das Automobil selbst. Ein bedeutender Name in der Entwicklung dieser Antriebstechnik war dabei ein gewisser Ferdinand Porsche. Er wuchs in Maffersdorf (heute Vratislavice nad Nisou) in Tschechien auf, was damals zum Kaiser- und Königreich Österreich zählte.

Ferdinand Porsche war ein Pionier

Früh interessierte er sich für die aufkommende Elektrifizierung von Straßen, Fabriken und Häusern, weshalb er die heimische Spenglerwerkstatt seines Vaters ohne dessen Wissen mit elektrischem Licht ausstattete. Nach einer Lehre zum Installateur, Abendkursen an der Reichenberger Staatsgewerbeschule und einigen Theoriestunden an der Technischen Hochschule Wien, die er besuchte ohne als Student eingeschrieben zu sein, begann Ferdinand Porsche als Mechaniker bei der Vereinigten Elektrizitäts-AG Béla Egger in Wien. Rasch stieg er zum Leiter der Prüfabteilung auf und entwickelte im Auftrag von Ludwig Lohner erstmals einen Radnaben-Elektromotor, für den er 1896 ein Patent erhielt. Drei Jahre später räumte er nach Unstimmigkeiten seinen Posten und wechselte zu den Lohner-Werken, einer seit 1821 existierenden Wagen- und Waggonbaufirma in Wien, die offizieller Hoflieferant der k.u.k.-Monarchie sowie der Königshäuser von Schweden, Rumänien und Norwegen war. Firmenchef Ludwig Lohner sah im Elektroantrieb bereits damals die Zukunft, da die Luft von den „in großer Anzahl auftretenden Benzinmotoren erbarmungslos verdorben“ werde.

Bereits ab 1897 produzierte Lohner neben Kutschen auch erste benzinbetriebene Automobile. Durch das Fachwissen von Ferdinand Porsche auf dem Bereich der Elektroantriebe, entwickelte man bereits kurz nach seinem Firmeneintritt ein neues Fahrzeug, den Semper Vivus (zu deutsch: stets lebendig), mit Elektromotoren, die anfänglich in den Hinterrädern untergebracht wurden. Nicht ganz klar ist, warum für das folgende Fahrzeug, das unter der Patent-Nummer 19645 beim Österreichischen Patentamt geführt wird, die je rund 100 Kilogramm schweren Radnabenmotoren nach vorne in die gelenkten Räder wanderten, wodurch das Lenken sehr erschwert wurde. Parallel entstand ein weiteres Fahrzeug mit vier Radnabenmotoren für den englischen Privat-Rennfahrer E.W. Hart, wodurch eines der ersten Automobile mit Allradantrieb bereitstand. Unter dem Namen ‚System Lohner-Porsche‘ stellte man das Auto am 14. April 1900 erstmals öffentlich auf der Weltausstellung in Paris vor. Allerdings konnte man mit der damals verfügbaren Batterietechnik nur Reichweiten bis etwa 50 Kilometern ermöglichen und handelte sich zudem reichlich Gewicht ein (beim Allradwagen waren 1,8 Tonnen schwere Akkus an Bord), weshalb Ferdinand Porsche alsbald das Hybridkonzept in seinem ‚Mixte-Wagen‘ ausprobierte, bei dem der Verbrennungsmotor als reine Ladevorrichtung für die Akkus diente.

Nur wenige Originale noch erhalten

Mit einem Rechtsstreit um das Patent der Radnabenmotoren und dem Weggang von Ferdinand Porsche zu Austro-Daimler endete 1906 auch die Produktion der Lohner-Porsche Fahrzeuge. Die reinen Elektrofahrzeuge dienten in Wien der Feuerwehr und in Berlin und anderen Großstädten als Taxen. Der im Vergleich zu benzinbetriebenen Autos sehr hohe Grundpreis verhinderte eine größere Verbreitung ebenso, wie die geringe Reichweite pro Akkuladung. Letztlich entstanden wohl nur rund 300 Exemplare des Lohner-Porsche, von denen heute nur noch wenige existieren. Unter anderem im Technischen Museum der Stadt Wien kann man ein dunkelrotes Fahrzeug bestaunen. Zudem baute Porsche in vierjähriger Arbeit einen Semper Vivus akkurat nach und präsentierte das elfenbeinfarbene Auto 2016 feierlich auf dem Genfer Autosalon. Seither ist die Replik immer wieder bei Veranstaltungen und im Porsche Museum zu sehen. Das Prinzip der Radnabenmotoren griff in den 1960er Jahren die NASA wieder auf, um die Mondautos anzutreiben.

Bilder: Porsche