Veritas Scorpion
Sagt Ihnen die Marke Veritas was? Dieser deutsche Sportwagenhersteller existierte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, gegründet durch die zwei ehemalige BMW-Mitarbeiter Ernst Loof (Rennleiter bei der Mille Miglia 1940) und Lorenz Dietrich (früherer Verkaufsleiter) sowie Werner Miethe (Sechstage-Rennradfahrer) und Georg „Schorsch“ Meier, einen mehrfachen Motorrad-Meister und ehemaligen Fahrer der Auto Union Rennwagen. Ab 1947 arbeitete man daran, einen würdigen Nachfolger für den BMW 328 Roadster auf die Räder zu stellen, mit dem vor dem Krieg viele Rennsporterfolge eingefahren werden konnten. Auf diesem erfolgreichen Sportwagen basierte schließlich auch der erste Prototyp, der bewusst sowohl straßen- als auch rennsporttauglich war.
Mit diesem und einem zweiten Prototypen unternahm man erste Wettbewerbseinsätze und erhielt dadurch bereits erste Bestellungen. In dieser frühen Nachkriegszeit beherrschten die Schwarzmärkte und Tauschgeschäfte Deutschland, weshalb auch Veritas es akzeptierte, wenn die Kunden eine Anzahlung in bar leisteten und dann ein gebrauchtes Chassis und weitere Rohstoffe für die Fertigung mitbrachten. Ein Jahr nach der Firmengründung zog man von Hausen am Andelsbach auf ein größeres Gelände in Meßkirch um. Zudem ersetzte der französische Verbindungsoffizier Jean-Baptiste Lefêbvre den bisherigen Anteilseigner Georg Meier in der Veritas GmbH. Klassensiege beim ersten großen Rennsporteinsatz auf dem Hockenheimring 1948 führten zu weiteren Bestelleingängen. Um auch weiterhin im Rennsport erfolgreich zu sein, entwickelte der ehemalige BMW-Techniker Ernst Zipprich im Auftrag von Veritas und finanziert durch den Schweizer Unternehmer Herrmann Trümpy einen neuen Reihensechszylindermotor mit obenliegender Nockenwelle. Dieser kam in neuen Rennwagen, aber auch leicht gedrosselt in Straßensportwagen zum Einsatz.














Für die Straße entwickelte man die Typen ‚Saturn‘ als Coupé und ‚Scorpion‘ als Cabriolet, von denen zusammen wohl lediglich sieben bis zehn Fahrzeuge entstanden sind. Während die stromlinienförmigen Rennwagenkarosserien im eigenen Haus entstanden, wurden die Kleinserienwagen von Spohn oder Hebmüller eingekleidet. Im Vergleich zu anderen Spohn-Kreationen der 20er und 30er Jahre zeigt sich der Veritas Scorpion fast schon massenkompatibel. Das zwei Liter große Triebwerk brachte es ab Werk auf 100 PS, die über ein manuelles Fünfgang-Getriebe mit unsynchronisiertem ersten Gang auf die Hinterräder gelangen. Vorn arbeitet das Fahrwerk mit doppelten Dreiecksquerlenkern und hinten mit einer De-Dion-Achse, wobei rundum Federstäbe die Bodenwellen der Straßen ausbügelten. Der 1,1 Tonnen schwere Sportwagen konnte bis zu 160 km/h schnell werden. Nach einigen firmeninternen Veränderungen verlegte Ernst Loof Veritas an den Nürburgring, musste jedoch 1953 endgültig die Tore schließen. Diverse Quellen gehen davon aus, dass in den rund sieben Jahren nicht einmal 100 echte Veritas Sport- und Rennwagen entstanden sind. Wahre Experten könnten jetzt einwerfen, dass es Anfang des aktuellen Jahrtausends einen Wiederbelebungsversuch gab, der jedoch grandios scheiterte und daher an dieser Stelle nicht weiter beleuchtet wird.
Einer dieser seltenen Veritas Scorpion wird nun von Bonhams im Rahmen der Monterey Car Week beim ‚The Quail‘ versteigert. Vor drei Jahren brachte das Auktionshaus an gleicher Stelle bereits ein anderes Exemplar unter den Hammer und erzielte dabei einen Zuschlagspreis von 907.500,- US$. Für dieses Jahr erwartet man lediglich zwischen 500.000 und 700.000 US$, was ein wenig verwundert. Wie 2015 handelt es sich auch diesmal um ein gut restauriertes Fahrzeug, das in seinem blauen Lackkleid mit braunem Interieur erst kürzlich bei BMW Classic in München umfangreich durchgeschaut und kosmetisch aufgefrischt wurde. Eine Vollrestaurierung erfolgte bereits in den 1990er Jahren. Im Dezember 2017 gab der TÜV seinen Segen zur vollbrachten Arbeit in Form einer H-Kennzeichenabnahme. Um auch aktuellen Verkehrsverhältnissen gewachsen zu sein, erhielt der Scorpion einen modernen Kühler nebst elektrischem Ventilator und einen Ölkühler. Zum Fahrzeug gehört eine umfangreiche Dokumentation inklusive diversen Rechnungen für Wartungsdienste und die Restaurierungsarbeiten.
Bilder: Bonhams, E. Zouboulis