Maserati Tipo 60/61 Birdcage

Im Winter 1958/1959 präsentierte Maserati ein neues Fahrzeug für die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Da es zu diesem Zeitpunkt keine Werkseinsätze gab, stand von Anfang an fest, dass es ein reines Kundensportauto sein würde, das entsprechend wartungsarm und vergleichsweise günstig sein sollte. Unter Firmenchef Omer Orsi kam es einer Revolution nahe, dass der Tipo 60 überhaupt entstand, da dieser den Rennsport eigentlich generell ablehnte. Im Volksmund erhielt der Maserati schnell einen Spitznamen, der sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat: Birdcage (Vogelkäfig). Dies begründete sich aus dem Rohrrahmengeflecht aus rund 200 dünnen, verschieden langen Chrom-Molybdän-Stahlröhrchen unterhalb der knapp geschnittenen Aluminium-Karosserieteile des offenen Zweisitzers.

Vom Tipo 60 mit seinem 200 PS starken Zweiliter-Vierzylindermotor und nur 585 Kilogramm Leergewicht entstanden zwischen März 1959 und August 1960 sechs Exemplare, die weltweit Rennerfolge einfahren konnten. Bereits beim ersten offiziellen Start überquerte Stirling Moss beim Autorennen ‚Coupe Delamare‘ als Erster die Ziellinie. Allerdings wünschten sich amerikanische Kunden schnell mehr Leistung, um auch gegen Konkurrenten mit mehr Hubraum bestehen zu können. Somit begannen in Modena die Arbeiten am Tipo 61, der einen 2,9 Liter großen Vierzylindermotor mit 250 PS erhielt. Das Leergewicht stieg leicht auf 600 Kilogramm. Von diesem Typ fertigte man 16 Exemplare. Bei seiner Rennpremiere auf den Bahamas fielen jedoch beide eingesetzten Fahrzeuge aus, Carroll Shelby nach Motorschaden und Gaston Andrey nach einem Unfall. Weitere Einsätze erfolgten ab 1960 vor allem mit dem amerikanischen Camoradi Team (Casner Motor Racing Division) von Lloyd Casner, das durch Sponsorengelder von Reifenhersteller Goodyear und offizielle Unterstützung von Maserati quasi das Werksteam darstellte. Neben einigen Privatfahrern setzten auch Cunningham und die Scuderia Serenissima diverse ‚Birdcage‘ ein.

Einige Tipo 60 wurden im Werk weiterentwickelt und erhielten den Namen Tipo 60/61. Ein solches Fahrzeug kommt nun im Rahmen der Classic Days am Schloss Dyck beim Traditionsauktionshaus Coys of Kensington unter den Hammer. Den historischen Bildern zufolge, die zur Dokumentation dieses Wagens gehören, startete dieser Maserati einst in weiß mit blauen Rennstreifen, zeigt sich heute jedoch in rotem Lack. 2010 erfolgte eine komplette FIA-Zertifizierung mit HTP-Papieren (Historic Technical Passport) und TSRC4-Dokumenten, wodurch der Besitzer bei Veranstaltungen wie Le Mans Classic, der Motor Racing Stirling Moss Trophy oder dem Goodwood Revival an den Start gehen darf.

Bei Maserati erfolgte im Winter 1960/61 die Weiterentwicklung des ‚Birdcage‘ zum Tipo 63, der allerdings vom Front- zum Mittelmotor wechselte und einen steiferen Rahmen mit noch mehr Rohren erhielt. Je nach Quelle entstanden sechs oder sieben Fahrzeuge in dieser Bauform, wovon möglicherweise einer im Werk als Prototyp verblieb und zum Nachfolger Tipo 64 umgebaut wurde. Drei Tipo 63 erhielten im Laufe der Saison 1961 vom Werk einen drei Liter großen V12-Motor, der ursprünglich noch für den Formel-1-Renner 250F entwickelt wurde, wobei die drei im ‚Birdcage‘ eingesetzten Triebwerke zu Testzwecken mit unterschiedlichen Bohrungs-Hub-Verhältnissen versehen waren. Ab 1962 steckte die erfolgreichste Variante dieses Aggregats mit 320 PS im Tipo 64 und beschleunigte den nur 640 Kilogramm schweren Wagen auf bis zu 310 km/h. In allen Ausbaustufen gehörten Tipo 60, 61, 63 und 64 zu den schnellsten Sportwagen ihrer Zeit, errangen jedoch nie den Weltmeisterschaftstitel, was vor allem an der Standfestigkeit lag. Heute sind diese Fahrzeuge vor allem optisch und akustisch ein Hochgenuss, wenn sie bei Veranstaltungen wie dem Oldtimer Grand Prix am Nürburgring an den Start gehen.

Bilder: Coys of Kensington