Škoda 860 Cabriolet

Vor 100 Jahren wurde die Tschechoslowakei begründet und damit der noch jungen Automarke Laurin & Klement ein neuer Staat vor die Nase gesetzt. Heute lernen Kinder auf der Europakarte Tschechien und die Slowakei einzeln kennen, während aus dem Doppelnamen der Automarke bereits 1925 ein einzelnes Wort wurde, als die Maschinenbaufirma Škoda den Autobauer übernahm und in den Konzern eingliederte. Seit den 1990er Jahren gehören die Tschechen zur Volkswagen Group und dadurch auf vielen Weltmärkten aktiv. Gleichzeitig widmet man sich am Hauptsitz in Mladá Boleslav gezielt auch der langen Tradition und zeigt ausgesuchte Stücke im Werksmuseum.

Zum runden Landesjubiläum stellte Škoda nun ein einzigartiges Fahrzeug in der hauseigenen Museumswerkstatt fertig. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg tummelte sich die Marke auch in der automobilen Oberklasse und stellte daher auf der Prager Automobilmesse im Oktober 1929 die neue Modellreihe 860 vor. Es war das damalige Topmodell der erstmals am Fließband gefertigten Fahrzeuggeneration der tschechischen Marke und gab mit seiner Bezeichnung einen Hinweis auf Zylinderanzahl und Leistung. Der 860 holte also aus acht Brennräumen und 3,9 Litern Hubraum 60 PS (44 kW). In Verbindung mit einem manuellen Dreigang-Getriebe geht es bis zur Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Vorn und hinten kamen Starrachsen an langen und breiten Blattfedern und hydraulischen Stoßdämpfern zum Einsatz, die am robusten Leiterrahmen montiert wurden. Ohne Karosserie brachte das Fahrgestell bereits 1.460 Kilogramm auf die Waage, komplettiert waren es je nach Ausführung und Ausstattung über zwei Tonnen.

Während die Chassis nur von Oktober 1929 bis Sommer 1931 gefertigt wurden, lief der Abverkauf mit neuen Karosserien noch bis Anfang 1933. Insgesamt entstanden lediglich 49 Exemplare des 860, was vor allem an der Weltwirtschaftskrise lag. Mit 125.000 Kronen für die Limousine und 140.000 Kronen für das viertürige Cabriolet lag Škoda im absoluten Topsegment der damaligen Oberklasse. Neben den beiden genannten Karosserievarianten gab es nackte Chassis und das werksseitige Faux-Cabriolet, also eine Limousine mit festem Dach, deren Dach mit Stoff verkleidet wurde, um wie ein geschlossenes Cabrio zu wirken.

Heute existieren nur noch wenige Exemplare, darunter ein Faux-Cabriolet und ein zum Feuerwehrfahrzeug umgebauter 860. Das Škoda Werksmuseum besitzt das einzige noch bekannte Cabriolet seit 1998 und restaurierte es nun zwei Jahre lang umfangreich in den Auslieferungszustand. Einst hatte es dem Werk bereits als Vorführwagen gedient. Dieses Modell war übrigens nicht der erste Achtzylinder-Wagen der Tschechen. Bereits 1907 gab es den Laurin & Klement FF mit einem Achtzylinder-Reihenmotor, dem vermutlich ersten in Mitteleuropa. Auch beim 860 zeigt sich die Innovationsfreude der Marke. So findet sich am Armaturenbrett eine Neigungsanzeige, die als Vorläufer der heutigen Schaltpunktanzeigen gilt. Im Fahrzeugboden befindet sich eine Glühheizung, hinzu kommen Zigaretten- und Zigarrenanzünder sowie Rollos an den Seitenscheiben. Optional konnte zwischen den Vordersitzen und dem Fond eine versenkbare Trennscheibe bestellt werden.

Bilder: Škoda