Porsche Unseen

Autohersteller wie Porsche arbeiten ständig an neuem Design und neuen Modellen. Vieles davon erreicht jedoch nie das Licht der Öffentlichkeit. Entweder wird es als unpassend verworfen oder durch Entscheidungen der Firmen- und Konzernleitungen überflüssig. In den meisten Fällen wandern eventuell bereits gebaute Studien und Prototypen anschließend in die Schrottpresse. Nur wenige Entwürfe schaffen den Weg ins Firmenarchiv, wo sie für recherchierende Journalisten jedoch für mindestens zehn Jahre unter Verschluss gehalten werden. Bei Porsche ist dies ein Bereich voller interessanter Erkenntnisse. Aktuell erlaubt der Sportwagenhersteller einen seltenen Einblick und bringt in einem ersten Paket sieben nie zuvor öffentlich gezeigte Studien ins Rampenlicht.

Porsche 919 Street (2017)

Angeregt durch den Wiedereinstieg von Porsche in Le Mans und den Rennsiegen, die man mit dem 919 Hybrid dort 2015, 2016 und 2017 errang, begannen im Designstudio Überlegungen an einer straßenzugelassenen Variante. Dieser Supersportwagen sollte das überwältigende Fahrgefühl eines LMP1-Rennwagens auch für Privatleute spürbar machen. Tatsächlich entspricht das 2017 erstellte 1:1-Tonmodell in den Abmessungen weitestgehend dem Rennfahrzeug. Allerdings dürften die Überlegungen zur tatsächlichen Umsetzung dieses Planes spätestens am relativ komplizierten Hybridantrieb gescheitert sein. Dieser leistet im Rennbetrieb zwischen 900 und 1.000 PS Systemleistung. Analog zum Weissach Paket am 918 Spyder sowie den RS-Modellen des 991 GT3 und GT2 zeigt die Konzeptstudie ein Le Mans Paket mit möglichst niedrigem Luftwiderstand für hohe Geschwindigkeiten auf der langen Hunaudiéres-Gerade. Im Vergleich zum FIA-WEC-Rennwagen fehlt somit der riesige Heckflügel. Auch die Rückleuchten fallen eine Nummer größer aus, um im Straßenverkehr gut aufzufallen.

Porsche Vision Spyder (2019)

Im vergangenen Jahr ließ sich das Designteam rund um Chefdesigner Michael Mauer gezielt durch den Porsche 550 Spyder inspirieren. Dieser Mittelmotor-Sportwagen errang spätestens durch den Schauspieler James Dean weltweite Bekanntheit, der in einem dieser Fahrzeuge schwer verunfallte und anschließend verstarb. Als Neuinterpretation entstand ein radikaler und puristischer Spyder. Innen reduzierte man das Cockpit auf das Notwendigste. Außen sorgen rote Details für Aufmerksamkeit, während das Grunddesign als Ideenspeicher für kommende Modelle dient. Beispielsweise könnte es der hochmoderne Überrollbügel in ähnlicher Form in die Serie schaffen.

Porsche Vision Renndienst (2018)

Porsche baut Sportwagen, Punkt. Stimmt bekanntlich spätestens seit der Modellpalettenaufweitung auf SUVs und Limousinen so nicht mehr. Neben Cayenne und Panamera stehen heutzutage auch Macan und Taycan bei den Porsche Zentren zum Kauf bereit. Ein wirklich familienfreundliches Fahrzeugkonzept wie ein Van ist hingegen bei Porsche nicht vorstellbar – oder doch? 2018 entwarf das Designteam die ‚Vision Renndienst‘ als freie Interpretation eines Vans. Inspiriert wurde man dabei von den Volkswagen T1 Transportern der Werks-Rennabteilung aus den 1960er Jahren. Interessanterweise positionierte man den Fahrer mittig in der ersten Reihe. Als Antriebsquelle dieses hochmodernen Raumgleiters sah man einen reinen Elektroantrieb vor.

