Milburn Electric Model 27 Brougham
Es soll ja Menschen geben, die daran glauben, dass Tesla den Elektroantrieb bei Automobilen erfunden hätte. Man darf dem amerikanischen Unternehmen zwar tatsächlich einige Durchbrüche in diesem Gebiet zurechnen, Erfinder dieses Konzepts sind sie jedoch bei weitem nicht. Im Gegenteil, manchen Lesern dürften diverse Entwicklungen europäischer Hersteller wie Volkswagen, Citroën und weiteren bekannt sein, die mit Elektromotoren liefen. Doch generell geht die Geschichte der Elektroautos mehr als 100 Jahre zurück. Während im heutigen Österreich von Ferdinand Porsche ein Radnaben-Elektromotor entwickelt wurde, entstanden in den Vereinigten Staaten von Amerika mehr Elektrofahrzeuge als Benziner – und das bis zur Markteinführung des Ford Model T! Erst die ‚Tin Lizzie‘ war günstig genug, um bei den US-Kunden den Ausschlag für den Benzin- und gegen den E-Antrieb zu geben.
Bis dahin gab es jedoch einige Autohersteller, die ausschließlich lautlose Fahrzeuge im Programm hatten. Dazu zählte neben Detroit Electric und Ohio Electric auch Milburn Electric. George Milburn hatte bereits 1869 eine Kutsch- und Wagenbaufirma gegründet, die nach einem Umzug von Mishawaka/Indiana nach Toledo/Ohio im Jahr 1875 wurde sie durch gezielte Mechanisierung zum größten Hersteller von Bauernhofwagen weltweit. Milburn stellte die Fahrzeuge bereits damals größtenteils maschinell her und brauchte Arbeitskräfte nur zum Bedienen der Maschinen. Bis etwa 1910 stellte man Karosserien für die Elektroautos von Ohio Electric her. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten die Brüder Frederick Holmes Dodge und Henry Dodge für beide Marken, wobei F.H. Dodge Chef von Ohio Electric wurde. Beide sind übrigens nach heutigem Kenntnisstand nicht mit jenen Dodge-Brüdern verwandt, die die bis heute bekannte, gleichnamige Automarke der Fiat Chrysler Group begründeten. Nachdem Fusionspläne zwischen Milburn und Ohio Electric scheiterten, gingen die Dodge-Brüder getrennte Wege. Bei Milburn war man der Meinung, dass man Elektroautos leichter, niedriger und günstiger machen könne, wenn man die hauseigenen Fähigkeiten einsetzt. So stieg man im September 1914 ebenfalls in diesen Bereich ein und baute das erste eigene Elektrofahrzeug.






































Gestaltet wurde dieser Ur-Milburn-Elektrowagen von Karl Probst, der später den berühmten Army-Jeep zeichnete. Neben dem Model 15 genannten Coupé und dem Model 151 getauften Roadster gab es ab 1916 den Brougham und ab 1917 das Town Car mit offenem Fahrerplatz und überdachtem Fond sowie ein leichtes Transportfahrzeug mit Ladefläche hinten. Mit einem Einstiegspreis von 1.485 US$ war das Model 15 das günstigste Elektroauto seiner Zeit. Als Coupé erreichte der Wagen bis zu 15 mph (24 km/h), als Roadster 19 mph (31 km/h). Die Reichweite betrug immerhin 50 Meilen (80,5 Kilometer). Zwischen 1914 und 1923 entstanden über 4.000 Exemplare – und das trotz eines Großbrandes, der 1919 das Werk und diverse Fahrzeuge im Fertigungsprozess zerstörte. Im Februar 1923 kaufte General Motors die Milburn Fabrikationen, wo bis dahin bereits diverse Karosserien unter anderem für die GM-Marke Oldsmobile entstanden waren. Letztlich brauchte der Konzern die zusätzlichen Fertigungskapazitäten jedoch nicht und bot die Werkshallen bereits im August 1923 erneut zum Verkauf an. Die Marke Milburn fertigte derweil noch einige Fahrzeuge aus Restbeständen und schloss dann ihre Tore.
Falls Sie Interesse an einem frühen Elektrofahrzeug für Ihre Autosammlung haben, erhalten Sie am 11.Oktober die Gelegenheit dazu. RM Sotheby’s bietet in Hershey einen Milburn Electric Model 27 Brougham aus der Sammlung von Richard L. Burdick an, der ihn Mitte der 1980er Jahre erwarb. Seine Mechaniker restaurierten den Wagen, lackierten ihn in Karminrot und Taubengrau und führten eine technische Veränderung aus, um ihn mit modernen 12-Volt-Batterien nutzen zu können. RM Sotheby’s erwartet einen Zuschlagspreis zwischen 25.000 und 35.000 US$.
Bilder: RM Sotheby’s