Porsche VW 39
Eine automobile Welt ohne den Volkswagen Typ 1 (besser als Käfer bekannt) ist aus heutiger Sicht nur schwerlich vorstellbar. Dies begründet sich vor allem in der Tatsache, dass die wenigsten unserer Leser diese ‚Vor-VW-Ära‘ live miterlebt haben dürften. Es lässt sich natürlich nicht verschweigen, dass Ferdinand Porsche seine bereits vor dem Krieg, teilweise gemeinsam mit Béla Barényi begonnenen Pläne für ein kompaktes Fahrzeug für jedermann vor allem durch die direkte Unterstützung der NSDAP unter Federführung von keinem geringeren als Adolf Hitler in die Realität umsetzen konnte. Hitler war von dieser Idee so angetan, dass er mehrfach den etablierten deutschen Autoherstellern widersprach und ihnen die Mithilfe aufzwang.
Wann genau die ersten Pläne zu Papier gebracht wurden, lässt sich nicht mehr genau datieren. Fakt ist, dass Ferdinand Porsche bereits 1931 ein kompaktes Fahrzeugprojekt unter dem Code ‚Typ 12‘ für Zündapp entwickelte, das später ohne sein Zutun auch in Form von drei fahrfähigen Prototypen verwirklicht wurde. Einen dieser Wagen erhielt das Konstruktionsbüro Porsche als Bezahlung für die geleistete Arbeit. Er wurde gegen Ende des Krieges bei einem Luftangriff auf Stuttgart zerstört. 1933 begannen ähnliche Überlegungen bei NSU, die seit geraumer Zeit anstelle von Automobilen nur noch Motorräder bauten, aber zu den Wurzeln zurückkehren wollten. Während von Zündapp die Verwendung eines Fünfzylinder-Sternmotors gefordert worden war, machte NSU keinerlei Vorgaben an Porsche. Es entstand ein kompakter Prototyp (Typ 32) mit luftgekühltem Vierzylinder-Boxermotor im Heck, Zentralrohrrahmen, eigens patentierter Kurbellenkerachse vorn, Pendelachse hinten und Drehstabfederung. Sollte Ihnen das bekannt vorkommen: Ein sehr ähnliches Konzept findet sich beim späteren Volkswagen. Ein Jahr nach dem NSU-Auftrag erfolgte der Aufruf von Adolf Hitler an die Autoindustrie, einen Wagen für das Volk mit Platz für zwei Erwachsene und drei Kinder nebst Gepäck zu entwickeln. Diesen nahm Ferdinand Porsche gern an.
















Die ersten beiden Prototypen V1 (Limousine) und V2 (Cabriolet) fertigte Porsche in den beengten Räumlichkeiten seiner Doppelgarage in Stuttgart und stellte sie 1936 in Berlin den entscheidenden Herren der Automobilindustrie und der Politik vor. Es folgten drei weitere VW-3-Prototypen, die an gleicher Stelle neben Porsches Privathaus aufgebaut wurden. Alle fünf Wagen nutzten die Erkenntnisse des NSU-Projektes, zeigten jedoch schon deutliche Ähnlichkeiten mit dem späteren Serienfahrzeug. Nachdem die Testfahrten mit dem VW 3 erfolgreich abgeschlossen waren, entstanden auf Wunsch von Hitler die folgenden 30 Prototypen (alles Limousinen bis auf ein Cabriolet) in den Räumlichkeiten von Daimler-Benz in Sindelfingen. Mit dem VW 30 genannten Wagen wurden Langzeiterprobungen über mehr als 2,4 Millionen Kilometer durchgeführt, um die kritischen Stimmen der Autoindustrie von der Qualität der Konstruktion zu überzeugen.
Ab Anfang 1938 verlegte man die Fertigung der Vorserienfahrzeuge zu Reutter in Stuttgart-Zuffenhausen, wo heute das Stammwerk von Porsche zu finden ist. Erst baute man einige Exemplare des VW 38 auf, die optisch bereits den Serienwagen entsprachen – inklusive dem charakteristischen Brezelfenster am Heck. 1939 schob man weitere 14 VW 39 nach, die im Unterschied zum VW 38 das Boxertriebwerk aus dem Typ 60 K10 (Porsche Typ 64) ‚Berlin-Rom-Wagen‘ erhielten, der für eine Wettfahrt zwischen den beiden genannten Städten geplant war, die durch den Kriegsbeginn nicht mehr stattfand. Hierfür hatte man mit klassischem Tuning die Leistung auf rund 32 PS erhöht. Zudem entstanden diese Autos erstmals unter Verwendung von Presswerkzeugen, die für die spätere Serienfertigung noch angepasst wurden. Mit diesen Prototypen fuhren Ferdinand und Ferry Porsche regelmäßig zwischen ihrem Konstruktionsbüro in Stuttgart, dem im Bau befindlichen VW-Werk nahe Fallersleben (heute Wolfsburg) und der Hauptstadt Berlin hin und her, wobei sie dank der Mehrleistung bis zu 145 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichten. Einige Prototypen gingen jedoch auch an politische Größen. So zum Beispiel das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer 1-00003, das an das Hauptquartier der Deutschen Arbeitsfront in Berlin ausgeliefert wurde, wobei der genaue Verwendungszweck unklar ist. Vermutlich stellte man ihn aus, um Interesse am Sparmarkensystem für den KdF.-Wagen zu generieren. Nach dem Krieg wurde das arg lädierte Auto aus den Trümmern gezogen und an einen Autosammler in Hamburg verkauft, der es restaurierte. 2014 kauften die Gründer des Automuseum Prototyp in Hamburg, Thomas König und Oliver Schmidt, den wohl letzten existierenden VW 39 und ließen ihn in rund dreijähriger Arbeit wieder in den Originalzustand versetzen. Heute ist er Teil der sehenswerten Ausstellung.
Bilder: Porsche