RUF – The Limited Edition
Parallel zum gigantomanischen Trend bei Modellfahrzeugen (wenn man die aktuellen 1:8er nicht schon eher als ‚Skulptur‘ betiteln muss) gibt es auch in der Porsche- Literatur eine Blüte umfangsstarker, in der Tiefe ausrecherchierter und opulent ausgestatteter Monographien sowie Typ- bzw. Baureihenhistorien. Nun ist der Frühling im Orchideengarten angekommen: Bart Lenaerts, Autor und in Personalunion Verleger, präsentiert ein zweibändiges Werk über die Manufaktur RUF, der Marke Porsche eng verbunden und doch immer in jeder Hinsicht eigenständig. Gemeinhin wird RUF oft als „Tuner“ bezeichnet, was negiert, dass man bereits 1981 durch das Kraftfahrtbundesamt Herstellerstatus zugestanden bekam, denn nach ersten Gehversuchen mit Detailoptimierungen und Veredelungen von Porsche-Serienfahrzeugen ersann Alois Ruf mit seiner kleinen Mannschaft exzellenter Spezialisten immer tiefergehendere Modifikationen und zunehmend selbst konstruierte Teile und Baugruppen.
Lenaerts hat sein Werk zweibändig angelegt: Band eins, „Alois and friends“ betitelt, ist die Biographie des Unternehmens und seines Inhabers in Gestalt einer Jahreschronik. Jedes Kapitel ist durch eine doppelseitige Titelei eröffnet, von Art Director Tom Hautekiet in Gestaltung und Typographie zeittypisch angelegt. Von der Gründung durch Rufs Vater in den Nachkriegsjahren erzählt der Autor kleinschrittig und minutiös die Genese von der Reparaturwerkstatt zur weltweit anerkannten (oder besser legendären) Kleinserienmanufaktur. ‚Erzählt‘, da Lenaerts erkennbar sehr direkten Zugang zu Alois Ruf hatte und indes statt Faktenreihungen eine schlüssige und erhellende Geschichte von Wagemut, Erfindergeist, unkonventionellen Ideen und deren (nahezu stets) erfolgreicher Umsetzung präsentieren kann, abgerundet durch zahlreiche Originalzitate Rufs. Das Werk lässt keinen noch so kleinen Nebenpfad aus, auch selbst dem Aficionado völlig unbekannte Wegpunkte legt der Autor detailliert dar.






Wer hätte gedacht, dass es im Dialog mit Entscheidern der Porsche AG in den 1990ern beinahe eine an den Purismus des originalen 911T angelehnte back-to-basics-Variante des 964 gegeben hätte? Oder dass 1983 unter dem Projektcode R945 weitgehende Überlegungen für ein Fahrzeug angestellt wurden, das in seiner Innovativität den 959 in einigen Punkten vorweggenommen hätte? 2004 wurde der Gedanke abgewandelt mit dem Prototypen R50 aufgegriffen, um dann zum 2007 vorgestellten CTR3 zu reifen.
Band zwei trägt den Namen „Yellowbird and friends“ und stellt das chronologische Werksverzeichnis dar, alle (Klein)serienfahrzeuge sind im Detail und mit einem technischen Überblick aufgeführt. Das inhaltlich, handwerklich und stilistisch rundum erstklassige Werk ist dem Niveau entsprechend mit unglaublich viel rarem Bildmaterial bestückt. Lenaerts durfte vermutlich das gesamte Firmenarchiv auswringen. Dem Rezensenten ist bewusst, hier ein hochpreisiges Werk zu empfehlen, jedoch ist diese Pionierarbeit (den verlegerischen Mut, ein solch ’spitzes‘ Thema derart umfassend anzugehen, kann man gar nicht hoch genug schätzen) als Faktenquelle und Lesevergnügen jeden einzelnen Cent (mehr als) wert. Als kleines Extra leuchten die Tagfahrringe der Scheinwerfer auf dem Cover bei Nacht.
Bilder: RUF