Ferrari 365 GTB/4 Competizione Gr 4
Ferrari und Le Mans, diese Kombination gehört eng zusammen und das nicht erst durch die GT-Erfolge der Neuzeit. Bereits kurz nach der Markengründung nahmen die Renner aus Maranello an diesem Langstreckenklassiker teil, den Enzo Ferrari noch aus seiner Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg kannte, als er die Werksmannschaft von Alfa Romeo leitete. Als 1968 der neue 365 GTB/4 debütierte, sollte er tatsächlich ein reiner Straßensportwagen bleiben. Allerdings gab es schnell Anfragen von Kunden, speziell aus den USA, die das Potenzial im Frontmotor-V12-Coupé sahen und dieses gern ausloten wollten. So begannen die Arbeiten an einer Rennvariante, die auf Wunsch von US-Importeur Luigi Chinetti eine leichtere Karosserie aus Aluminium erhalten sollte. Chinetti betrieb bereits seit 1957 NART, das North American Racing Team und setzte den ersten Prototyp des 365 GTB/4 Competizione mit der Chassisnummer 12547 im Training zu den 24 Stunden von Le Mans 1969 ein, wo der Wagen jedoch so beschädigt wurde, dass ein Rennstart nicht in Frage kam. Es folgte ein Einsatz bei den 24 Stunden von Daytona 1970, wo der Ferrari ausfiel.
Bei Ferrari entstand derweil auf Basis eines Serienfahrzeugs der zweite Prototyp mit Chassisnummer 12467 und nur minimal modifizierter Stahlkarosserie. Diesen Wagen erhielt das NART-Team am 10. Juni 1971 pünktlich zu den Trainingsfahrten für das 24-Stunden-Rennen in Le Mans, wohin er auch direkt geliefert wurde. Um den strengen Vorgaben des Gruppe-4-Reglements zu entsprechen, ließ Ferrari den Wagen zuvor direkt neben dem Werksgebäude in Maranello bei Carrozzeria Sports Cars umfangreich vorbereiten. Dazu gehörte der Einbau eines Trennschalters für die Bordelektrik, eine Sperre für den Rückwärtsgang, ein Überrollkäfig und weitere kleine Modifikationen. Um ein wenig Gewicht einzusparen, tauschte man die Seitenfenster und die Heckscheibe gegen Plexiglas aus. Luftleitelemente auf den vorderen Kotflügeln, Radhausverbreiterungen rundum, entfernte Stoßfänger und ein tief in die Karosserie versenkter Schnelltankstutzen rundeten das Paket ab.
Beim Rennen traten Luigis Sohn ‚Coco‘ Chinetti und Bob Grossmann mit dem 365 GTB/4 an. Nachdem bei den Testrunden die Bremsen als Schwachstelle aufgefallen waren, montierten zwei vom französischen Pozzi-Team entliehene Mechaniker weichere Bremsbacken, die zwar den Bremsweg reduzierten, allerdings auch regelmäßig während des Rennens gewechselt werden mussten. Dennoch kämpfte man sich konstant weiter nach vorne und lag nach 19 Rennstunden auf Platz fünf. Diesen Rang behielt er bis ins Ziel und gewann zusätzlich die ‚Index of Performance‘-Wertung mit einem Durchschnittsverbrauch von 40 Litern pro 100 Kilometer über die volle Renndistanz von immerhin 4.218,752 Kilometer.
Für die Saison 1972 ging das Auto an das Baker Motor Co. Rennteam und wurde bis zum 12-Stunden-Rennen von Sebring 1973 im Wettbewerb eingesetzt. In den folgenden rund 20 Jahren verblieb der Wagen in den USA und ging durch verschiedene Sammlerhände. Anschließend ging das Fahrzeug an den heutigen Besitzer in Frankreich, der ihn auf den Auslieferungszustand restaurieren ließ und bei Ferrari ein Classiche Zertifikat einholte. Nun steht Chassis 12467 bei Artcurial im Rahmen des Le Mans Classic zur Versteigerung. Das Auktionshaus erwartet einen Zuschlagspreis von 6.500.000,- bis 7.500.000,- €.
In der Ferrari-Serviceabteilung ‚Assistenza Clienti‘ entstanden in den Jahren 1971, 1972 und 1973 je fünf weitere Competizione-Varianten, die sich zwischen den einzelnen Serien minimal unterscheiden. So bekamen die ersten fünf Autos eine Aluminiumkarosserie mit Anbauteilen und Scheiben aus Kunststoff. Die Serien 2 und 3 kehrten zu Stahlkarosserien zurück und erhielten nochmals breitere Kotflügel, um hinten elf Zoll breite Felgen unterzubringen. Zudem stieg die Leistung von anfangs 360 auf 402 und später sogar rund 450 PS an.
Bilder: Artcurial, Loic Kernen, The Cahier Archive, Archives ACO