Porsche 904 Living Legend (2013)

Ein besonderes, bislang unbekanntes Auto datiert zurück bis ins Jahr 2013. Angelehnt am allerersten Kunststoff-Rennwagen der Markengeschichte, dem 904 Carrera GTS, entstand der 904 Living Legend. Als technische Basis diente der parallel bei Volkswagen in Kleinserie gebrachte Ökosportwagen XL1. Dessen Carbon-Monocoque gestaltete die Porsche Designabteilung zu einem möglichst einfachen und simplen Sportwagen um. Anstelle eines Vier-, Sechs- oder Achtzylinder-Motors sitzt im Heck ein V2-Motorradtriebwerk, ähnlich wie im Volkswagen XL Sport Concept. Ob es bei Porsche auch das 1,2 Liter große und 200 PS starke Aggregat aus der Ducati 1199 Superleggera ist, bleibt geheim. Die Leichtmetallräder stammen hingegen vom 996 Turbo.

Porsche Le Mans Living Legend (2016)

2016 entstand mit dem Le Mans Living Legend ein Konzeptfahrzeug als Hommage an die wenig bekannten 550 Coupés. Diese Rennwagen traten 1954 in Le Mans an und verschwanden anschließend von der Bildfläche. Durch die Form von Scheinwerfern und Rückleuchtenband fügt sich das Auto perfekt in die aktuelle Formensprache aus Zuffenhausen ein. Im weitesten Sinne sieht Porsche den Le Mans Living Legend als Vorbild für den 718 Cayman GT4. Allerdings erhielt die Studie einen elektrisch ausfahrenden Heckspoiler und eine Dachhutze für mehr Frischluft am Mittelmotor. Des weiteren sieht man eine typische Eigenschaft diverser früher Designstudien: Die linke und die rechte Fahrzeugseite unterscheiden sich in einigen Details. So können Designer anhand von nur einem Modell verschiedene Ideen aufzeigen und sparen Material und Kosten ein.

Porsche 911 Vision Safari (2012)

Bereits 2012 überlegte Porsche an einer modernen Interpretation des 911 SC Safari herum. Mit diesem Fahrzeug gelang 1978 im berühmten Martini-Look ein Sieg bei der Safari Rally in Kenia. Zum 50-jährigen Jubiläum der 911-Baureihe gab es tatsächlich Überlegungen an einem modernen Sondermodell, das nicht nur durch Martini-Beklebung, sondern zugleich auch durch ein höher gelegtes Fahrwerk begeistern sollte. In die Frontschürze und an einen Bügel am Dach montierte man zusätzliche LED-Scheinwerfer. Neben den Kotflügeln zeigt der Wagen auch modifizierte Schürzen vorn und hinten. Hinter den Sportschalensitzen befindet sich unten am Überrollkäfig eine Unterbringungsmöglichkeit für Helme, die belüftet werden kann.

Porsche Macan Safari (2013)

Nur ein Jahr nach dem 911 Vision Safari entstand auch auf Basis des damals noch nicht präsentierten Macan ebenfalls eine Rallyeversion. Hierfür entstand eigens eine dreitürige Karosserie aus Ton. Laut angedachtem Datenblatt hätte das Auto über permanenten Allradantrieb, Doppelkupplungsgetriebe, höhergelegtes Fahrwerk, grobstollige Reifen und einen zuschaltbaren Offroad-Modus verfügt.

Buch „Porsche Unseen“ erhältlich

Eigentlich zeigt Porsche sogar nicht nur diese sieben, sondern 15 vorher nie gezeigte Konzeptfahrzeuge. Hierfür erscheint im Delius Klasing Verlag das Buch „Porsche Unseen“ mit der ISBN-Nummer 978-3-667-11980-3 zum Preis von 68 €, das auch im Shop des Porsche Museums in Stuttgart Zuffenhausen erhältlich ist. Es enthält auf 328 Seiten sehenswerte Fotos von Stefan Bogner und Texte von Jan Karl Baedeker. Im Porsche Designstudio in Weissach entstehen aus ersten Handskizzen im nächsten Schritt dreidimensionale Modelle am Computer. Wenn die Ideen gut sind, folgen erste reale Modelle im Maßstab 1:3 und schließlich sogenannte Hartmodelle im Maßstab 1:1. Diesen Prozess zeigt auch das Buch bei den vorgestellten Fahrzeugen auf. Die 15 bislang ungesehen Prototypen sollen 2021 in einer Sonderausstellung im Porsche Museum gezeigt werden.

Bilder: Porsche